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die brücke (caution: poetry)
buddhafly schrieb am 8. Juli 2003 um 9:56 Uhr (674x gelesen):
Die Brücke
Gemach, mein Sohn, so hört man’s hallen
Weit hin übers Wasser schallen,
Gib auf dein törichtes Getue,
Laß dem Meer doch sein Ruhe!
Oh du Träumer, dummer Eif’rer,
Welch ein Greuel für deine Ahnen,
Willst du wirklich und wahrhaftig
Uns’rem Feind die Wege bahnen?
Hast nichts bess’res du im Sinne?
Kannst nicht nutzen deine Kunst,
Eine Straße zu erbauen,
Die ein jedem etwas nutzt?
Hab ich lange dich erzogen,
Hab Jahrzehnte dich ernährt,
Damit mein eigen Fleisch und Blut
Den Gehorsam mir verwehrt?
Ich hab dieses Haus erbaut,
In dem du wohlig schläfst des nachts,
Ich hab‘ für dich zu Gott gebetet,
Daß er auch dich im Schlaf bewacht.
Ich hab den Acker dir bestellt,
Mal mit Mühe, mal mit Not,
Hab mich für dich aufgeopfert,
Daß Du hast dein täglich Brot.
Jetzt fällst du mir in den Rücken,
Willst mit diesem Lande brechen.
Machst dem Feind ein leichtes Spiel –
Braucht nicht mehr in See zu stechen!
Kommen werden sie in Scharen,
Uns’re Häuser niederbrennen,
Unser Hab und Gut uns stehlen!
Ich mag’s nicht beim Namen nennen!
Ich wend‘ mich traurig ab von dir,
Da meinen Willen du verachtest,
Mir und denen, die dich liebten,
Kein Gehör entgegenbrachtest.
Tief betrübt, gebroch‘nen Herzens,
Sah Teman seinen Vater an.
Nicht die Tränen nur des Schmerzes
Liefen ihm die Wang‘ hinab.
Wut auch machte ihn erbeben.
Will sein Vater denn nicht sehen?
Teman blickte auf sein Werk.
Will denn keiner ihn verstehen?
Schon seit ich ein kleiner Bub war
Wollt‘ das Wasser ich besiegen.
Wollt‘ ich andre Ufer sehen,
Geschwind von hier nach drüben fliegen.
Wollt der Insel Grenzen sprengen,
Die meine Flügel mir gestutzt.
Nun hab ich es wahr gemacht,
Meinen Geist als Weg benutzt.
Doch sein Vater, stolzer Herrscher,
Sieht den Feind schon ihn bezwingen,
Sieht sich schon im Todeskampfe
Mit des Gegners Kämpfern ringen,
Die sein eig‘ner Sohn gelockt –
Mitten in das reiche Land!
Vater! rief des Herrschers Sohn,
Hast den Sinn du nicht erkannt?
Frieden ist der Preis der Freiheit.
Wachsamkeit der Freiheit Plage.
Ew’gen Frieden gibt es nimmer –
Donnergroll kommt aller Tage,
Wird dich eines Tages holen –
Und nichts hast du geahnt zuvor,
Weil du stets die Grenzen scheutest,
Niemals blicktest durch das Tor.
Sprichst von Feinden alle Weile,
Feinden, die du nie gesehen!
Würdest einmal du es wagen
Wär’s ein Leichtes zu verstehen,
Daß nur Feind ist, der selbst schwach ist,
Nur gern kämpft, der nie gelebt,
Daß ein Führer ohne Weisheit,
Keinen einz’gen Kampf besteht.
Flüchten mußt ich, dich verlassen.
Mußte einen Weg mir schaffen,
Allerorts, wo ich ein Heim fand,
Wissen und Verständnis raffen,
Selten hat es mir genügt,
Dinge einfach hinzunehmen.
Oftmals wurde ich gerügt,
Ob der Neugier mich zu schämen.
Aber nun, nach vielen Jahren,
Zeit des Lernens und des Strebens,
Will ich dir und all den andern,
Zeigen meinen Sinn des Lebens
Voller Wissen fremder Welten,
Leidenschaft und Lebensmut.
