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Teil 2
magicspell schrieb am 24. Mai 2003 um 9:32 Uhr (837x gelesen):
Nah-Todeserfahrungen aus psychiatrisch-neurologischer Sicht
In:
Soeffner H-G, Knoblauch H (Hrsg.), Todesnähe: Interdisziplinäre Zugänge zu einem außergewöhnlichen Phänomen. Universitätsverlag Konstanz, Konstanz 1999, 65-99 (an zwei Stellen verbessert)
Im folgenden sollen einige psychiatrisch-psychologische und neurologisch-neurobiologische Erklärungsmöglichkeiten von Nah-Todeserfahrungen (NDEs) und der zugehörigen, oft singulär auftretenden außerkörperlichen Erlebnisse (OBEs) dargestellt und bewertet werden. Auf eine Wiederholung der in diesem Band von BLACKMORE schon angesprochenen Bedeutung von Endorphinen, Hypoxie und Hyperkapme sowie der von HARTL diskutierten erkenntnistheoretischen Grenzen aller theoretischen Erklärungen der NDEs wird dabei verzichtet.'
I Psychologisch-psychoanalytische Erklärungsmöglichkeiten der NDEs
1 Nah-Todeserfahrungen sind dissoziative Leistungen
Dafür sprechen zum einen die zumeist mit dem OBE verbundene abrupte Schmerzfreiheit, die mit einer reversiblen, vollständigen räumlich-optischen und emotionalen Distanzierung vom eigenen Körper und den im Sterben oft dominierenden Ängsten einhergeht. Auch die gelegentlich von OBErn von außen beobachteten autonomen körperlichen Aktivitäten sind Hinweise auf den dissoziativen Charakter der NDEs/OBEs (GREEN 41979, GABBARD & TWEMLOW 1984).
Desweiteren sind dissoziationsfördemde NDE/OBE-Auslöser wie z.B. Mißbrauchserfahrungen und die bei NDErn in wenigen Untersuchungen nachgewiesene Häufung dissoziativer Züge bis hin zum seltenen Übergang eines NDEs in eine dissoziative Störung Hinweise auf den dissoziativen Charakter der NDEs. Das gleiche gilt für das Auftreten von unkontrollierbarer außersinnlicher Wahrnehmung (ASW) im NDE, die auch vermehrt bei dissoziativen Störungen auftritt (IRWIN 1985, RING & ROSING 1990).
Schließlich belegt die Tatsache, daß gewöhnliche Träume schon Kontakte mit personifizierten (dissoziierten) Anteilen von uns sind und es dabei wie im NDE zu einer Art telepathisch wirkendem Gedankenaustausch mit diesen Anteilen kommt, den dissoziativen Charakter der NDEs. Typisch für dissoziative (Trance-)Zustände ist auch die veränderte bzw. aufgehobene Zeitwahrnehmung. Die dissoziative Abspaltung einiger Leistungsbereiche geht dabei zugleich mit einer höchsten Aktivierung anderer wie z.B. des Gedächtnisses in Form des Lebensfilmes einher (MILSMANN 1996).
Dissoziative Leistungen sind aber nicht grundsätzlich psychopathologische Phänomene, sondern vielmehr wie Träume weitverbreitete , sehr effektive Leistungen und von einer dissoziativen Störung klar abzugrenzen. Selbst dissoziative Reaktionen auf Traumata gelten in der Regel nicht automatisch als krankhaft, sondern als natürlich, gesund und sogar effektiv, weil sie ein weitgehend ungestörtes Ich-Erleben gewährleisten; die Alternative wäre die Überwältigung des Ichs von Gefühlen der Ohnmacht, der Ausweglosigkeit, von extremen Ängsten oder gar Depressionen. Eine derart Ich-stabilisierende Funktion haben viele OBEs und NDEs (SPENCER 1996, STUMPFE 1985).
