Re: Onkel Bach
myrrhe schrieb am 29. März 2004 um 12:58 Uhr (513x gelesen):
Liebe Sabine,
huch, süchtig bin ich nicht nach Bach - aber ich halte ihn für einen der
größten Komponisten überhaupt ... warum das so ist? ich denke, seine Musik
spiegelt den Kosmos wider - also erkennen wir uns in der Musik selbst (wenn
wir sie denn annehmen).
Die Zahlenmystik ist in allen Werken Bachs vertreten - das geht zum Teil bis
ins kleinste Detail, hier ein Beispiel:
In der Matthäus-Passion gibt es eine Stelle, in der das Erdbeben nach dem
Kreuzestod beschrieben wird. Die Notenanzahl im Continuo unter den
Textstellen "Und die Erde erbebete / und die Gräber taten sich auf / und
standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen“ beträgt 18, 68 und
104 Töne – und die Psalmen Nr. 18, 68 und 104 beschreiben das Erdbeben ...
Nun wird ja niemand behaupten, der gute Bach hat Notenzählen mit dem
Rechenschieber betrieben. Es ist ganz einfach so, daß seine Kanäle geöffnet
waren, und er hat die kosmische Ordnung aufgenommen und umgesetzt.
Zum Teil natürlich bewußt, weil es eine Zeit war, in der viel mit Symbolik
gearbeiten wurde (siehe hierzu: Lucia Haselböck, "Du hast mir mein Herz
genommen") - zum Teil mit Sicherheit unbewußt.
>
> Onkel Bach. Einige werden süchtig von seiner Musik aber wissen nicht
warum. Eben hatte ich eine nette Diskussion über eine sogenanntes
Wunderphänomen der Musik. Das "Wunderkind", welches alle Musikstücke
unmittelbar fehlerfrei spielen kann, sagte: Ich spiele ein Musiksück niemals
auf dieselbe Art und Weise, sonst würde ich mich selbst spielen, das wäre
schrecklich ......
> Dann kam mir folgende Volksweisheit in den Sinn: Wenn du dich Gott
näherst, entfernst du dich bereits.
---
Ewgenij Kissin? ich glaube, der hat das gesagt. -
Nun spielt man immer sich selber ... was sollte man sonst spielen? Musik
wirkt durch den Interpreten: sonst klänge alte Musik heute so wie zu der Zeit,
als sie entstanden ist. Und wir sind nicht statisch, wir sind heute anders als
gestern, ja schon in einer Stunde anders als jetzt. Das ist Leben ... Wenn also
das Wunderkind immer wieder anders spielt, dann nicht, weil er sich nicht
selbst spielt, sondern im Gegenteil, weil er sich selbst spielt. Ist doch schön!
wir wollen ja keine Marionetten! :-)
Schlüssiger ist für mich das, was Friedrich Gulda, genialer Pianist, einst sagte,
als er eine eifrige Diskussion professioneller Pianisten über einen
unspielbaren Beethoven-Fingersatz einfach so unterbrach: "Ihr seids alle
Trotteln. Ihr müßt's einfach spielen." Sprach's und spielte. -
Ich interpretiere das so: wenn du dich selbst spielst, näherst du dich Gott.
hm, ich mußte da einfach mal was dazu schreiben ... ist ja mein Gebiet ...
Gruß myrrhe :-)
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