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re[3]: Trauerarbeit
myrrhe * schrieb am 18. November 2005 um 15:02 Uhr (550x gelesen):

Liebe Jasmine,

hm, du hast eine Trennung durchgemacht? Ja, so etwas ist sehr sehr schmerzhaft ... du hast ja, wie ich aus deinen Worten herauslese, auch noch andere familiären Kummer erlebt, schwere Zeiten ... dann kumuliert das, du wirst wieder an das Schwere erinnert, es hüllt dich sozusagen ein ...

Was du - so empfinde ich es jetzt zumindest - durchlebst, ist aktive Trauerarbeit. Du hast etwas hinter dir gelassen, aber noch nicht wirklich ... ja, das kenne ich. Trennung ist wie Abschied durch Tod! und erfordert die gleichen Schritte. Von Aufbäumen über Resignation über Schmerz rauslassen über Rekapitulieren von gemeinsamen Erlebnissen über das Gefühl, jetzt alles bewältigt zu haben ... und dennoch: da ist noch das Unterbewußtsein, das seinen eigenen "Arbeitsrhythmus" hat. Auch wenn du vielleicht außen glaubst (oder dir wünschst), schon alles abgeschlossen zu haben, um endlich neu beginnen zu können, ist da noch der innere Ablösungsprozeß im Gange. Ich kann dir - wenn es so ist, wie ich vermute - nur raten: Gib dir Zeit! Trauere, wenn dir danach ist ... durchlebe auch ruhig noch einmal die schönen Zeiten und auch die allerletzte Zeit, die Trennung - und laß Wut und Kummer zu. Es ist eben so: eine gemeinsame Zeit benötigt auch ihre Zeit, um losgelassen zu werden: denn es war/ist ja Liebe dabei ... Und das, was für einen Hinterbliebenen gilt, der um seine/n Liebste/n trauert, gilt auch für Getrennte: das "Trauerjahr" - einmal alle Jahreszeiten ohne den anderen erleben. Was meinst du - heute noch, nach drei Jahren, kommen Gefühle hoch, wenn ich an meinen Mann auf dem Sterbebett denke ... wenn ich an Szenen aus seiner letzten Zeit, an Schmerzen, an Resignation, an das Nichts-tun-Können denke ... oder daran, als erste hinter dem Sarg zu gehen und ihn in der Erde versinken zu sehen, die rote Rose, die ich ihm nachwarf ... Es sind kostbare Erinnerungen, die ich nicht missen möchte, sind sie doch Teil meiner Liebe, die immer bestehen bleibt.
Es geht also bei Trauerarbeit nicht darum, diese Erinnerungen fallenzulassen, sondern sich mit der Situation als solcher auszusöhnen und die Erinnerungen wie kostbare Perlen in sich zu tragen, Perlen der Vergangenheit, deren Schönheit durchaus ins Jetzt-Leben ausstrahlen darf, ohne es aber noch irgendwie zu belasten.

Gib dir Zeit ... und Geduld. Hinter dem sich auftürmendem Berg liegt eine wunderschöne Landschaft ... du siehst sie, wenn du den Berg erklommen hast. Jeden Tag ein Stückchen höher ... du wirst geschoben dabei, auch wenn du die Anschieber nicht wahrnimmst ... :-)

liebe Grüße und den Segen des Höchsten,
myrrhe

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