2 Nah-Todeserfahrungen sind kein Wiedererleben der Geburt
Soweit bekannt fehlen bei der wirklichen Geburt die Trennung von beobachtendem Selbst und physischem Körper ebenso wie der Lebensfilm und das Auftauchen Verstorbener. Auch entspricht der qualvoll enge Geburtskanal, den das Kind nicht mit den Augen, sondern dem Kopf voran passiert, in keinster Weise der angenehmen Weite des Tunnels und dem ebenso angenehmen Gefühl der Tunnelpassage des NDEs.
Das Licht am Ende des Tunnels müßte nach dieser Theorie auch oft rot - und nicht gold-gelb-weiß wie im NDE - sein, da im Geburtskanal bzw. bei der Geburt viel Blut fließt. Schließlich sind Geburtserfahrungen durchweg schmerzhaft und unangenehm, während sich NDEs zuallermeist als sehr angenehme Erlebnisse erweisen und somit gerade das Gegenteil von Geburtserfahrungen sind. Das wichtigste Gegenargument gegen die Geburts-These ist jedoch die Tatsache, daß Kaiserschnitt-Geborene genauso häufig und die gleichen OBE/NDE-Erfahrungen haben wie normal Geborene (BLACKMORE 1993, DRAB 1981).
3 Nah-Todeserfahrungen sind keine Abwehr des Todes
Niemand flieht in eine genaue Betrachtung/Verarbeitung der Situation, die ihm Angst macht. Gerade die bewußt erlebte Trennung vom Körper - und erst recht die Beobachtung des drohenden eigenen Todes im OBE - müßten eine ebenso große oder viel größere Angst verursachen als die eigentliche NDE-Auslösesituation. Tatsächlich ist es oft erst das Zulassen des bevorstehenden Sterbens und nicht dessen angstvolle Abwehr, die das NDE induziert (SABOM 1986, WHITE 1997).
Umgekehrt führen negative Gefühle wie Angst vor dem (ND-)OBE umgekehrt oft zur Beendigung desselben - und 40-80% aller nicht-todesnahen OBEs ereignen sich auch in völlig angstfreien, entspannten Situationen. Auch andere NDE-Elemente lassen sich unter entspannten Bedingungen (Hypnose, Autogenes Training) induzieren (IRWIN 1985).
Gegen die Verdrängungshypothese spricht außerdem, daß auch eine therapeutisch (und nicht NDE-) induzierte Lebensrückschau mit einer größeren Akzeptanz bzw. einer geringeren Verdrängung/ Verleugnung des Todes einhergeht. Außerdem hat eine Verdrängung das Ziel, den Status quo zu erhalten, während NDEs oft deutliche Lebensveränderungen nach sich ziehen und die Angst vor dem Tod deutlich reduzieren (OLSON & DULANEY 1993).
All diese Überlegungen werden auch psychometrisch bestätigt: Gerade gering ausgeprägte Abwehrmechanismen, Religiosität und (damit auch) der Glaube an ASW führten bei 16 Standard-ASW-Versuchen (an über 500 Vp) zu höheren Trefferresultaten. Religiosität korreliert wiederum mit dem Glauben an ein Leben nach dem Tod - und beide korrelieren außerdem mit einem häufigeren Auftreten von spontanen paranormalen Erfahrungen. Damit beinhalten auch NDEs und OBEs keine gesteigerten, sondern verringerte Abwehrleistungen, da sie höchst religiöse und ASW-beinhaltende/ fördernde Erfahrungen sind (HARALDSSON & HOUTKOOPER 1994).
Insofern ist also die Bewußtlosigkeit die eigentliche (archaische) Abwehr bzw. Verdrängung der belastenden Todesumstände bzw. des Todes. NDEs und OBEs sind dagegen - wie Träume - Verarbeitungsversuche der eben nicht durch Bewußtlosigkeit abgewehrten, sondern in diesen beiden Erlebnisformen vielmehr bewußt gewordenen Realität (SCHMIDT-DEGENHARD 1992)!
