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Turm & Teufel (@Gitta)
Elgrin * schrieb am 4. Juli 2006 um 18:46 Uhr (847x gelesen):

Hallo Gitta,

ich setze unsere Diskussion mal hier fort - der Übersichtlichkeit wegen, und um der Administration entgegenzukommen.

Am Anfang erstmal danke für Deine ausführlichen Antworten, Anstöße und Einblicke!

> Ich denke in Paradoxien. Jedes Paradox wird durch Codes aufgelöst. So kann ich Frieden von Krieg, Unruhe von Ruhe, Gut von Böse etc. nicht scheiden. Sie bilden in meinen Augen mehr als zwei Seiten einer Münze, sondern eine unendliche Linie, die gekrümmt ist und deren Enden (die Absoluta) sich am Ende so nah sind, dass nur noch eine Singularität sie trennt. So kann "reines Gutes" von "reinem Bösen" manchmal überhaupt nicht mehr von außen unterschieden werden.

Hm, ich fürchte, das verstehe ich nicht. Meinst Du eine Art Kreislauf von z.B. Gut und Böse? Ich bin meist nicht besonders gut darin, Abstraktionen zu verstehen :-)

> Erleuchtung oder tiefer Frieden hinter den Turbulenzen sind für mich irdische Ziele, die nicht notwendig erlangt werden müssen, die nicht notwendig den "Seelenplan", wenn Du es so nennen möchtest, bedeuten. Welt ist nach meinem Gefühl ein Konstrukt, unser Konstrukt, und die Inkarnation stellt nur einen kleinen Teil von Bewusstsein dar und kann durchaus zum eigenen Plan haben, Turbulenzen zu erschaffen und Unfrieden.

Sehe ich auch so. Es gibt IMO gar kein Ziel, das nach dem "Seelenplan" wirklich erlangt werden muss. Der Plan (auch des Einzelnen) ist ja Bestandteil von nicht Irdischem und daher auch außerhalb der Zeit: keine Zeit -> kein "erreichbares" Ziel.
Ziele fürs Irdische setzen wir uns im Irdischen; vielleicht sind sie Spirituell - dann sind sie das, was wir aus unserer Irdischen Perspektive schauen und in unser System "übersetzen" - so sehe ich inzwischen auch die Re-Inkarnationslehre: Sie ist eine Übersetzung, ein Abbild, ein Modell zum Erleben, und so wahr und real, wie jede andere Realität auch.

> Und ja, ich sehe in der Tarot-Karte "Der Teufel" nicht das Böse, und alle Autoren und Kenner des Tarots, mit denen ich mich befasst habe, sehen das ähnlich. Der Tod ist für mich Emergenz, der Sprung zu höheren Ebenen. Die Karte, die m.W. Verderben, Umsturz, plötzliche Veränderung, Tod etc. bedeutet, ist nach Tradition "Der Turm". Und auch dieser hat seine Berechtigung.

Sehe ich auch so. "Verteufelt" wurde seit dem Mittelalter von der Kirche die Lust (etwa die sexuelle); Tod ist loslassen, und auch Neubeginn.

> Hunger und Kriege sind gleichzeitig Übungen in Erbarmen und Verantwortungsbewusstsein.

Da stimme ich Dir uneingeschränkt zu.

> Für mich ist das immer eine Frage des Symbolismus. Ich kenne einige Satanisten, und die definieren ihre Religion sehr unterschiedlich, genauso wie das bei den Christen so ist.
Aber, wenn der Satanismus aus dem Christentum heraus geboren wird (wie das traditionell der Fall ist), dann muss man ihn als die Rückseite des Christentums begreifen und kann und darf ihn nicht von den Moralproblemen, Unterdrückungsproblemen etc. der Christen trennen. Das erklärt in meinen Augen den Verfolgungswahn gegenüber der Handvoll Satanisten die es gibt sehr gut: Verkörpern sie doch das unterdrückte Böse im fundamentalistischen Christen und im neurotischen Durchschnittsbürger, so dass sie eine ausgezeichnete Projektionsfläche für all die unterdrückten (und somit weder rational noch wirklich emotional verarbeiteten) Aggressionen, Arroganzen etc. sind, die natürlicherweise den Menschen bewohnen.

