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Re: Leben um jeden Preis?
Akari schrieb am 18. März 2004 um 7:56 Uhr (565x gelesen):

Jährlich fallen 40.000 Menschen ins Koma. 3000 davon ein halbes Jahr und länger ins Wachkoma.
Ein Drittel aller Patienten kann wieder in die Schule und den Beruf eingegliedert werden,
ein weiteres Drittel in die Familie zurück.
Dafür braucht man hervorragende Reha-Einrichtungen." Allerdings fehlt es noch an solchen Einrichtungen.
Es gibt inzwischen ca.1700 Frührehabilitations-Krankenhausbetten.
Für betroffene Familien ist die Belastung unglaublich groß...

"Viele zerbrechen daran auch finanziell. Sie werden zum Sozialhilfe-Fall.
Für Wachkoma-Patienten, die zu Hause versorgt werden,
zahlt die Pflege-Kasse maximal 3300Mark im Monat - tatsächlich liegen die Kosten höher,
in Einrichtungen oft bei 9000 Mark.
Die Krankenkassen fühlen sich oft gar nicht mehr zuständig - es besteht keine Hoffnung mehr.
Doch der Fall Patricia White Bull beweist gerade das Gegenteil!"
Sie wachte nach 16 Jahren aus dem Wachkoma auf.

Ein Patientenexponat einer Krankenhausausstellung fesselt meine Aufmerksamkeit: In einer einfachen, durchsichtigen Glasflasche steht die Tonfigur eines Menschen, gerade so, wie es bei "Buddelschiffen" der Fall ist. Der Mund des Menschen in der Flasche ist zu einem stummen Rufen, vielleicht einem Schrei geöffnet, seine beiden Hände gegen die Innenseite der Flasche gepreßt, gerade so, als wolle er aus seinem unentrinnbaren Gefängnis heraus wenigstens auf diese Weise Kontakt mit anderen Menschen, mit der Umwelt aufnehmen. Ich habe selten ein so erschütterndes Dokument eines Menschen in einer verzweifelten Lage gesehen. Tausend Worte könnten seinen Zustand nicht besser beschreiben - und sicher hat er auch bereits erfahren, daß diese nicht ausreichten, um sich verständlich zu machen.
Was aber wird nun die Reaktion derer sein, die er hiermit erreichen wollte? Wird er durch die figürliche Darstellung das langersehnte Verständnis erlangen? Wird es im Betrachter das Gefühl der Hoffnungslosigkeit verstärken - vielleicht auch verbunden mit dem Ärger, solchermaßen angesprochen, berührt und somit auch in die Verantwortung genommen zu werden?

Oder traut er sich genauer hinzuschauen? Wird er z.B. das wichtige Detail bemerken, daß der Gestalter der Flasche keinen Verschluß gegeben hat? Als wohl stumme, aber eindringliche Bitte, sich verstärkt um ihn zu bemühen, ihn nicht fallen zu lassen, auch - und gerade - wenn er sich nur mühsam oder unzureichend verständlich machen kann?

All dies geht mir wieder durch den Kopf, wenn ich die neuesten Schlagzeilen lese, die vom traurigen Geschehen um den jungen schwerkranken Franzosen Vincent Humbert berichten, der von dem französischen Staat das "Recht" auf seine Tötung verlangte. Schließlich war es seine Mutter, die einen Tötungsversuch unternahm. Die Folge war ein schweres Koma und wenig später starb Vincent Humbert.

Wir würden es uns zu einfach machen, hier nur das knallharte politische Kalkül und die bewußte Orchestrierung in den Vordergrund zu stellen, die solche Art Geschehnisse immer begleitet. Dennoch sei gesagt: Bei der Beobachtung der Aktivitäten der europäischen Euthanasielobby, die auch in Regierungskreisen ihre festen Anhänger und Förderer hat, wird deutlich, daß nichts von dem, was derzeit diesbezüglich auf europäischer Ebene (und zum Teil auch international) an Vorstößen passiert, zufälliger Natur ist.

So werden u.a. in schlimmer Regelmäßigkeit schwerkranke Menschen von interessierten Kreisen aufgesucht, um sie dazu zu mißbrauchen, gegenüber dem Staat ihr vermeintliches "Recht" auf sogenannte "aktive Sterbehilfe" einzuklagen. Das Perfide daran: Es wird ihnen vorgemacht, ihrem Leben damit noch einen "letzten, edlen Sinn" zu verleihen.

So auch bei Vincent Humbert. Er diktierte Ende vorigen Jahres seiner Mutter einen Brief an Jacques Chirac, der im ganzen Lande medienmäßig ausgeschlachtet wurde. "Bei Ihnen, Herr Präsident, liegt das Recht der Begnadigung", hieß es darin, "und ich erbitte von Ihnen das Recht zu sterben". Des weiteren erschien ein Buch von Humbert, erstellt mit der "Hilfe eines Journalisten", das den Titel trägt "Ich bitte Sie um das Recht zu sterben" und ebenso medienwirksam in Szene gesetzt wurde.

