re[2]: Abhängigkeit
felina * schrieb am
23. April 2008 um 8:21 Uhr (1115x gelesen):
liebe myrrhe
grundsätzlich verdienen IMMER die reichen, und die anderen sind das fußvolk. aber um da mal, auch in den eigenen reihen, andere situationen zu schaffen, bedarf es einer ganz anderen herangehensweise, denn die wurzeln liegen viel meist wonaders als da, wo sie gemeinhin vermutet werden.
>
> Aber - leider - überwiegen ganz andere Aspekte:
> Der erste hieß Kolonialismus. Viel, viel Leid - ja, eigentlich den Ursprung des Leides - hat die Kolonialisierung und Zwangsmissionierung mit sich gebracht.
aber jetzt findet diese form der kolonialisierung gar nicht statt und wird schon gar nicht durch den verzicht auf flugreisen geblockt. ganz im gegenteil: je weniger menschen sich über die realitäten in anderen ländern informieren und sich dort hinbegeben, um sie zu verstehen, desto leichter ist es für die, die "kolonialistische" absichten haben, sie unbeobachtet auch durchzusetzen. zwangsmissionierung - das ist ein thema, was wir gar nicht mehr haben. ich meine: was war, war. die geschichte ist oft nicht schön gewesen, überall nicht. aber zurück zu dem stand der dinge davor geht nicht. wir müssen uns von hier aus entwickeln, nicht von der situation einer zeit aus, die es gar nicht mehr geben kann.
>Die Auswirkungen spüren wir jetzt noch: Kulturen, die sich im Zwist mit ihren eigenen Wurzeln und denen der Missionierer befinden. Kulturen, die verlernt haben, sich selbst zu versorgen. Menschen auf der Flucht vor Armut, Schlepperunwesen, Tausende Tote jährlich deswegen ... Dezimierte, ja ausgestorbene Völker.
das mit der zwansmissionierung kannst du gerne auch auf europa beziehen, denn das christentum kommt aus dem nahen osten, und die kirche hat damals alle anderen religionen in europa assimiliert und zerstört. (ich persönlich habe geradezu von natur aus ein kulturelles problem mit der kirche ;) ). kulturen haben nicht DESWEGEN verlernt, sich selbst zu versorgen. die probleme anderer länder und kontinente kann man nicht so einfach vom tisch wischen, indem man sagt: wir haben das verursacht, nun ziehen wir uns zurück. es ist eine viel zu allgemeine beschreibung der umstände, die du tätigst. als hätten die menschen in den jahrtausenden davor in friede freude eierkuchen gelebt, und dann kam der böse zivilisationsmensch und hat sie zum morden angestiftet. nein, so ist das nicht!
> Und ich gehe weiter: das Roden des Regenwaldes.
myrrhe - bitte! brasilien holzt den regenwald selber ab, weil sie zuckerrohr anbauen, um treibstoffmäßig vom öl unabhängig zu sein; weil sie ackerland brauchen; weil sie billiges bauland brauchen; weil sie straßen bauen müssen... und weil sie sich selbst an ausländische spekulanten verkaufen. aber brasilien brockt sich das selber ein, weil - wie überall - seine politiker skrupellos und korrupt sind und weil mehr geld in die taschen der politiker fließt, als irgendwohin sonst.
>Das Einfallen von Touristenhorden in ebensolche -parks, an denen nicht die Armen verdienen, sondern ein paar wenige Reiche. (Irgendwie kein Wunder, daß das heute auch zu Terroranschlägen führt... - die Menschen wehren sich.)
