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köpfen wir mal den König.
erwinio schrieb am 11. November 2006 um 13:04 Uhr (618x gelesen):

Man kann sich dem von verschienen Seiten nähern.

Wenn man entwickelt oder vergrössert, hat man immer ein Bild, ein Ideal oder eine Vorstellung von einem Zustand oder einem Sein, dass in der Zukunft liegt. Man strebt etwas an, bemüht sich. Unbestritten oft mit gutem Willen. Aber eben; dass, was man anstrebt ist nur aus unserer individuellen Sicht, aus der Sicht des Ich, erstrebenswert. Vielleicht teilen wir Manches mit anderen Menschen, vielleicht nicht. Dieses Vorgehen wird von den meisten Religionen und Schulen gelehrt. Ob es der Menschheit von Nutzen ist, bezweifle ich. Für mich hat das Modell des Strebens ausgedient.

Du bist doch oft die, die gesellschaftskritisch sich äussert. Aber schau: Das ist nicht, weil die Menschen keine Ideal haben, weil sie nicht streben würden. Seit Jahrtausenden haben sie das; und es ist offensichtlich ein Irrtum. Es bewirkt nur, dass wir immer wieder enttäuscht werden durch die Kluft, die wir zwischen uns und der Vorstellung aufbauen. Wir möchten immer in Harmonie leben und tun alles dafür. Das ist anstrengend. Das kostet Kraft. Das kostet ja selbst schon Harmonie. Und jedesmal, wenn wir wütend werden, werden wir gleich noch wütender, weil wir von unserem Kurs abgekommen sind.

Beim Einreissen der Mauern geht es aber lediglich darum, alles, was wir gehört und gelesen haben, alles, was uns an Wissen über Gott und Engel und geistige Welt gelehrt wurde, über Bord zu werfen. Das darf aber nicht ebenfalls ein Streben nach diesem Zustand sein! Es ist mehr passiv, ist mehr ein Loslassen, ein sich hineingeben in etwas, was uns unbekannt ist und vielleicht Angst macht. Wenn uns Gedanken kommen über Gott, Emotionen uns berühren möchten; so geht es einfach darum, dem zuzuschauen. Vorbeifliegen lassen. Dann beginnen die Mauern zu bröckeln.

Wo entsteht denn ein Verständnis von Wiedergeburt und Karma? Es ist, für's Erste, einzig ein Konstrukt des Hirns. Dieses wird nach Deinem Tod zerfallen. Meinst Du, es "denkt" etwas weiter? Was denn, wenn das Hirn zerfällt?
Also: Die Vorstellung von Karma und Wiedergeburt sterben mit unserem physischen Tod.

Wir sind alle unsterbliche Wesen. Unterschreibst Du das? Gut. Das heisst. Es gibt eigentlich keinen Tod. Dann gibt es aber auch keine Geburt. Ich bin nie geboren worden und werde nie sterben. Ok? Wer aber ist dieses Ich von dem ich spreche? Ist es dieses Konstrukt des Hirns, welches an Karma und Wiedergeburt und andere Vorstellungen glaubt? Nein, dieses Konstrukt ist geboren (irgendwann in den ersten Lebensjahren des Kindes) und es wird sterben. Es ist aber etwas, was das Kind ausmacht, bevor das Ich einzieht. Und dieses Etwas macht dann etwas Platz, damit das Ich einziehen kann. Das Ich baut dann nach und nach seine Mauern, seine Schlösser und Paläste. Es setzt sich bald die Krone auf. Und? Ist es auch wirklich der König? Nein! Aber es hält sich für den König! Und das sind die schlimmsten Könige! Köpfen wir ihn.

Das Unsterbliche ist also immer da. Unterschreibst Du das? Wenn das Unsterbliche etwas ist, was sich entwickelt, dann kann man in der Entwicklung zurückgehen oder voran. Und, wenn wir zurückgehen, wie weit können wir das tun? Irgendwann muss ein Anfang sein. Alles, was sich entwickelt, hat einen Anfang; muss zwingend einen Anfang haben. Und dann hat es auch einen Zerfall, ein Ende.
Wenn wir aber nie geboren werden und nie sterben, dann haben wir keinen Anfang, kein Ende und demnach keine Entwicklung.

Das Unsterbliche hat keine Entwicklung. Es ist immer und überall und ist immer und überall und es ist noch immer überall und immer und überall. Es ist also immer da. Jetzt, in diesem Moment! Was uns hindert, es zu erkennen, ist genau das, was wir um uns herum aufbauen. Ich habe dem Mauern gesagt. Man kann es auch Glauben oder Charakter oder Motivation oder Ich oder...? oder wie auch immer nennen. Die Mauern sind all' das, was unser Ich geschaffen hat, um seinen Platz zu festigen. Und jedesmal, wenn wir uns wieder ein Bild machen davon, was unter diesen Mauern begraben sein könnte, dann freut es sich. Ja, es freut sich ganz fest, weil das Bild ja im Denken und auch im Fühlen entsteht und das Denken und Fühlen ja ergebene Anhänger des Königs sind und diese beiden zweifeln ja auch gar nicht daran, dass das Ich ein Schwindler-König sein könnte! So entsteht ein gutes Gefühl. Wir nennen das Erkenntnis und glauben, einen Schritt in der Entwicklung gemacht zu haben. Aber eigentlich entsteht das gute Gefühl, weil wir dem König den Zehnten gebracht haben, weil wir seine Macht stützen, weil wir nicht einmal auf die Idee kommen, er könnte sich da etwas zu viel herausnehmen, er könnte einen Status bekleiden, den er eigentlich gar nicht verdient. Der König ist also, wer uns belohnt, nicht die Blume, die irgendwo in den Mauern seines Schlosses darauf wartet, von uns entdeckt zu werden. Und mit jeder Erkenntnis die wir akzeptieren, die auf Denken und Fühlen beruht, werden die Mauern wieder etwas höher, die Macht des Ichs etwas grösser.
Und, um nicht zu verlieren, sagt es uns immer wieder, strebe, tue, mache dies, mache das. Und weil wir gehorchen, fühlt es sich noch stärker, noch weiser, vielleicht noch menschlicher oder liebender. Und spiritueller.


Beste Grüsse

Erwinio



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