Verstehe ich. Aber sie können ja nicht nur Projektionsfläche sein - was ist die Substanz ihrer Anschauungen?


> (...) es gibt Schulen, die diesen als den "bösen" Tantra ansehen und die Meinung vertreten, dass nur Keuschheit und das Aufhören des Multiplen in die Erleuchtung führen. Faszinierend ist, dass der Geist, der Einzelne, entscheidet, was in die Erleuchtung führt und dass das, was dem Einen böse ist, den Anderen tatsächlich weiter führt und umgekehrt.

Faszinierend finde ich auch, dass das Aufhören des Multiplen wohl bei gleichzeitiger Einteilung in Gut und Böse vonstatten gehen soll ;-)

> Sie [ein paar Schwarzmagier] glauben, dass die Welt nur durch eine Läuterung rein werden kann - ein sehr christlicher Gedanke, wenn Du mich fragst. So versuchen sie, Magie zu wirken, die Unruhe stiftet.

Ich bin nicht sicher, ob das hierher gehört, aber: Als ich das gelesen habe, kam mir spontan das Wort "Inquisition" in den Sinn.

> Ich denke, dass Unruhe wie Ruhe im menschlichen Bewusstsein eine große Rolle spielen und dass Versuche direkter Manipulation des menschlich-irdischen Geschehens an etwas Grundsätzlichem vorbeigeht: Wir alle arbeiten Hand in Hand und setzen auf der oberflächlichen Ebene einen gemeinsamen Tiefentraum um. Die Perfektion dieses Traums ist nicht Ruhe oder Unruhe, sondern Lernmöglichkeiten ohne Ende.

Ja, das klingt gut und plausibel für mich.

> Was ist mit denen, die all das für Unsinn halten?
> Was ist mit denen, denen diese Art des Herangehen zu wenig rational oder komplex ist?
> Was ist mit solchen, die eine andere Sprache benötigen?

Jedem das Seine, stimmt schon.


> Nein, ich glaube nicht an Re-Inkarnation, genauso wenig, wie es Buddha tat oder Patanjali oder andere "frühe Inder". Für mich finden alle Inkarnationen "gleichzeitig" statt, sie "reden" zwar miteinander, aber ich halte das nicht für eine einfache Ursache-Wirkungs-Beziehung.

Die Re-Inkarnationslehre halte ich für eine Interpretation - eine Wahrheits-Version für diejenigen, die im Zeitgefüge denken. Als Menschen wandeln wir Wahrheiten so um, dass sie für unseren Verstand passen - machen wir mit sogeannten "Träumen" ja auch, wenn wir uns an sie erinnern.

> So kann man sagen, wie Buddha, Leid sei durch Unwissenheit verursacht, doch umgekehrt kann man auch sagen, dass Leid die Ursache für Wissen sein kann. Ich verlasse Ursache und Wirkung und spreche von Finalkausalem, von Zweckursachen, von komplexen Zielen und vom komplexen Träumen.


Vielleicht sind bei Buddhas AUssage einfach ein paar Wörter drin, die falsch ausgelegt werden? Wie wäre es damit: Leid ist durch Nicht-Erleuchtung bedingt. Wer erleuchtet ist, steht außerhalb des Leids - damit allerdings für gewöhnlich auch außerhalb des irdischen Lebens :-)

> Wenn ich recht habe und Unglück ist ein Ziel wäre der Versuch, Unglück zu unterdrücken fatal, da er Unglück steigert. Ich denke, das ist genau das, was weltweit passiert.

Der misslglückte Versuch, Unglück zu unterdrücken, wäre dann aber auch ein Ziel.

> Bewegung, Wachstum, Heilung passieren immer zwischen einem Pol und einem anderen.