manchmal geht echt alles durcheinander. wenn du von den verschandelten küsten in spanien sprichst und die tourismus-politik, die hier betrieben wird, gebe ich dir mindestens umweltpolitisch recht. ansonsten hat der tourismus in dritte-welt-ländern sehr wohl arbeitsplätze geschaffen und tut dies auch weiterhin. für manche länder wäre das ende des tourismus fatal. ich meine, es gibt zahlen darüber! vielleicht solltest du dich mal mit reisen beschäftigen und IN diese länder reisen und dir ansehen, wie es wirklich ist. es ist unglaublich einfach, ein bisschen geschichte, ein bisschen dreck zum selbst bewerfen, ein paar beobachtete missstände zu nehmen und undifferenziert ein schlammbällchen daraus zu machen, mit dem man eine ideologistische position verteidigt. damit meine ich jetzt nicht dich, sondern diese ganze debatte um tourismus, außenhandel usw. überhaupt. ich kenne diese argumente alle. ich bin schon aus umweltgründen nicht für billigen massentourismus, da man gerade hier in spanien gut sehen kann, zu was für einer entsetzlichen verschandelung das führt. aber es gibt immer einen mittelweg. ich bin gegen dieses gerede von "bleibe im lande und nähre dich redlich, dann tust du was für die umwelt". das ist unsinn. und mit dem TERRORISMUS hat das überhaupt nichts zu tun, null! das sind GANZ andere mechanismen.
wieso ich das alles so sicher sagen kann? weil ich reise, ständig (reisen muss). und weil die realitäten in anderen ländern vor ort ganz anders aussehen, und weil die einfachen leute auf der straße ganz anders denken, als der umweltbewusste zivilisationsmensch glaubt.
>Krankheiten, die eingeschleppt werden, mit denen unsere Abwehr nicht zurecht kommt - und umgekehrt. (Und während wir es vielleicht im Laufe der Generationen lernen, damit umzugehen, ist es den armen Völkern nicht vergönnt: weil die Menschen zu früh sterben.)
mit ebola % co. kann hier keiner umgehen, und diese viralen krankheiten sind eine bombe, die bereits tickt. die wissenschaftler warten geradezu auf eine mutation. aber nicht wegen des tourismus. außerdem ist ja beispielweise eventuelle der meinung, dass irgendwann grenzen nur noch auf dem papier bestehen werden, und zwar von einem klar ideologischen standpunkt her. meinst du, dass das die ausbreitung dieser krankheiten nicht begünstigt?
>Das Hereinkarren exotischer Früchte und anderer Nahrungsmittel, an denen wieder nur die Reichen des Westens verdienen, nicht aber die Armen im Land.
also, wenn ich das immer schon lesen muss, dann hätte ich gern mal ein paar zahlen dazu, die das beweisen. dass den armen nicht die exportfirma geschenkt wird, ist klar. dass sie auf den plantagen arbeiten, anstatt keine arbeit zu haben, ist nicht negativ zu bewerten. man muss das fallweise differenzieren. selbst WENN vielerorts ein ausbeutung stattfindet, ist durch den nahrungsmittelexport auf jeden fall die möglichkeit der schaffung von arbeitsplätzen und damit eine verbesserung der wirtschaftlichen situation gegeben. du musst dir immer vor augen halten, dass in jenen ländern die bevölkerungsexplosion nicht nur nicht halt macht, sondern 100x größer ist, als in beispielsweise europa. auch deren länder müssen diese zunahme an menschen verarbeiten. arbeitspätze werden gebraucht und kommen nicht aus einem angeblichen gleichgewicht, wo man diese menschen "im ursprünglichen einklang mit der natur" leben lässt. das problem wäre IMMER aufgetaucht. der mensch vermehrt und entwickelt sich. egal, auf welchem kontinent.
