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Die Kunst des Handlesens (*)
WARUM ?
Bettina schrieb am 5. März 2005 um 2:05 Uhr (741x gelesen):
Hi Nobby
Es ist die Angst, welche dermassen lähmt. Die Frau wird entsprechend eingeschüchtert und emotional erpresst. Ein schlagender Mann gibt sich abwechslungsweise sensibel, er mimt das Opfer. Die Frau sei Schuld, habe ihn so weit getrieben. Aber auch wenn eine Frau das alles als Schauspiel durchschaut, ist die Angst dermassen gross, denn der Mann droht natürlich mit dem Schlimmsten. Er würde sich und die gesamte Familie umbringen oder der Frau die Kinder wegnehmen etc. Und die Frau hat berechtigten Grund zur Angst, denn die Polizei kann gar nichts machen und wenn, dann kommt er bald wieder raus, mit noch mehr Wut und mehr Bedrohungspotential.
Wie lähmend die Angst sein kann, hab ich selbst erlebt. Ich wurde zwar nicht geschlagen, doch die Angst vor meinem jähzornigen Vater hat meine gesamte Kindheit überschattet. Diese Angst blieb unterschwellig lange bestehen, bis die Situation eskalierte und es fast zum Bruch kam. Es war sehr schwer für mich, denn mein Vater war kein Monster, er hatte auch viele liebevolle Eigenschaften. Mehrere Tage schwiegen wir uns an, besser gesagt: ich wollte ihn nicht mehr sehen. Irgendetwas war in mir zerbrochen. Da gab er nach. Er aktzeptierte, dass ich mental stärker war als er. Von da an hatte ich keine Angst mehr und es entwickelte sich noch eine recht gute Freundschaft.
Leider musste ich fortan Angst vor den Ausbrüchen meiner Schwester haben, nicht um meinetwillen, sondern um ihres Kindes willen. Sie hatte uns in der Hand. Zuerst drohte sie mit ihrem Selbstmord, dann mit dem Entzug des Kindes, das ihr dann ganz ausgeliefert gewesen wäre. Glaub mir, von aussen mag das Ganze absurd aussehen, doch es hat immer ganz konkrete Gründe, wenn eine Frau sich einschüchtern lässt. Es sind jedoch Gründe, welche sie nicht aussprechen darf, denn sonst würde sie ja gerade herbeiführen, was sie verhindern will,weshalb sie lieber den Kopf hinhält.
Du wirst es vielleicht nicht verstehen: Nach alledem liebe ich meine Schwester immer noch. Nicht so sehr wie meinen Neffen oder meine Mutter. Aber ich liebe sie, weil sie auch ganz herzlich und lieb sein kann, weil sie tatsächlich aus Verzweiflung ausrastet. Sie ist zwar egozentrisch und wenn ich die Wahl hätte, würde ich ohne sie leben wollen. Aber das geht nicht, schon wegen ihres Kindes, das ich schützen muss. Und sie ist meine kleine Schwester, welche mich wirklich braucht. Ich versuchte immer, sie zu beschützen, doch ich konnte nicht verhindern, dass sie als Teenager von einem Fremden vergewaltigt wurde.
Seit mein Neffe etwas älter ist und dieses Erpressungsspiel durchschaut hat und sich klar auf meine Seite stellt, ist es etwas besser geworden. Doch ich kann erst aufatmen, wenn mein Neffe 18 ist. Ich hoffe es zumindest. Die Liebe zu einem Kind schwächt die eigene Position enorm. Denn ein Kinderleben ist so schnell zerstört. Und man will das Kind möglichst unbeschadet durchbringen. Das ist der Hauptgrund. Manchmal sind es auch die Ängste, welche aus der eigenen Kindheit in die neue Beziehung übertragen werden. Dieses Ohmachtsgefühl ist wahnsinnig beklemmend, es nimmt einem alle Kraft. Es ist, als bekäme man zu wenig Luft. Manche können aufbegehren, doch viele fallen ohnmächtig in sich zusammen. Es befällt den Körper, wird eine psychosomatische Krankheit, ein Teufelskreis, eine scheinbar unüberwindliche Barriere, eine Art Phobie, welche nur schwer abzuschütteln ist. Und man wird mit den Jahren immer mehr geschwächt. Ich trage jetzt Ohrenstöpsel, denn ich kann die gellende Stimme meiner Schwester nicht mehr ertragen. Ich bin körperlich völlig erschöpft. Wegen den ständigen Selbstmordversuchen meiner Schwester war ich nicht mehr fähig, das Abi abzuschliessen. Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Und ich hüte meinen kleinen Neffen fast die ganze Zeit, damit er nicht unter ihren Launen leiden muss. Doch ich werde durchhalten, für meinen kleinen Neffen, ich und meine Mutter.
Bettina

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Diskussionsverlauf:
- WARUM ? ~ Nobby - 05.03.2005 00:12 (30)