Der Hintergrund: Während Chirac dem Vernehmen nach gegen die Legalisierung der Euthanasie ist, und auch Gesundheitsminister Mattei bekundet, es könne in Frankreich nicht Gegenstand eines Gesetzes sein, "daß ein Mensch dem anderen den Tod gibt", ist dies (angeblich) nicht die Mehrheitsmeinung in Frankreich. Und um Druck auf die Politiker zu machen, dem Zeitgeist nachzugeben, ist diesen Leuten jedes Mittel, jeder Mißbrauch eines jeden Schicksals gerade recht.

Doch hat die Angelegenheit ja auch eine andere Seite. Der Machtkampf ist nicht erst seit heute im Gange und die Euthanasielobby kann hierbei nicht mehr und nicht weniger Raum gewinnen, als wir, die Bevölkerung, ihr überlassen. Darum stellt sich ebenso die dringende Frage, um beim obigen Bild zu bleiben: Wann und, vor allen Dingen, warum hat Vincent seine Flasche verschlossen? Wann stand er einfach nur noch mit herunterhängenden Armen da, schloß den Mund, suchte den Kontakt mit der Welt um ihn herum nicht mehr, resignierte und wollte nur noch den Tod? Wieso hat er sich von den Menschen und dem Leben abgewandt? Wann war ihre Sache nicht mehr die seine - oder sollte man besser fragen: Wann war seine Sache nicht mehr die ihre?

Wir wissen es nicht, und es ist müßig, darüber zu spekulieren. Aber versetzen wir uns dennoch versuchsweise einmal in die Situation des bei seinem Tode 21jährigen. Nach einem schweren Unfall vor drei Jahren aus dem Koma erwacht, ist er gelähmt, blind und stumm. Er kann hören und ist bei klarem Verstand, kann sich auch mühsam mitteilen. Seine Versorgung ist dem Vernehmen nach gut, weitere erfolgversprechende Hilfsangebote, die ihm u.a. Chirac persönlich machte, um sein tägliches Leben zu erleichtern und seinen Lebensradius zu vergrößern, lehnt er ab. Sein ganzes Sinnen und Trachten, seine emotionale Energie ist fortan darauf gerichtet, sterben zu wollen.

Es ist ein überaus schweres Schicksal, das Vincent ereilte, das er allerdings mit Tausenden von Betroffenen teilt, die sich - anders als Vincent - zum Weiterleben entschlossen haben. Dies ist kein Vorwurf. Niemand, der nicht Ähnliches erlebt hat, wird ehrlicherweise behaupten, diese Situation nachempfinden zu können. Und jeder, der heute selbstgewiß tönt, auch schwere Schicksalsschläge gelassen ertragen zu können, wird sich wundern, wie schnell ein vermeintlich fester Boden unter den Füßen bei weitaus geringeren Anlässen zu wanken beginnen kann.

Nein, der Grund, warum dies hier konstatiert wird, ist ein anderer. Die Frage ist doch: Welche Art von Beistand und Verständnis sind nötig, damit ein kranker Mensch Krisen (besser) überwinden kann? Was ist erforderlich, um im Anderen immer wieder ein Fünkchen Hoffnung und Lebenswillen anzuzünden? Was nährt diesen? Und was sind sichere "Killer"?

Die einzige Chance und die Grundvoraussetzung, den vereinsamten und isolierten Menschen in der Flasche überhaupt zu erreichen, ist die Bereitschaft, sich so weit wie möglich in dessen Situation hineinzudenken. Wir erreichen Verständnis und Verstehen, wenn wir das, was ein anderer Mensch äußert, wenn wir das, was ihn beschäftigt, auch als Frage, als Denkprozeß, als Problem in uns selber wiederfinden und es - wenn auch nur gedanklich - "nachvollziehen" können. Doch entscheidend ist nicht dieses Verständnis an sich oder die Fähigkeit des Nachvollziehenkönnens, sondern die Frage, wie wir die Frage, das Problem, das sich der andere stellt, für uns selbst beantworten würden.

Beantworten wir die an uns herangetragene Verzweiflung mit einem (auch unausgesprochenen) "Ich verstehe das gut, so möchte ich auch nicht leben" - so ist allenfalls und bestenfalls ein stummes, hilfloses "Aushalten" und "Ausharren" mit dem Verzweifelten möglich, was diesem aber nicht weiterhilft, sondern ihn nur noch in seiner Verzweiflung bestärkt. Denn er kann diesem keinen - so sehnlich erhofften - Grund nennen, warum er weiterleben sollte; kann ihn womöglich nicht einmal in dessen schwachen, aber vorhandenen Lebenswillen bestärken. Und weil er für sich selbst in solch einer Situation keinen Grund zum Weiterleben wüßte, in sich selbst keinen Grund gefunden hat, der hinreichend, der größer, der "höher" wäre als körperliches und seelisches Leid der schweren Menschenschicksale, kann er diesen Grund auch nicht vermitteln.

