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Massenarmut in Deutschland 1815-1860
Füchsin * schrieb am 4. November 2005 um 9:22 Uhr (644x gelesen):

Mein Gott, was lernt ihr eigentlich in der Schule???

Nach der französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen waren Millionen Frauen (Frauen durften die meisten Berufe nicht ausüben!) und Kinder ohne jede Versorgung. Klimakatastrophen, Kartoffelfäule, Mißernten und nicht zuletzt die gesetzliche "Privatisierung" der Landwirtschaft führten zu Hungersnöten und Landflucht aller nichtbesitzenden Menschen in die Städte. Die Aufhebung der Zunftbestimmungen (mit deren sozialen Absicherungen) vernichteten zugunsten der Industrie viele Handwerksberufe (z.B. die Weber). Das Überangebot an billigste Arbeiter, die rund um die Uhr OHNE JEDE SOZIALVERSICHERUNG (kein Urlaub, keine Krankenpflege, keine Unfallabsicherung, keine Rente...) so an die 16-18 Std. arbeiten mussten, auch Kinder, an Maschinen die ständig Invalide produzierten (kein Arbeiterschutz!). Zuvor haben "moderne Monarchen" zahlreiche Feiertage aufgehoben und auch für Kinder den "unproduktiven Müßiggang" verboten. Die Kirchen wurden enteignet, dafür übernahm der Staat die Versorgung der Witwen, Waisen, hilflosen Alten - aber das ganz miserabel - die Verwalter steckten das bißchen Geld für sich ein und verkauften Leute wie Sklaven an Unternehmer. Wer nicht spurte, wer Brot stahl, wurde im Armenhaus ausgepeitscht. Arm waren vor allem Kranke, Invalide, Alte, ledige Mütter, Waisen. Ledige Mütter (z.B. Dienstmädchen) galten als Huren und wurden wenn nicht verprügelt, aus der Stadt zumindest vertrieben, die Kinder nicht getauft. Andererseits wurden Dienstmädchen oft vom Arbeitgeber sexuell mißbraucht. Aus Armut haben sich viele prostituiert. Zum Betteln benötigte man einen Heimatausweis - fremde Bettler wurden aus der Stadt geprügelt. Menschen sind wie in der 3. Welt auf den Gehsteigen verhungert, Kinder liefen selbst im Winter barfuß und kaum mit Lumpen bedeckt umher (kennt ihr das Märchen von Andersen "Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern"?)

Die wirtschaftliche Doktrin dieser Zeit war Freihandel, schrankenlose Wirtschaft ohne jede staatliche Regelung oder sozialen Einschränkungen = "Liberalismus" für den gehobenen Bürgerstand ("Manchester-Liberalismus"). Die reichen Bürger erlangten politische Macht und gestalteten den Staat um nach ihrem Geschmack, z.B. um Gewinne zu maximieren. Wir sprechen vom Zeitalter des "Biedermeiers", so wie die Filmindustrie es romantisierend zeigt, und wie die Literatur für Bildungsbürger es zeigt. Literatur über die tatsächlichen Lebensbedingungen der unteren Klassen - d.h. der Mehrheit der Bevölkerung - wurde nicht weiter überliefert! Beginnende Industrialisierung in Deutschland. Erstes Gaslicht, dann Elektrizität in Deutschland. Beginnende Kanalsierung in den Städten. Durch das Licht wurde Arbeiten rund um die Uhr möglich, z.B. für Dienstmädchen (5 Uhr früh bis 23 Uhr oder länger als Arbeitszeit.) Der Anblick von Arbeitern war in der noblen Innenstadt verpönt, die Wohnungen lagen daher am Stadtrand. Während die Arbeiter ab 1880 diverse Schutzgesetzgebungen erhielten, waren Dienstleute weiterhin bis zum 1.WK der Willkür ihrer Herrschaft ausgesetzt, die ihnen in ihr Dienstbuch auch noch ihr "Betragen" bestätigte. Wer aufmuckte, oder ohne Erlaubnis weglief, bekam daher keine Stelle mehr.

Erst im literarischen Realismus (so ab 1860, d.h., mit der zuende gehenden Massenarmut) und dann im folgenden Naturalismus wurden diese Themen in der Literatur aufgegriffen, z.B. durch Heine oder Hauptmann. Die Massenarmut ging zuende, weil die vielen armen Menschen weggestorben waren und die Unternehmer zuwenig Arbeitskräfte hatten. Sie waren daher gezwungen, mehr zu bezahlen, außerdem begann man gerade mit dem Eisenbahnausbau und der Stahlproduktion im großen Stil. Wegen der zunehmenden Gefahr des Sozialismus führte man in Deutschland ab 1880 die ersten Sozialgesetze ein, um die linke Bewegung zu schwächen.

Man sagt, die Gewinnmaximierung und das Aufblühen von Bankwesen und Managertum waren die Voraussetzung von Eisenbahnbau und dem späteren wirtschaftlichen Aufschwung bis zum 1. WK. Den Preis dafür bezahlten Millionen vernichteter Existenzen von verarmten Menschen. Genau gesehen begann der wirtschaftliche Aufschwung aber erst nach 1860, als die Leute einfach mehr verdienten. Auch heute (nach den Ende des bedrohenden Sozialsismus) hat man die längst überholte politische Doktrin wieder hervorgeholt, die den Besitzenden soviel Kapital gebracht hat, und verkauft uns diese veraltete neoliberale Wirtschaftspolitik als "New Economy", obwohl sie auch damals letztlich gescheitert war und zum internationalen Aktiencrash, Bankzusammenbrüchen, zu absolut bankrotten Staatskassen und zum Weltkrieg geführt hat.

Etwas was auf grenzenloser mörderischer Habgier und Egoismus aufgebaut ist, kann auf Dauer keinen Bestand und keine guten Folgen haben.

Mit lieben Grüßen -
Füchsin

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