4 Nah-Todeserfabrungen sind glaubwürdig und nicbt auf Vorinformationen zurückzuführren
Angesichts der transkulturellen Invarianz der NDE-Grundelemente ist zwar die individuelle Ausgestaltung der NDEs offensichtlich abhängig von (unbewußten) persönlichen, kulturellen und religiösen Vorinformationen. Für das Auftreten von NDEs/OBEs spielen Vorinformationen bzw. Erwartungen jedoch keine Rolle. NDES/OBEs von Menschen, die von diesen schon gehört haben, sehen auch nicht anders aus als die von Uninformierten (MOODY 1989; ROBERTS & OWEN 1988, RING 1984, ZALESKI 1995).
Auch erleben gerade Kinder (schon unter zwei Jahren) nahezu immer ohne jegliches Vorwissen ihre ersten NDEs/OBEs, die dabei denen der Erwachsenen erstaunlich ähneln. Dies schließt Vorinformation auch deswegen aus, weil kindliche Träume erst im Alter von 9 bis 12 Jahren denen Erwachsener ähneln und Kleinkinder keine Geschichten träumen, sondern z. B. Bilder von Teddybären, den Eltern oder allenfalls kurze Sequenzen (MORSE 1983, MORSE ET AL. 1986, MORSE & PERRRY 1992).
Weiterhin hat eine Studie gezeigt, daß gerade die bezüglich eines Lebens nach dem Tod Ungläubigen systematisch jegliche Informationen über NDEs meiden und sicher sind, daß nach dem Tod alles aus ist. Daß aber auch diese Menschen NDEs erleben - die dann auch noch besonders beeindruckende Auswirkungen haben - zeigt wiederum, daß das Vorwissen über NDEs eben nicht entscheidend für ihr Erleben ist (KELLEHEAR & IRWIN 1990).
Schließlich fördert die Erwartung eines Lebens nach dem Tod das Auftreten von NDEs nicht. Tatsächlich haben bisher mehr als die Hälfte aller NDEr bzw. OBEr zuvor nichts von NDEs bzw. OBEs gehört; das gilt auch z. B. für NDEr in der buddhistischen Kultur in China oder für indische NDEr (BECKER 1981, IRWIN 1985).
Infolge der Hypermnesie scheint auch die zwischen Erlebnis und Berichterstattung verstrichene Zeit den NDE-Inhalt (z.B. über Verzerrungen, Hinzufügen vorher nicht vorhandener Inhalte etc.) oder ihre Prävalenz kaum zu beeinflussen. Allenfalls beeinflußt die Zeitdauer zwischen NDE und der Erinnerung an dasselbe die Genauigkeit und Vollständigkeit der Erinnerung (BLACKMORE 1993).
5 Nah-Todeserfahrungen sind keine bloße Wunscherfüllung
Die religiösen Inhalte des NDE könnten darauf zurückgeführt werden, daß Todesnähe bei vielen Menschen nahezu zwangsläufig Sinn und damit religiöse Fragen in den Vordergrund treten läßt. Damit wären NDEs möglicherweise bloße Wunscherfüllungen. Daß auch areligiöse Menschen NDEs erleben, ließe sich dabei durch unbewußte, in der Areligiosität nur verdrängte, religiöse Tendenzen jedes Menschen erklären, ja als Hinweis auf einen universellen biologischen Wunsch/Trieb nach Unsterblichkeit deuten.
Andererseits läßt die Universalität der NDE-Elemente bzw. ihre Unabhängigkeit von allen epidemiologischen, sozialen, religiösen, kulturellen und psychologischen Variablen (z.B. Auftreten auch bei Kindern unter 2 Jahren) NDEs nicht als Folge einer immer subjektiven - und damit zu viel mehr inhaltlicher Varianz führenden Wunscherfüllung erscheinen; diese spielt allenfalls bei der unterschiedlichen Ausgestaltung der NDE-Elemente eine Rolle. Doch auch diese hat Grenzen; das Jenseits der Mormonen entspricht zwar ihrem Glauben, es treten jedoch auch Elemente wie der Tunnel, die Grenzzone oder die Wahl des weiteren Verbleibs auf, die sich nicht in der mormonischen Jenseitslehre finden (WHITE 1997).
