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Re: Widersacher
Jassu schrieb am 10. Januar 2003 um 15:11 Uhr (392x gelesen):
Leider muß ich gleich zu Beginn zähneknirschend einräumen, daß ich auf Anhieb erst einmal keinerlei Quellenangaben machen kann. In den letzten paar Jahren habe ich dermaßen viele Bücher und Webpages zu mythologischen/religiösen Themen gelesen, daß ich schlichtweg den Überblick verloren habe. (Aus dem Uni-Alltag sollte ich zwar daran gewöhnt sein, immer gleich Fußnoten und Quellenangaben anzuführen, aber in der Freizeit neige ich dann meist doch dazu, derartige Verweise nicht weiter zu beachten...)
Nun jedoch zum Thema:
Der gesamte Bereich "Hölle-Widersacher-Weltgericht" scheint zunächst einmal nicht aus der ursprünglichen hebräischen Religion zu stammen, sondern ist vermutlich eine kulturelle Entlehnung aus dem persischen Zoroaster-Kult: Ahura Mazda, der Eine Gott, und Ahriman, sein Sohn und Widersacher. Auch die Vorstellung des flammenden Abgrunds, in den die dem "Bösen" zugeneigten Menschen bei einer Art Weltgericht stürzen, findet sich hier. Allerdings vermag ich nicht zu sagen, ob diese mythologische Einwirkung bereits in vorchristlichen Zeiten (und somit im Judentum) oder erst in den ersten Jahren des sich verbreitenden Kultes stattfand. Immerhin erstreckt sich die Entstehung des Alten Testaments über einen ziemlich großen Zeitraum, und fremde Einflüsse wären z.B. unter der babylonischen Knechtschaft durchaus denkbar gewesen. Im Buch Hiob jedenfalls findet er sich noch in seiner ursprünglichen Funktion, als offizieller Engel Gottes und nicht als gefallener Gegner. Fest steht auch, daß das Judentum auch heute noch nahezu keinerlei Ausrichtung auf das Jenseits oder das Weltgericht hat. Und Satan spielt dort auch nicht einmal ansatzweise jene Rolle, die er im Christentum (und in Ansätzen auch im Islam) einnimmt.
Und soweit ich mich richtig erinnere, basiert der gesamte christliche Mythos vom Fall Satans auf einem Ausspruch, in dem ein babylonischer König mit dem gefallenen Morgenstern verglichen wird - und gerade diese Stelle wird oft als Fehldeutung interpretiert. (Ich muß mal eine Bibel herauskramen und nachschlagen, ob ich die Stelle finde...) Von Satan ist dort jedenfalls nicht die Rede.
Die Rolle des Widersachers in der Gnostik wiederum *könnte* (all dies ist zunächst einmal reine Spekulation)auch auf andere Einflüsse zurückzuführen sein, man denke nur an die orphische Vorstellung, daß der Mensch sich von seiner titanisch-materiellen Mangelhaftigkeit befreien müsse, um wieder zum rein göttlich-geistlichen Wesen aufzusteigen, und dies über den Kreislauf der Wiedergeburt hinweg.
Kurzum: Es gab einfach zu viele Berührungspunkte zwischen verschiedenen Kulturen, vom Ägypten bis nach Indien, von Griechenland bis nach Persien, als daß man nun auf die "eine wahre Urform" verweisen könnte. (Vielleicht war selbst der "göttliche Versucherengel" Satan schon eine Leihgabe anderer Religionen, der eben eine den hebräischen Vorstellungen angemessene Rolle einnahm.)
Gerade deshalb ist ja der große Aufschrei fundamentalistischer Christen hinsichtlich heidnischer Einflüsse so lächerlich: Das gesamte Christentum ist ein großer Schmelztiegel aus verschiedenen anderen mythologischen Grundingredienzen, sei es nun im Bezug auf Satan, das Opfermysterium oder die Geburt des Gottessohnes. All dies wertet das Christentum selbstverständlich nicht automatisch ab. Es zeigt nur, daß im Anfangsstadium der neuen Religion sehr viele verschiedene Völker ihre eigenen sozio-kulturellen Einflüsse mit einbrachten, und somit eine Art Amalgam schufen, das auf seine Weise neu und revolutionär war. Leider ist von diesem "frischen Wind" heute nur noch sehr viel wenig erhalten - was nach 2000 Jahren auch nicht allzu sehr erstaunen sollte. Dogmatisierung bis hin zur völligen Versteinerung ist wohl ein Schicksal, das jeder institutionalisierten Religion über kurz oder lang zuteil wird.
Liebe Grüße,
Jassu

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Diskussionsverlauf:
- Widersacher @Jassu ~ Ludwig Müller - 10.01.2003 13:44 (7)
- Re: Widersacher ~ Jassu - 10.01.2003 15:11