> Ich versuche das bei allen Gesprächen zu berücksichtigen und unterstelle dem Anderen zwar ein Meinen aber nicht meine Interpretation dessen.

Ist doch klar - nur mag man ja nicht jedesmal hinten anfügen: "Das ist nur meine Interpretation einer Meinung." :-)

> *lacht* Für mich IST diese Welt hier eine Astralwelt.

Dann ist es aber eine ziemlich konstante :-)

> Es gibt keine Modelle, die auf jeden anwendbar sind. Wer das glaubt, hat die Komplexität des Schöpfens noch nicht vollständig verinnerlicht. Je allgemeiner ein Modell wird, desto weniger konkret ist es, bis es am Ende gar nichts mehr bedeutet. Wenn der Eine gern nach der Inkarnation auf Wolke 7 schweben will, der nächste lieber komplizierten quantenmechanischen Mustern folgen möchten will.... Ich denke, das alles ist möglich, denn wir schöpfen und schöpfen und schöpfen und es gibt keine Wirklichkeit außer(halb) unserem/s Bewusstsein. (...) Aus einer "höheren" - ich würde lieber sagen "tieferen" - Warte heraus aber erschaffen wir alle gemeinsam die Schönheit der Komplexität "Leben auf der Erde im Universum mit Sternen am Himmel".

Es gibt Modelle, die werden Schicht um Schicht aufgebaut, immer höher, immer komplexer und filigraner, immer weiter entfernt vom Einfachen und vom Irdischen. Je höher die Menschen auf diesen Modell- und Konstrukt-Turm hinaufklettern, desto mehr verlieren sie sprichwörtlich den Boden unter den Füßen, und desto tiefer können sie fallen - wie auf der Tarot-Karte. Vor allem da sehe ich die Gefahr bei sehr dogmatischen Glaubensrichtungen und -gemeinschaften.

> Und es ist Kreativität ins Handeln übertragen: die Kreativität des Gesamtselbstes, die mit allen Inkarnationen spielt und hieran wächst (als ein Beschreibungsmodell).

Da stimme ich Dir zu.

>> Klar sind Wege ganz unterschiedlich.

> Viele Esoteriker sagen das und werden doch recht unhöflich, wenn ihnen eine Sekte begegnet. Ist dieser Satz also eine reine Anpassung an das Dogma der "gegenseitigen Toleranz" oder ist er eine inhaltliche Erklärung, der das entsprechende Handeln folgt und somit auch ein Pfad aus der Ungerechtigkeit heraus? Das ist die Frage. Ich beobachte häufig eine Oberflächlichkeit der "moralischen Erklärung", die nicht mehr Stand hält, wenn die Gehirnwäsche der Gesellschaft die Macht über Mund und Feder übernimmt *fg*

Das habe ich schon so gemeint. Heißt ja nicht, dass ich niemals skeptisch/kritisch bin oder jeden Weg für mich selbst richtig finde :-) Ich habe durchaus Abneigungen (etwa gegen Einengung und Abhängigkeit), und wenn ich die zu spüren glaube, warne ich auch schon mal andere davor.

Generell Glaubensrichtungen verurteilen? Dann müsste ich z.B. auch unsere durchkonstruierte Geld-Gesellschaft entschieden bekämpfen.

> *lacht-fröhlich* Wenn ich solche Sätze höre wie "alles ist eins", rollen sich mir immer ein wenig und sanft mit Humor die Fußnägel hoch. Auf Erden ist keineswegs alles eins, und dieses Unterschiede-Machen schafft Individuen und Kulturen.

Bedenk:
Solche sehr "einfachen" und allgemeinen Sätze mögen kein komplexes und erlernbares System sein - aber sie können ein Schlüssel sein zum Besten und Ursprünglichsten aus allen Systemen, und zwar in Verbindung mit Freiheit; sie schließen eine riesige Schatzkammer auf: "Alles ist möglich; sei, was du willst!"

> vielen Dank für das angenehme Gespräch! :D

Danke, ebenfalls :-)

Viele Grüße,
Elgrin

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