Wir sind die "Alten" von morgen!
Suhela schrieb am 25. Juni 2004 um 15:36 Uhr (576x gelesen):
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Liebe Kira,
du sprichst mir aus der Seele... ich denke auch schon seit einigen Jahren über diese Probleme nach, v. a., da ich 2 Tage in der Woche in einer geriatrischen Rehaeinrichtung arbeite und dort schon viele Schicksale hautnah miterlebt habe.
Schicksale von betroffenen älteren Menschen, die von heute auf morgen aus ihrer Selbständigkeit gerissen wurden und werden und für die (meist sehr schnell) eine Unterkunft gefunden werden muss begegne ich dort fast täglich und auch vielen Angehörigen, die nun nicht wissen, wie es weitergehen kann, egal, ob sie sich für eine häusliche Pflege oder für die Unterbringung in einem Heim entscheiden...(wenn sie denn einen Platz finden und bezahlen können...)
Das alles ist oft frustrierend für mich, v. a. weil keiner damit gerechnet hat, dass der Opa/die Omi so schnell nicht mehr in der Lage sein könnte, nicht mehr für sich sorgen zu können...
Für viele ist alleine die finanzielle Vielfachbelastung (du hast es bereits beschrieben) kaum zu stemmen und sie verzweifeln daran oder gehen völlig Pleite, obwohl es ihnen noch vor ein paar Wochen gar nicht so schlecht ging...
Dann muss plötzlich das Haus verkauft werden und alles was noch ein weinig Wert hat, um den Heimplatz finanzieren zu können oder die Ehefrau muss ihren Beruf aufgeben, um die Pflege Zuhaus übernehmen zu können...
Und was ich auch immer wider erlebe sind alte Menschen, die gar keinen Angehörigen haben, der sich um sie kümmern will, sie bekommen keinen Besuch und wenn ein Heimplatz gefunden ist, gibts nur noch "Versorgung" (gute, wenn sie Glück haben, was eher unwahrscheinlich ist, wenn sich keiner kümmert) und keine Therapie mehr, denn das "lohnt" ja nicht mehr...(wird nicht mehr verschrieben).
Was mir auch immer mehr auffällt ist, dass es immer weniger junge Menschen im pflegerischen Bereich gibt, die in der Lage sind, sich dieser wirklich schweren Aufgabe (einen bettlägerigen Menschen zu pflegen) widmen möchten oder können, denn was das heisst, können sich die wenigsten überhaupt vorstellen.
Ausserdem kann so ein Mensch noch viele Jahre leben und in dieser Zeit machen Übungen, wie "Sterbebegleitung" und andere "saubere" Tätigkeiten eher den kleineren Teil der täglichen Arbeit mit und am Patienten aus...!
Ich versuche täglich mein Bestes zu geben, aber ich habe auch einen leichteren Job in der Klinik und muss leider auch mitansehen, wie sich meine Kolleginnen und Kollegen in Pflege und Therapie aufarbeiten (Bandscheibenvorfälle häufen sich hier mehr und mehr).
Leider habe ich auch kein Modell im Kopf, wie man das alles besser und kostengünstiger für alle Beteiligten gestalten könnte, aber irgendwas muss passieren, denn es wird immer schlimmer, das ist sicher!
Nach längerer Betrachtung fällt mir auch immer wieder auf, dass es wohl eher eine geringere Rolle spielt, ob die älteren Leutchen vorher "gesundheitsbewusst" gelebt haben oder nicht...:
Den meissten werden ab einem bestimmten Alter immer mehr OP´s zugemutet (Zuerst der graue Star, dann die Hüfte, dann das Kniegelenk, der Herzschrittmacher, dies und das.........) und irgendwann kommt´s dann zum Apoplex (meist von den Vollnarkosen, die ab einem gewissen Alter immer ein grosses Risiko darstellen) und dann wird´s richtig schwierig: - Halbseitenlähmung - Schluckstörungen - Sprachstörungen - neuropsychologische Störungen - Sehstörungen und und und...
Hauptsache, man hat vorher nochmal an ihnen verdient, den Rest müssen dann die Angehörigen ausbaden (und der Patient natürlich selbst), wenn´s die Kasse nicht mehr zahlen will...
Schöne Aussichten, oder?
Wo soll das alles noch hingehen, fragt eine sehr nachdenkliche Suhela, die gerade aus der Klinik kommt...
Grüsse und ein unbeschwertes Wochenende, allen, die noch nicht ahnen, von was ich rede.....
Und nicht zuletzt: Viel Kraft wünsch ich all jenen, die bereits wissen und erfahren, was ich meine!
Suhela

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