Tatsächlich prädisponieren der (bewußte) Wunsch nach Unsterblichkeit bzw. die Religiosität in keinster Weise - auch nicht bei experimenteller OBE-Induktion - zum Auftreten eines OBEs/ NDEs. Überhaupt sollte eine Flucht in heile Welten nur angenehme Bilder/Erinnerungen produzieren; genau das ist aber in der Lebensrevision oft nicht der Fall, bei der auch die eigenen schlechten Gedanken und Taten wiedererlebt werden. Wenn es sich bei den NDEs nur um halluzinative Wunscherfüllungen handeln würde, müßten sich auch die NDEs von Kindern aufgrund ganz anderer kindlicher Todeskonzepte von denen der Erwachsenen deutlich unterscheiden; das ist aber nicht der Fall (IRWIN 1985, GABBARD & TWEMLOW 1984).
6 Nah-Todeserfahrungen sind keine bloßen Imaginationen
Grundsätzlich lassen sich OBEs und NDEs als imaginatives, primärprozeßartiges Bilderleben verstehen, das mit hypnagogem Bilderleben zu vergleichen ist, dessen Auftreten auch archetypische .Bilder und PSI-Leistungen evozieren kann. So haben hypnagoge Bilder wie die des NDEs/OBEs einen autonomen Charakter und sind wie letztere sehr plastisch und lebendig bzw. realistisch. Auch kann man in der Imagination wie im OBE durch Wände gehen und sehen, um Ecken und über weite Entfernungen hinweg wahrnehmen und in Gedankenschnelle die Welten bzw. Szenen wechseln (SCHMIDT-DEGENHARD 1992).
Tatsächlich induzieren (OBE -)Imaginationsübungen - korrelierend mit dem Grad der Absorption für innere Bilder - OBEs. Ganz selten wurde während eines NDEs auch direkt die mentale Kreation anderer Welten mit Verstorbenen und Jesus erlebt. Besonders das (bedürfnisgerecht) variierende Aussehen des Zweitkörpers und die Vermischung scheinbar realistischer Wahrnehmung der Umgebung mit fiktiven Elementen im OBE verweisen auf ihre imaginative Konstruktion. Auch experimentell korrelierten die NDE-typischen positiven Gefühlsqualitäten und die NDE-Vorerfahrung mit den Imaginationsfähigkeiten. Weiterhin fördern Imaginationsprozesse wie (ca. 10% aller) Träume außersinnliche Wahrnehmung, was wiederum das gemeinsame Auftreten von Imaginationen und ASW in NDEs und OBEs erklärt (ATWATER 1989, IRWIN 1985).
Andererseits ließ sich - mit wenigen Ausnahmen - bei OBErn keine größere (visuelle, kin- oder somästhetische) Imaginationsfähigkeit als bei Non-OBErn nachweisen. Auch sind imaginative Fähigkeiten und die optische Ausgestaltung beim OBE nur sekundär, während eine grundlegende, nicht-optische Veränderung der Selbst-Wahrnehmung bzw. Selbst-Lokalisation beim OBE die zentrale Rolle spielt (IRWIN 1985, GACKENBACH ET AL 1988).
Gegen eine bloße Imaginationshypothese sprechen noch weitere Fakten. So können von Geburt bzw. bis zum 5. Lebensjahr blind Gewordene nicht bildhaft imaginieren, so daß die auch bei ihnen auftretenden NDEs/OBEs keine (bloße) Imagination sein können (RING ET AL 1997). Auch sind imaginierte Bilder immer individuell unterschiedlich, während NDEs und OBEs weltweit aus gemeinsamen Grundelementen bestehen, die nur unterschiedlich ausgestaltet sind und verschieden interpretiert werden.