Das Tragische daran: Wir mögen diesen Menschen lieben, nur das Beste für ihn wollen - doch wir werden nicht verhindern können, daß die Flasche dann irgendwann von innen zugekorkt wird, der Mund sich schließt, die Arme herunterfallen. Der Versuch einer womöglich letzten Interaktion hin zum Leben, zu den Menschen wird aufgegeben. Die Resignation setzt ein, die Isolation wird perfekt. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sich der kranke Mensch immer mehr als "Lastfaktor" empfindet; denn er merkt ja, wie sehr der andere im Grunde an der Situation, auch an seiner eigenen Unfähigkeit, leidet, die er aber nicht zu lösen vermag.

Eine Chance, daß dies nicht passiert, besteht dann, wenn wir dem anderen ehrlicherweise vermitteln können, daß wir seine Situation zu verstehen suchen, vielleicht in seiner Lage ebenso wie er von Todeswünschen heimgesucht würden, aber bereit sind, nach Kräften zusammen mit ihm nach diesem besseren, diesem "höheren" und hinreichenden Grund zu suchen, der alle Anstrengungen und Mühsale rechtfertigt, weiterzuleben. Nicht nur heute, auch morgen oder übermorgen - wann immer bereits überzeugende Argumente unter dem Druck der Umstände vorübergehend als Nichts erscheinen. Daß wir vielleicht noch keine abschließende Antwort parat haben, aber ahnen, daß es diesen höheren Grund gibt, geben muß. Und daß wir bereit sind, mit ihm zusammen immer wieder aufs Neue die Rolle des Menschseins, die Besonderheit des Menschen und seine Rolle in der Schöpfung zu bedenken und zu erkunden.

In den Sternstunden solch ehrlichen Bemühens sitzen sich dann Menschen gegenüber, die plötzlich merken, daß die Betrachtung dieses höheren Grundes für den Moment jede Enge, jede Flasche sprengt und den Blick auf eine Freiheit und Gesundheit freigibt, die weit jenseits des sterblichen und gebrechlichen Körpers liegt und von diesem unabhängig ist. Sie werden plötzlich merken, daß sie sich selbst, ihrem Gegenüber, der Menschheit, dem Leben und ihrem Gott so nahe sind, wie dies in einem Menschenleben überhaupt möglich ist. Sie sind vielleicht völlig erschöpft und wissen auch, daß das "Ja" zum Weitermachen, zum Leben - ob gesund oder krank - nie ein Absolutes sein wird, sondern ein "Ja", das jeden Morgen gegen alle Beschränkungen und Kümmernisse aufs neue erobert und verstanden sein will. Sie spüren aber auch, daß sich dieser Kampf lohnt und daß es ein gemeinsamer Kampf ist, der in der Natur menschlicher Solidarität wurzelt.

Nein, die Flasche ist damit nicht für immer verschwunden, mal ist sie so beengend, daß geschrieen und gegen die Innenwände gehämmert wird. Aber sie bleibt geöffnet, solange es mutige Menschen gibt, die dies hören (wollen), sich einen Stuhl holen, danebensetzen und entschlossen sind, dem anderen beizustehen. Und dies, wenn nötig, Tag für Tag. Dies kann kaum ein einzelner immer leisten, da es Eigenschaften erfordert, die ich neulich so trefflich in Worte gefaßt fand: "eine vorbehaltlose Anwesenheit, die ungeteilte Aufmerksamkeit, die Zuwendung ohne Selbstaufsparung und ohne Selbstgeiz" (in: "Der Tod tanzt aus der Reihe", Marianne Gronemeyer, Planungssicherheit am Lebensende, BioSkop-Tagung Oktober 2002). Doch andererseits wird jeder, der dies einmal versucht hat, feststellen, daß die Mühe und die Kraft, die uns solch eine Situation abfordert, paradoxerweise genau in dem Maße nicht mehr wahrgenommen wird, wie uns dieses völlige und vorbehaltlose Einlassen auf den anderen gelingt.

Es ist schlimm, daß Vincent solche Menschen nicht gefunden hat und auch die Erfahrung einer solchen "Sternstunde", von der ich sprach, nie machen durfte. Vielleicht war sein Leid tatsächlich auch zu groß, als daß es noch in der Macht anderer Menschen gestanden hätte, es aufzufangen. Aber für mich ist Vincent zum Synonym für den Menschen in der Flasche geworden, der - und da bin ich mir ganz sicher - auch einmal in Todes- und Lebensangst gerufen und seine Arme nach uns ausgestreckt hat, weil er Beistand brauchte, weil er leben wollte, bevor er auf Menschen stieß, die ihm Steine statt Brot reichten, bevor er die Flasche verkorkte und resignierte.





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