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Seelenkonzepte
Asherah * schrieb am 21. Dezember 2006 um 21:45 Uhr (1319x gelesen):

Solch einer Frage kann man sich nur dann nähern, wenn man eine klare Definition des Seelenbegriff hat, welcher weit unterschiedlicher ist als viele meinen könnten. Im Endeffekt kann man sich je nach Definition von Seele wieder einmal "alles" und "nichts" herleiten.

LG - Ash

Im folgenden ein Textauszug, denn mir ein guter Freund einst zu diesem Thema zusandte:

Aus einem Aufsatz ^Ethnische Seelenkonzepte^ von Karl R. Wernhart, in ^Der
>Begriff der Seele in der Religionswissenschaft^.
>
> Global gesehen lassen sich fünf Seelentypen unterscheiden, die als eine Art
>Inventar von Möglichkeiten zu gelten haben, sich in Wirklichkeit aber nicht
>immer scharf voneinander abgrenzen lassen:
>
>Die Lebensäußerungen des Menschen beruhen nach Meinung vieler Ethnien
>vielfach auf der Wirksamkeit eines belebenden Prinzips, einer ^Vitalseele^.
>Sie kann mit dem Hauch identifiziert (Hauchseele oder Atem) oder eng mit
>Körper verbunden gedacht werden, lokalisiert im Herzen, in der Leber, im
>Blut, den Knochen oder den ganzen Leib durchdringend (Körperseele). So kommt
>es zur Annahme von sogenannten ^Organ- oder Funktionsseelen^, indem
>verschiedenen Körperteilen, vor allem sensitiven, ein vitales Prinzip
>zugeschrieben wird. Die Lebensseele in verschiedenen Spielarten kann nach
>dem Tode mit dem Körper vergehen, aber auch in irgendeiner Form weiter
>existieren. Ebenso kann sie zu Lebzeiten den Körper kurzfristig verlassen,
>wodurch der Mensch krank wird. So bestehen Rituale, die die aus dem Leib
>entwichene Lebensseele zurückbringen sollen.
>
>Als Zentrum des Denkens, Wollens und der Gefühle, als Kern der
>Persönlichkeit, kann eine ^Egoseele^ angesehen werden. Mitunter wird sie als
>ein eigenes, fast selbständiges Wesen im Menschen gedacht, mit einer
>stärkeren Autonomie. Sie verleiht die intellektuellen Fähigkeiten bzw.
>bringt sie zum Aktivieren oder fungiert auch als das, was wir Gewissen
>nennen. Als ihr Sitz wird häufig der Kopf oder das Herz gedacht. Sie
>repräsentiert die Persönlichkeit im Wachbewußtsein und wird nach dem Tode
>meist weiterexistierend aufgefaßt.
>
>Eine Wesenheit besonderer Art wurde von Ernst Arbman und seiner Schule als
>^Freiseele^ bezeichnet, die Hasenfratz ^Exkursionsseele^ nennt; sie tritt
>bei paranormalen Zuständen des Menschen in Aktion: Sie hat nämlich die
>Eigentümlichkeit, nur lose am Körper zu haften oder gar außerhalb desselben
>zu existieren, kann sich also von der Leibgebundenheit weitgehend freimachen
>und hat sehr mobilen Charakter. Dieser ^Seelentyp^ gilt manchmal als Art
>Kopie oder Spiegelbild des lebenden Menschen (daher spricht man auch von
>Bildseele); er kann sich aber ebenso im Schatten manifestieren, daher leitet
>sich die Bezeichnung ^Schattenseele^ ab. Außerdem wird angenommen, daß die
>Freiseele als Licht, Flamme, in Tier- oder Pflanzengestalt in Erscheinung
>tritt. Sie betätigt sich nun vorwiegend im Schlaf bzw. bei Ausschaltung des
>Oberbewußtseins, in welch psychischer Situation sie umherwandert, im
>Wachzustand sich jedoch meist passiv verhält. Ihr Erlebnisse und
>Erkenntnisse offenbaren sich im Traum oder in Visionen; somit wird auch der
>Ausdruck ^Traumseele^ verwendet. Unter Umständen kann auch die Ego- oder
>Vitalseele die Rolle der Freiseele übernehmen. Nach dem Tod wird sie meist
>weiterlebend gedacht. Als Extremform hat die Vorstellung von der sogenannten
>^Außenseele^ zu gelten, wonach entweder die Freiseele oder die Vitalseele
>sich dauernd an einem entfernten Ort, im Busch (Buschseele), in einem Tier
>oder Naturgegenstand oder sogar bloß in einem Behälter befindet. In ihrer