7 Außerkörperliche Erlebnisse sind nicht nur subliminale Wahrnehmungen
Die im OBE zur Imagination der Umgebung notwendige subliminale (akustische) Wahrnehmung ist nicht immer gegeben, weil z. B. manche NDEs/OBEs in geräuschloser Umgebung stattfinden. Desweiteren wird akustische Information bei äußerlich Bewußtlosen oft nur dann subliminal wahrgenommen, wenn es sich um furchterregende oder angstmindernde Inhalte handelt. Subliminale Wahrnehmungen beinhalten im Gegensatz zum NDE auch häufig die Wahrnehmung von Schmerzen und haben eher negative Auswirkungen (SABOM 1986, FINGER 1988).
Außerdem werden die bei Sauerstoffmangel am längsten bestehenbleibenden subliminalen akustischen Wahrnehmungen nicht in adäquate Bilder der Auslöser umgesetzt, sondern immer auch akustisch erinnert und eben nicht - wie beim OBE - synästhetisch in optische Bilder transferiert. Im letztgenannten Fall würden auch nur abstrakte Bilder induziert, die niemals die ursprünglichen Wahrnehmungen abbilden oder mit ihnen in direkter inhaltlicher Beziehung stehen. Tatsächlich werden die unterschwellig wahrgenommenen Umgebungsreize in größerer Todesnähe/ Bewußtlosigkeit eher in oneiroidale, das Umfeld allenfalls symbolisch verkleidet wiedergebende Traumbilder transformiert (SCHMIDT-DEGENHARD 1992, KW 1996).
8 Nah-Todeserfahrungen sind keine typischen Oneiroide
Teilbewußte (komplexe) Träume, die sog. Oneiroide, treten wie NDEs bei schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen wie z.B. beim locked-in-Syndrom oder im Koma auf. Dabei beinhalten die Oneiroide wie die NDEs ein szenisches Erleben, in dem der Erlebende eine aktiv oder passiv partizipierende Rolle spielt und das für ihn in ihrer Geschlossenheit den Charakter einer ‚anderen Welt' bekommt.
Beide Erlebnisformen sind durch ihren Realitäts-Charakter mit nahezu normalem Ich-Erleben, durch Überwachheit, Hypermnesie, (zumeist) fehlender Steuerbarkeit, große Farbintensität der Bilder mit (Luzid )Traumcharakter, eine Aufhebung der Zeitdimension und ihren Charakter eines sinnvollen Verarbeitungsversuches der bedrohlichen Situation gekennzeichnet.
Beim Oneiroid handelt es sich jedoch - im Gegensatz zum NDE - um individuell unterschiedliche, weltimmanente und zumeist bedrohliche szenische Halluzinationen, die das völlige Ausgeliefertsein an die Krankheit, die Umwelt und den bedrohlich nahen - (noch) nicht über ein OBE/NDE transzendierten - Tod widerspiegeln und überwiegend mit negativen (angstvollen) Gefühlen einhergehen. Drei wesentliche Themata scheinen dabei zu dominieren: Gefangener zu sein, etwas Falsches getan zu haben, um die Gefangenschaft zu rechtfertigen und das Thema Tod. Immer wieder scheint auch traumhaft. verkleidet die eigene Biographie durch (SCHMIDT-DEGENHARD 1992, WEIB 1991, BRUNSWIG 1992, 1995, MANTESE 1981).
Neben den obengenannten Gemeinsamkeiten weisen NDEs jedoch folgende Unterschiede auf: Transkulturell gleiche Grundelemente in individueller Ausgestaltung, überwiegend positive mystisch-religiöse Bilder und Gefühle im NDE, fotographisch genaue, distanzierte Wahrnehmung des Körpers und der Umwelt von oben, Welt- und Krankheitstranszendenz, offensichtliche Sinnhaftigkeit und deutliche (zumeist positive) Auswirkungen auf das weitere Leben (GREYSON & STEVENSON 1980, GREYSON 1980, 1981, SABOM 1986).
