Re: Was ist Liebe?
Jassu schrieb am 1. Januar 2004 um 22:42 Uhr (505x gelesen):
Hi Joh!
Hihi... ist schon ein ziemlich lustiger Fall von Synchronizität, denn "meine Engländerin" heißt Jo, (wobei ich bis heute noch nicht so genau weiss, ob das nun kurz für Joanna oder für Josephine ist - vielleicht sollte ich ihr die Frage bei Gelegenheit mal in einer e-Mail stellen...) Der Kontakt zwischen uns war ungefähr sechs Jahre lang unterbrochen, aber vor kurzem habe ich durch einen glücklichen Zufall ihre Mailadresse gefunden. (Oh, und ich bin inzwischen 23 Jahre alt.)
Nun, natürlich bin auch ich nicht gegen gelegentliche Anfälle von Verzweiflung immun. Als ich damals aus England zurückkehrte, habe ich tagelang geheult wie ein Schloßhund, und ein bestimmtes Lied konnte ich noch Monate später nicht hören, ohne meine Tränendrüsen zu strapazieren. Ich vermißte sie, wie ich nie zuvor jemanden vermißt hatte, und machte mir tiefe Vorwürfe, weil ich es nicht gewagt hatte, wenigstens einen dauerhaften Kontakt mit ihr zu etablieren. Ich kannte noch nicht einmal ihre Adresse, und zunächst blieb mir nichts ausser einem Foto. Etwa ein halbes Jahr später habe ich dann auf gut Glück einen Brief an die Adresse ihrer Schule geschickt, der auch ankam, aber das ist eine andere Geschichte. Viel wichtiger ist meine Antwort auf die Frage, wie ich die Sehnsucht und die daraus folgende Verzweiflung überwand, ohne zugleich auch meine Liebe zu ersticken: Mir war klar, dass ich mich nicht in meinen Erinnerungen verlieren oder mich an illusionäre Zukunftsträume klammern durfte, wenn ich weiterhin ein normales Leben führen wollte. Also mußte ich einen Weg finden, meine Liebe zu einer Quelle der Kraft zu machen, die mich näher an den von allen Sehnsüchten freien, ursprünglichen Moment heranbrachte. Und so fing ich an zu schreiben: Kurzgeschichten, Gedichte, etwas in der Richtung, und zunächst immer inspiriert durch meine Erinnerungen an Jo. So konnte ich ihr auf gewisse Weise nahe sein und mir zumindest vorstellen, wie ihr Leben wohl verlaufen würde. (Zugleich erlebte ich, wie mein Englisch ohne aktives Zutun meinerseits innerhalb kürzester Zeit immer besser wurde, was ich noch heute sehr erstaunlich finde.) Jo wurde zu meiner Muse - und das ist sie auch heute noch. So hat meine Liebe zu ihr die Zeit überdauern können, ohne dass die Sehnsucht jemals wieder Macht über mich erlangt hätte.
Was die Biochemie angeht, so kann ich mich Deiner Einschätzung nur anschließen: Genau das ist es, was ich verspürt habe. Und auch die "normale" Liebe ist keinesfalls *nur* Biochemie, ebenso wenig wie wir alle nur elektrische Impulse in unserem zentralen Nervensystem sind.
Liebe Grüsse,
Jassu
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