>Besonderheit, sich vom Leib zu distanzieren und sich zu objektivieren, liegt
>in der Konzeption der Freiseele als Hypothese ein Ansatz für die
>Herausbildung anderer Vorstellungen, die mit Seele an sich vielfach nichts
>mehr oder nur indirekt etwas zu tun haben. Es sind dies die Auffassungen vom
>Doppelgänger (Dualvorstellung) oder ^Alter Ego^ und vom ^Nagual^, deren
>Abgrenzung voneinander aber nicht immer klar gegeben erscheint. Der
>Doppelgänger gilt als ein fast selbständiges Wesen, das auch im Wachzustand
>des Menschen in Aktion tritt, als eine Art ^Schutzgeist^, als Warner, der
>Informationen gibt, manchmal dämonische Züge aufweist und vor dem Tode als
>Omen oder zweites Gesicht erscheint. Nagual ist die hispanisierte Form des
>aztekischen (mexikanischen) Wortes Naualli (^etwas Verborgenes, Verhülltes^)
>und bezeichnete ursprünglich die Verwandlungsform von Magiern, Zauberern
>oder Gottheiten (auch Tonalismus, von aztekisch tonalli, ^Schicksal, Seele,
>Geist, Tag^). Nagualismus als Konzeption oder Glaubensrichtung soll vom
>Alter-Ego-Gedanken zwar grundsätzlich unterschieden werden, doch ist in
>Wirklichkeit eine scharfe Trennung nicht möglich. Nagual (Tonal) gilt im
>allgemeinen als ein Tier oder Naturobjekt, das mit einem Individuum in
>mystischer, schichsalhafter Simultanexistenz verbunden ist, gewissermaßen
>als Lebenspartner einer Person. Bei Verletzung oder Tod des einen Partners
>widerfährt dasselbe automatisch auch dem anderen. Daher muß das betreffende
>Tier oder Objekt unbedingt geschont werden. Der Nagualismus zeigt einige
>Verwandtschaft mit dem sogenannten Wertier(Werwolf)glauben, wonach sich ein
>^Zauberer^ oder eine Hexe in ein Tier verwandelt, an dem ihr Leben hängt.
>Die mobilen Fähigkeiten der ^Frei-, Außen-, Traum- oder Exkursionsseele^
>stehen mit der ^Umweltkomponente der menschlichen Persönlichkeit^ in
>Zusammenhang und schließen die ^Reinkarnationsseele^ mit ein, die als
>Sonderform in der ^Geistkind^-Konzeption der australischen Aborigines
>anzutreffen und mit den Vorstellungen über die Traumseele in Kombination zu
>sehen ist. Ebenso hilft die Freiseele dem Schamanen in Trance bei seiner
>Suche nach verloren gegangenen oder verstorbenen Seelen oder Teilen
>(Seelendiebstahl) von diesen; sie kann beim Finden des dem Menschen
>zugeteilten zoomorphen Hilfsgeistes (Schutztier, Alter Ego) behilflich sein.
>Auch für den psychomedizinischen Heilungsprozeß im Rahmen des Schamanismus
>bietet dieser vielgestaltige Seelentypus seine operative Möglichkeit an.
>
>Die Konzeption von ^bisexuellen Seelen^, die Hermann Baumann im Jahre 1955
>herausgearbeitet hat, zeigt nur begrenzte Verbreitung. Es handelt sich hier
>weniger um richtige Seelenvorstellungen als vielmehr um Lebenskräfte oder
>geschlechtlich differenzierte Potenzen. Es wird angenommen, daß jeder Mensch
>in sich sowohl ein männliches oder auch ein weibliches Prinzip aufweist. Die
>maskuline Wesenheit hat mehr spirituellen Charakter, ist beweglich, wird vor
>allem im Kopf, Haar, den Knochen und im Samen lokalisiert gedacht und
>manifestiert sich im Schatten, Atem, Bewußtsein und Traum. Die feminine
>Qualität hingegen haftet stark am Körper, sitzt im Blut und reguliert mehr
>die Leibesfunktionen. Die betreffenden ethnographischen
>Vorstellungskategorien dieses ^Seelentypus^ zeigen in ihren Aspekten der
>Interpretation eine gewisse inhaltliche Nähe zu Ansichten von C.G. Jung.
>
>Der von J. Paulson 1954 eingeführte Begriff der ^Kinder- oder
>Wachstumsseele^ bezieht sich auf Vorstellungen, die vor allem bei
>nordasiatischen Völkern anzutreffen sind. Diese Art von Seele zeigt ihre
>Wirksamkeit im Neugeborenen und im Kleinkind und zwar an Stelle anderer
>Seelen. Sie fördert das Wachstum und könnte somit als ein Vorläufer der