9 Gemeinsamkeiten von Nah-Todeserfahrungen und Luzid- oder Wachträumen
OBEs (NDEs) und Luzidträume kommen statistisch gehäuft zusammen vor und gehen mit einer cerebralen Aktivitätssteigerung einher. Auch gelten Flugträume als Vorstufen von Luzidträumen und OBEs; die bevorzugte Fortbewegungsart in beiden Zuständen ist das Fliegen oder Schweben. Weiterhin können OBEs bzw. ein geträumtes Erwachen willentlich aus einem Luzidtraum heraus entwickelt werden. Vereinzelt können auch andere NDE-Elemente in Luzidträumen vorkommen.
Bezüglich Kognition, Emotion, Motivation, Ich-Bewußtsein bzw. Ich-Erleben, Intentionalität, Rationalität, Zeithaftigkeit, Kommunikation, Erleben und Verhalten sind Wachträume wie OBEs und NDEs dem gewöhnlichen Leben wesentlich näher als gewöhnliche Träume oder reine Imaginationen. So ist im Wachtraum und im (experimentellen) OBE (selten im NDE) begrenzt bewußte Erinnerung und eine willentliche Ausführung geplanter Handlungen möglich (und z.T. physiologisch meßbar). Auch beobachtet der Perzipient in diesen Erlebnisformen ein vollständiges und in sich konsistentes Wahrnehmungsfeld und nimmt währenddessen gleichzeitig wahr, daß er sich in einem veränderten Bewußtseinszustand befindet.
Im Luzidtraum wie im NDE/OBE entspricht auch die Verteilung der Sinnesmodalitäten der des normalen Wachbewußtseins. Die Luzidtraum-Bilder selbst scheinen eine sofortige Umsetzung von Gedanken in Bilder zu sein und sind sehr real und farbintensiv. Andererseits werden (kleinere) Einzelheiten der Traumwelt im OBE/NDE und im Luzidtraum nicht als irreal erkannt. Die auftauchenden Gestalten haben in beiden Zuständen anscheinend ein eigenes Bewußtsein und lassen sich als Personifikation eigener Anteile des Unterbewußtseins verstehen.
Weitere Gemeinsamkeiten von NDE/OBE und Luzidtraum sind die zumeist extrem positive Gefühlsqualität, das Auftreten von Angstgefühlen im OBE und im Luzidtraum, wenn der Erlebende glaubt, nicht mehr in die Realität zurückkehren zu können, und die Hypermnesie infolge hoher cerebraler Aktivierung (LABERCE 1987, GACKENBACH & LABERGE 1988, HOLZINGER 1994).
10 Unterschiede zwischen Nah-Todeserfahrungen und Luzidträumen
Angst führt oft zur Luzidität, beendet umgekehrt aber häufig OBEs. In den OBEs kommt es im Gegensatz zum Luzidtraum außerdem häufig zu Geräuschwahrnehmungen. OBEs ereignen sich auch in 62 bis 88% d.F. im Wachzustand, Luzidträume jedoch nur im Schlaf. Luzidträume sind dementsprechend ein Erwachen im REM-Schlaf, während OBEs im EEG zuallermeist nicht mit REM-Phasen einhergehen (GACKENBACH & LABERGE 1988, GREEN 1977, HOLZINGER 1994).
Weiterhin sind die im NDE zumeist fehlende Luzidität - und damit das Bewußtsein sowie die Bild- und Gedankenkontrolle - besonders in der linken Hemisphäre zu lokalisieren, so daß NDEs im Gegensatz zu Luzidträumen eher in der rechten Hemisphäre abzulaufen scheinen (s.u.). Im Gegensatz zu den NDErn kann der Luzidträumer die Bilder bei Aufrechterhaltung einer kritischen (emotionalen) Distanz dann auch kontrollieren (BIRBAUMER & TÖPFNER 1998).
