Christen und Nazis
Jassu schrieb am 11. Januar 2003 um 17:24 Uhr (544x gelesen):
Oh je... ich hoffe nur, all diese Streitereien haben nicht nur in meinem Posting an Gabi ihren Ursprung! Es ist ja wirklich erschreckend, wie sich die Leute hier an die Kehle gehen! (Und ich habe teilweise auch schon damit angefangen... Asche auf mein Haupt!)
Ich finde, der richtige Ansatz ist tatsächlich, zwischen Christus und Klerus - oder genau genommen sogar zwischen Jesus und dem Christentum an sich - zu trennen. Das ist eigentlich auch der Ansatz, dem ich im allgemeinen folge. Bei mir kocht die Wut eigentlich nur hoch, wenn ich sehe, was die Menschen aus Jesus Lehre gemacht haben. Dem Nazarener selbst gegenüber hege ich nicht den geringsten Groll. Vielmehr bin ich sogar relativ sicher, daß er mindestens ebenso entsetzt wäre wie manche unter uns, wenn er die heutigen religiösen Konflikte der christlichen Völker sehen könnte.
Die Rassenideologie des dritten Reiches mit einer Religion gleichzusetzen, ist soziologisch betrachtet allerdings relativ fragwürdig. Die Wurzeln des Antisemitismus reichen sehr viel weiter zurück als bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Wenn ich hier jetzt wieder eine boshafte Diskussion vom Zaun brechen wollte, würde ich kurzerhand auf die Rolle der Kirche in der Entstehung Verbreitung des Judenhasses vom Mittelalter bis zur Neuzeit eingehen, aber soweit will ich es dann doch nicht kommen lassen. Sicherlich war die Diffamierung der vermeintlichen "Christusmörder" nicht die einzige Ursache für den Hass, der jahrhundertelang schwelte. Schon dadurch, daß die Juden per Gesetz zu Ausgestoßenen wurden, die in eigenen Stadtvierteln wohnten und in ihrer Berufswahl eingeschränkt waren, wurden sie wohl schon zu idealen Sündenböcken, zu *den Fremden*, deren Lebensart man nicht verstand.
(WIESO sie allerdings von Anfang an ausgegrenzt wurden... nun, das ließe sich wieder über das Christentum erklären, in dem antisemitische Strömungen bereits in den SChriften des Paulus nachzuweisen sind...)
Aber wie gesagt: Meine Kritik ist nicht an den Nazarener gerichtet, sondern an jene, die seinen Namen über Jahrtausende hinweg pervertiert haben. Wo soll ich anfangen? Martin Luther war nachweislich Antisemit - er schrieb sogar eine Hetzschrift gegen die Juden. Und die Rolle der katholischen Kirche im 3. Reich war wohl auch alles andere als rühmlich. Da kam sogar der Vorwurf auf, daß der Vatikan den Massenmord stillschweigend toleriert habe. Die Eroberung Südamerikas (und der Massenmord an Millionen von Indios) wurde noch 1992 als großer Sieg des Christentums gefeiert, mit großen Plakaten, die ein leuchtendes Kreuz über dem Schiff des Kolumbus zeigten. Die Versklavung afrikanischer Stämme geschah oftmals unter dem Deckmantel der Missionierung, wobei die Einführung in die neue Religion sich auf Massenbesprenkelungen mit ein paar Wassertropfen beschränkte, etc.pp.
Verdammt, nun habe ich mich schon wieder dazu hinreißen lassen! Aber vermutlich weiß ich inzwischen einfach zu viel über die Schattenseiten der Kirche, als daß ich hier noch als Vermittler zwischen streitenden Parteien agieren könnte.

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