>Vital- oder Körperseele betrachtet werden, zeigt aber auch einen Aspekt der
>Freiseele, indem sie den Körper verlassen kann. Beim Älterwerden des Kindes
>transformiert sie sich allmählich in die verschiedenen Seelen der
>Erwachsenen.
>
>Mit dem letzten Übergang im Lebenszyklus wird die Tatsache des postmortalen
>Weiterlebens bzw. des Fortbestehens von Seelentypen angesprochen. In der
>ethnographischen Literatur stehen Begriffe wie Totengeist (Totenseele), Ahne
>und Jenseits (Totenland) in allgemeiner Verwendung; doch muß zwischen
>Totengeist und Ahne unterschieden werden. Vielfach herrscht der Glaube vor,
>daß die Seelen der Lebenden beim Tode einer Transformation unterliegen. Das
>kann bedeuten, daß der Begriffsinhalt ^Totengeist^ mit ^Seele^ nicht
>gleichgesetzt wird, sondern eine eigene postmortale Wesenheit, ein
>^Gespenst^, mit positiven wie negativ besetzten Kategorien, repräsentiert.
>Dies zeigt sich auch darin, daß bei einigen Ethnien Seele und Totengeist mit
>verschiedenen Termini belegt werden; so ist es auch nicht immer die Seele,
>die zum Totengeist wird. Die Personalität des Verstorbenen lebt nun in einer
>neuen Daseinsform weiter, die aber oft mit dem Konzept Seele nichts mehr zu
>tun hat. Die Todesart stellt meist die Schlüsselposition für die
>transzendente Weiterexistenz dar. Im allgemeinen repräsentiert der
>Totengeist oder das Gespenst eine einfachere Sphäre der transzendenten Form.
>Vielfach stellt aber auch dieser einen ins Jenseits gelangten Seelentypus
>dar, der in einer ^neuen personifizierten Art^ nun in einer neuen Dimension
>weiterlebt; dies kann durch eine umgewandelte Ego- oder Freiseele erfolgen.
>Als Beispiel sei die ^Metamorphose der Egoseele^ zum Totengeist der
>Polynesier (tupapau) erwähnt; er kann als Gespenst oder als lebender
>Leichnam aus dem Jenseits zurückkehren und den Lebenden gefährlich werden
>oder ebenso als Verursacher von Todesfällen auftreten. Die Lokalisation des
>Jenseits ist äußerst mannigfaltig: es gibt zahlreiche Möglichkeiten des
>Totenlandes, so wird es u.a. in oder unter der Erde (Unterwelt), auf den
>Bergen, in Gewässern, im Meer, auf einsamen Inseln oder am Rande der
>Siedlung gedacht. Meist ist das Totenland im Westen, dem Ort des
>Sonnenuntergangs angesiedelt, viel seltener im Osten (Sonnenaufgang); diese
>Region ist dem Bereich der Geburt vorbehalten. Die sogenannte andere
>Dimension oder Transzendenz wird vielfach nach irdischen Maßstäben erdacht,
>entsprechend der jeweilig betreffenden Kulturartung und spezifischen
>Weltbildkonzeption. Das Totenland stellt oft eine Wiederspiegelung des
>Irdischen mit zusätzlichen Wunschbildkategorien als eine Art ^Paradies^ dar;
>andere Ethnien halten es für eine finstere Region des Schreckens, ein
>trostloses Reich der Schemen und Schatten.
>
>Mit den ethnischen Seelenkonzeptionen steht auch der ^Ahnenkult^ in
>inhaltlicher Verbindung, also die Verehrung der Verstorbenen. Als Geistwesen
>werden ihnen übermenschliche Kräfte und Fähigkeiten zugeschrieben, die sich
>u.a. auch in einem Schädelkult oder im Manismus und im Megalithwesen mit
>übermächtigen Steinsetzungen, Verdienstfesten und reichen Blutopfern
>[besser: Ahnenspeisung] manifestieren können. Ebenso ist die Präexistenz der
>Seele (oder der Seelen) in das Betrachtungsfeld ethnischer Seelenkonzepte
>einzubeziehen. Es handelt sich um Seelentypen (Ego- oder Freiseelenformen),
>die in anderen Dimensionen (Transzendenz, Oberwelt, Unterwelt, Traumwelt)
>leben und als Geistkind- oder Reinkarnationswesen eine Vermenschlichung
>erfahren; es sei hier nochmals auf die aus der Dreamtime reinkarnierten
>Geistkinder der australischen Aborigines verwiesen.


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