Schließlich sind die Klartraum-Bilder im Vergleich mit den NDEs/OBEs symbolischer, phantasiereicher und individuell unterschiedlicher; dabei findet außerdem eher ein abrupter Szenenwechsel statt. NDEs und OBEs bestehen dagegen - unabhängig von persönlichen oder kulturellen Faktoren - aus universell gleichen Grundelementen. Sie beinhalten z. B. wesentlich häufiger als Luzidträume OBEs, Tunnelphänomene, außersinnliche Wahrnehmungen sowie mystisch-religiöse Qualitäten (GREEN 1977).
Insgesamt verbieten die phänomenologischen Unterschiede zwischen Luzidträumen und OBEs und die nur schwachen statistische Assoziation zwischen beiden eine einfache phänomenologische Gleichsetzung. Tatsächlich halten erfahrene OBEr, die auch Luzidträume haben, beide für unterschiedliche Phänomene.
11 Psychoanalytische Deutungen von Nah-Todeserfahrungen
Aus psychoanalytischer Sicht sind NDEs Regressionen (im Dienste des o). Die Unaussprechlichkeit der NDEs soll z.B. eine Regression in präverbale Entwicklungsstadien, die höchste Sinnhaftigkeit und Eindrücklichkeit des NDEs wiederum die Absolutheit der Primärerfahrungen, die ekstatischen Gefühle die ersten Still-Erlebnisse und das Gefühl der All-Einheit eine Regression in ein symbiotisches Entwicklungsstadium widerspiegeln (J0SUTTIS & LEUNER 1972, BACHE 1994).
Die Begegnung mit den den eigenen Bedürfnissen entsprechenden Verstorbenen wird als infantile Wunscherfüllung interpretiert, die Begegnung mit Dämonen als Konfrontation mit den triebhaften EsAnteilen, und die Umwandlung negativer in positive NDEs durch Zentrierung auf ethisch-religiöse Inhalte als deren Überwindung durch Konzentration auf eigene höhere Ich-Anteile. Die Veränderungen der Persönlichkeit nach einem NDE sollen wiederum Folge des regressiven Ausgleichs unerfüllter Defizite sein (EHRENWALD 1981, GABBARD & TWEMLOW 1984).
Für die Annahme, daß es sich bei den Verstorbenen und den religiösen Figuren des NDE um eigene (höhere) Anteile handelt, spricht z. B. die Tatsache, daß diese Figuren in unterschiedlichem Alter erscheinen und zuweilen ganz alltägliche, wenn auch gute Ratschläge erteilen. Auf jeden Fall sind NDEs immanente religiöse Erfahrungen, die zu einer Verschmelzung mit eigenen Selbst-Anteilen führen, die z. B. in ihrer höchsten Form bildhaft vom Licht repräsentiert werden (HOOD 1974).
Tatsächlich kommt es in den NDEs zu einer gewissen Abnahme des zielgerichteten Denkens, der intellektuellen (abstraktiv-differentiellen) Leistungen und der Außenorientierung bei gleichzeitiger Zunahme der Affektivität und der Altersregression. Damit wird aber auch eine hohe Formbarkeit/Veränderbarkeit der Psyche erreicht, die die erstaunlichen Wirkungen von NDEs (und der psycholytisch/psychedelischen Therapien) erklärt (LEUNER 1981).
12 Gegen psychoanalytischen Reduktionismus von Nah-Todeserfahrungen
NDEs haben offensichtlich auch psychotherapeutische Wirkungen, wie es ihre Auswirkungen demonstrieren. So hat z. B. die Lebensrevision eine konstruktive - nicht aber eskapistische - Funktion, die sich auch viele Psychotherapien in der Aufarbeitung der eigenen Biographie zunutze machen. Dementsprechend scheint eine Lebensrevision bei denjenigen, die schon lange von ihrem drohenden Tod wußten und so genug Zeit hatten, ihr Leben zu rekapitulieren, seltener zu sein (BLACKMORE 1993).