Diese Brücke sei ein Zeichen,
Daß ihr einmal gleiches tut.
Dankbarkeit in seinen Augen
Geht er auf den Vater zu,
Der ihm abgewandt und sinnend
Steht am halben Viadukt.
Denkst du, daß wir nicht glücklich sind,
Mein Sohn, so wie wir heute leben?
Was, denkst du, brauchen wir so nötig,
Das nur dies Machwerk kann uns geben?
Gib es auf, spar‘ deine Kräfte,
Oder geh‘ hinfort von hier.
Niemand will sie, Deine Brücke
Bringt nur Not und Elend mir.
Zu Stein erstarrt der Blick des Teman,
Kann seinen Sinnen nicht mehr trauen!
Nein! Ich werde, so ich’s schwöre,
Diese Brücke vollends bauen!
Rasend dreht sich um der Vater.
Teman, das wird nicht passieren.
Ich stehe für das Leben vieler!
Und nicht eins will ich verlieren!
Deines nicht und keines derer,
Dir mir trauen sie zu schützen!
Doch bevor ich viele gebe
Werd‘ mein Messer ich benützen,
Um ein einz’ges zu beenden,
Deines, wenn’s auch schwer mir fällt.
Willst Du, frage ich Dich, Teman,
Uns verseuchen mit der Welt?
Wild im Sturme der Gefühle
Schwang den Dolch der alte Mann,
Vater, zwing mich nicht zu tun,
Woran ich nicht glauben kann!
Mußte selbst doch ich erfahren,
Wie wertvoll schön und wunderbar
Diese Welt im Antlitz Gottes
Sein wird, ist, und immer war.
Du bist jung, so sprach der Vater,
Hattest doch nichts einzubüßen,
Mußtest nicht für Kinder sorgen
Oder steh’n auf eig’nen Füßen.
Ich muß mich und andre schützen,
Muß sie führen, sie beraten.
Die mir trauen würden leiden,
Würde ich sie jetzt verraten!
Einmal noch will ich dich fragen:
Wirst du mir zum Trotze handeln,
Damit die Frieden leben
Auf dem Pfad des Krieges wandeln?
Finster wurden Temans Augen
Als er sah sein Werk vernichtet.
Nein, für alle Zeit und ewig:
Diese Arbeit wird verrichtet!
Mag’s euch gut geh’n, Mir ging’s besser,
Draußen in der großen Welt!
Nie mehr wollte ich ihn bewohnen,
Den Kerker, den Du Insel nennst.
Und ich weiß, daß viele wollen,
Daß die Brücke wird vollendet,
Denn sooft du es versucht hast,
Hast nicht alle du geblendet!
Viele gibt es, die die Freiheit
Wollen und nicht Einsamkeit!
Nach so langer Zeit nun, denk‘ ich,
Sind sie für die Welt bereit!
Zitternd hebt der Mann sein Messer,
Tränen auf den heißen Wangen.
Muß mein eigenen Fleisch ich töten,
Um nicht um mein Volk zu bangen?
Woher, nimmst du den Entschluß,
Zu wissen, was das Beste ist?
Weißt Du, ob ein andrer etwas,
Das er nicht kennt auch vermißt?
Nein, mein Sohn, Du kannst nur ahnen,
Alle Änd’rung bringt Verderben.
Gib es auf, Dein kindisch Streben,
Dann wirst Du mein Werk bald erben,
Das du sonst zerstören würdest!
Jugendlicher Aberwitz!
Pack‘ dein Handwerkszeug zusammen,
Komm in uns’ren Ahnensitz.
Teman nimmt das Lot, den Zirkel,
Setzt ihn auf dem Bogen an.
Da - der Grundstein seiner Brücke
Auf dem man deutlich lesen kann:
„Frei ist, der sich selbst erkennt.
Frei ist, der in Freiheit stirbt.“
Denkt Teman, als er kaltes Eisen
Zwischen seinen Rippen spürt.
©copyleft buddhafly (1998)

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Diskussionsverlauf:
- die brücke (caution: poetry) ~ buddhafly - 08.07.2003 09:56 (16)