> Sich gegen das Fliegen zu entscheiden und damit auf Reisen jenseits der Meere zu verzichten, heißt nicht "Steinzeit". (Genau wie der Verzicht auf Atomkraft nicht - wie uns damals von der Atomindustrie weisgemacht werden sollte, "Steinzeit" bedeutet.) Es heißt vielmehr, bewußt dort zu leben, wo unsere Wurzeln liegen. Und dieses Areal - das man mit der Bahn erreichen kann - ist groß genug, denke ich. Es heißt gleichzeitig, den Menschen jenseits der Meere die Chance zu geben, abseits der Entwicklungshilfe auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist im ganzen Geschehen allerdings der schwierigste und problematischste Punkt: denn die Menschen wurden seit der Kolonialisierung dazu gebracht, abhängig zu sein. Und diese Abhängigkeit in eine Unabhängigkeit zu wandeln, würde viel Zeit erfordern, viele Hilfsprojekte (nicht: -güter) und viele Initiativen seitens der westlichen Welt. Ob sie bereit dazu wäre?
das ist mir alles zu utopisch gedacht und praktisch überhaupt nicht umzusetzen. ich versteh auch diese ganze argumentation nicht. auf der einen seite soll der zivilisationsmensch sich auf sein plätzchen zurückziehen; auf der anderen seite sollen die grenzen offen sein. wenn aber unkenntnis und null erfahrung mit anderen ländern herrscht, dann greift der normalo beim anblick eines schwarzen schnell mal wieder zum steinchen. die schlimmsten ignoranten habe ich in meinem leben unter denjenigen kennengelernt, die ihr land nie verlassen haben. und dies ist ürbigens ein problem von nordamerika. immer wieder wird auf die ignorante schmalspur vieler amerikaner hingewiesen. aber woher kommt diese sicht? weil viele amis glauben, den rest der welt gäbe es nur im tv. ich würde das gegenteil propagieren: sprachen lernen, länder- und völkerkunde unterrichten, religionsinhalte vorstellen, reisen und sich realitäten klarmachen. dies gilt für alle in der welt. das wäre MEIN idealistisches ziel.
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> Ich denke, es ist wichtig, für jeden von uns, auch über Dinge zu reflektieren, die etwas außerhalb unseres Kreises liegen. Auf Flugreisen zu verzichten, ist ein solcher Ansatzpunkt - denn, über den Kontakt mit entfernten Ländern hinaus, geht es hier auch um überhohen Kerosinverbrauch und CO2-Ausstoß.
zahlen, zahlen, zahlen. wo sind sie? ich lehne billigen massentourismus auch ab. ich lehne nicht unbedingt preiswerte flüge ab, denn ansonsten wird bildung zu einem privileg der reichen, und das wollen wir ja nicht.
für mich führt die abschaffung der internationalität, wie ich es hier umschreibend genannt habe, in eine gefährliche sackgasse der ignoranz. du kannst die dummheit nicht abschaffen. du kannst sie nur verbessern. der mensch lernt durch erfahrung, durch perzeption. graue theorie allein bringt uns zu keinem besseren verständnis füreinander. ich würde nur eins gern zugeben: dem tourismus fehlt die dazugehörige bildung. da würde ich ansetzen.
eins sei hier noch gesagt: viele religionen, u.a. der islam, werten reisen extrem hoch. die kontemplation von gottes schöpfung in form des kennenlernens anderer realitäten steht dabei höher im kurs als das gebet.
diese tatsache sollte mal zu denken geben.
myrrhe, ich werde nie, nie, nie eurer meinung sein. ich reise ein leben lang, größtenteils allein und oft ohne geld (luxushotels also meist ausgeschlossen). ich weiß, wovon ich rede, ich weiß, was ich gesehen, gelesen, erfahren habe, was es mir und anderen gebracht hat, und was der kontakt mit anderen kulturen bewirkt. wenn ihr das propagiert, dann denkt mal darüber nach, wieviel der spirituellen lehren usw. unbekannt wären, gäbe es keine reisen. in all dem, was schlecht ist, gab und gibt es auch gutes. wie gesagt: lösungen von hier aus suchen. die vergangenheit ist tot. mit idealismus kommen wir nur weiter, wenn wir diesen auf die realität einstellen.
dir alles liebe, felina
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