an alle: reich und arm
Füchsin * schrieb am
1. Dezember 2005 um 10:34 Uhr (684x gelesen):
Hallo!
Wie wunderbar, dass hier alle (ausgenommen vielleicht Morpheus) automatisch bereit sind, einen Hilfesuchenden für einen Gauner und Betrüger zu halten. Ohne viel zu überprüfen. Reich = guter Mensch, arm = böser Mensch. Reich = darf tun und lassen was will. Arm = Schmarotzer sollen den Mund halten. Diese calvinistisch-großbürgerliche materialistische Einstellung verursacht bei mir Übelkeit. Genau diese Einstellung hat auf der Welt bereits ungeheuer viel Elend verursacht und verursacht es weiterhin. Ich hoffe, keiner der Leute kommt hier nochmals auf die Idee, ein Wort über Ethik oder Spiritualität zu schreiben, wirklich.
Ich gehe durch die Stadt, und werde immer wieder um Geld gebeten. Mal sagt mir mein Gefühl: hilf diesem. Mal sagt mir mein Gefühl: hilf demjenigen nicht. Und manchmal ist einfach meine Geldtasche leer und ich kann nicht. Aber wenn ich nicht helfen kann, weder finanziell, geistig oder mit Sachgütern, so mache ich nicht den Betreffenden noch verbal zur Schnecke, es reicht völlig, den Kopf zu schütteln und "nein" zu sagen. Ich verstehe, dass hier einige das Gefühl haben, dass sie nicht helfen sollen. Aber müssen sie das IN DER ART ausdrücken??
Was wir auf der Welt besitzen, eines Tages müssen wir es zurücklassen, und nur die guten Taten nehmen wir mit. Wir sind alle Bettler, und alles was wir besitzen, ist uns auf Zeit geliehen. Mit einem Fingerschnippen kann alles dahin sein. Ein Blitz, und alles löst sich in Rauch auf. Es ist schäbig, sich als Oberlehrer aufzuspielen. Wenn man selbst auf dieser Welt nur Schüler und Bettler ist. Okay, gute Ratschläge sind immer nützlich und sollen sein. Aber jemand in Bausch und Bogen zu verdammen, nur weil er sich nicht zu helfen weiß und verzweifelt ist. Was soll denn das? Ist das nur der Frust, dass man selbst hart zu kämpfen hat?
Auch eine Prinzessin, die aus dem goldenen Schloss geflogen ist, kann hilflos und verzweifelt sein. Es muss ja nicht immer Geld sein, auch gute Ratschläge - ohne Häme und Vorurteile - können dann wertvoll sein. Wo man was und wie bekommt, damit man überleben kann. Wo und wie man einen Job bekommt. Offenbar sind einige der Meinung, man ist erst dann hilflos und verzweifelt, wenn man halbtot im Dreck liegt und überhaupt nichts mehr hat. Aber die Verzweiflung, liebe Leute, fängt schon früher an. Wenn man realisiert, dass man gerade dabei ist, nach unten zu rutschen. Wenn man ganz unten ist, dann bittet man nämlich nicht mehr. Dann stirbt man. Ich erwarte mir eigentlich, dass Leute, die selbst gelitten haben, dass wissen.
Also egal, was ihr persönlich über rainbowchild u. a. denkt, die ihr hier so leicht beurteilt, ohne sie zu kennen, ob sie Hilfe verdient oder nicht, behaltet es einfach für euch. Auf jemand, der bereits am Boden ist, trampelt man nicht auch noch herum. Denkt lieber mal über euch selbst nach. Und eure eigene Einstellung zu materiellen Dingen. Und das zu Advent.
Füchsin
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