Auch werden NDEs nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv zumeist von einem wenig regredierten (erwachsenen) separaten Ich erlebt, das in der Lebensrevision zu höchster ethischer (motivationsanalytischer) Selbstbeurteilung in der Lage ist. Weiterhin spricht das Ausmaß, in dem bestimmte rationale Funktionen - wie z. B. Gedächtnis, Selbstreflektion, rationale Bewertung, Toleranz für Zweideutigkeit, selektive Wahrnehmung oder die Fähigkeit zu ordnen, zu lokalisieren und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu unterscheiden - noch in NDEs vorhanden sind, gegen die Annahme, daß es sich dabei um eine bloße Regression handelt. Tatsächlich gilt Ich-transzendierendes, kosmisch-mystisches Erleben im Sinne der `peak experiences' MASLOWs als eine der größten Leistungen eines autonomen Ich (HOOD 1974, 1977, JOSUTTIS & LEUNER 1972).
Eine der wenigen Studien, die die Abhängigkeit von 72 NDEs von der Persönlichkeit des NDErs untersuchte, hat außerdem gezeigt, daß keines von 40 untersuchten NDE-Elementen mit so wichtigen psychologischen Variablen wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Bildung, Beruf, Vorhandensein eines Hirntraumas, dem Glauben an Geister, Gott oder das Schicksal oder aber mit dem Vorwissen über NDEs korrelierte, obwohl diese ja nach psychoanalytischem Konzept deutliche Auswirkungen auf die NDE-Inhalte haben müßten. Auch ein intro- oder extrovertierter Persönlichkeitsmodus vor dem NDE schien nicht mit den NDE-Elementen in Zusammenhang zu stehen. Weiterhin konnte den OBErn kein (von Psychoanalytikern behaupteter) erhöhter Narzißmus nachgewiesen werden (WHITE 1997).
Den aus den NDEs aus psychoanalytischer Sicht ableitbaren Wunsch bzw. Trieb nach Unsterblichkeit als Leugnung des Todes zu bezeichnen, ist auf jeden Fall dasselbe, als würde man - um nur ein Beispiel zu nennen -die Sehnsucht nach Liebe eine Leugnung der Lieblosigkeit nennen! Ist es da nicht viel sinnvoller und dem menschlichen Wesen näher, Lieblosigkeit als Verdrängung der Liebe bzw. der Liebesfähigkeit zu bezeichnen?
Tatsächlich stellen die in allen Kulturen vorkommenden, erstaunlich ähnlichen göttlichen und dämonischen Bilder bzw. Visionen eine der gewöhnlichen Psychoanalyse nicht zugängliche tiefere Schicht der menschlichen Seele dar. In diesen ‚archetypischen‘ Bildern zeigen sich möglicherweise die universellen elementaren Kräfte oder ‚Quanten‘ der menschlichen Psyche, die Korrelate eigener Anteile und gleichzeitig den Menschen transzendierende - und damit jenseitige - Kräfte darstellen aOSUTTIS & LEUNER 1972, GROF & HAUFAX 1980, LEUNER 1981)!
13 Nah-T'odeserfahrungen als mystische Erfahrungen
NDEs weisen alle religions- und kulturunabhängigen Eigenschaften mystischer Erfahrungen auf: Einhefts-Erleben, Transzendenz von Zeit und Raum, tief empfundene positive Stimmung, Gefühl der Heiligkeit, der Objektivität und Realität, Unaussprechlichkeit, Paradoxie und Flüchtigkeit des Erlebens sowie anhaltende positive Veränderung in Einstellung und Verhalten. Damit sind NDEs die häufigsten mystischen Erfahrungen überhaupt (HOOD 1977, BUCKLEY 1981, JOSUTTIS & LEUNER 1972, LEUNER 1981)!
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