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Re: Sein und Leben
myrrhe schrieb am 18. Januar 2004 um 11:28 Uhr (638x gelesen):

Hallo Pier,

> #Ich frage mich dann, wie wohl die "Seele" ganz ganz am Anfang war.
Da wir alle aus der gleichen Quelle entspringen ("Gott"?), müssten wir
eben in jenem Punkt, den ich hier "Anfang" nenne, gleich gewesen sein
("unbeschriebenes Blatt"?).
---
Da die Seele Sein ist und nicht Dynamik, muß der Ursprung jeder Seele
gleich sein, und ich definiere ihn als "Liebe". Liebe als Seinszustand, als
Urgrund unseres Bestehens.

> Da Du nun sagst, dass der Charakter den Entwicklungszustand der
Seele zeigt, müsste also die Seele diesen Charakter während ihrer
Inkarnationen erworben haben. Nur: war es denn wirklich immer die
Seele, nach der wir handelten? Man kann den Charakter als den
Entwicklungszustand der Seele definieren, wenn tatsächlich immer die
Seele (in jeder Situation) aus sich heraus handelte. Am Anfang war die
Seele aber ein unbeschriebenes Blatt, die weder die irdischen Gefühle/
Gedanken noch die Gegensätze kannte. Was uns immer handeln liess,
war das Gehirn und die Bereitschaft, so zu handeln, wie wir gehandelt
haben (Anlage). Betrachten wir mal ein Beispiel an einem Mörder. In
seinem Leben hat er viele Menschen umgebracht, ohne jegliche Reue und
Gefühle zu zeigen. Dieser Mensch hatte eindeutig einen sehr schlechten
Charakter....
---
Das, was Du beschreibst, ist nicht die Seele, sondern die Inkarnation. Ich
definiere das ja noch etwas anders: die Seele in ihrem Seinszustand
verleiht sich Ausdruck (Leben als dynamischer Ausdruck), indem sie
Inkarnationen "aussendet" und deren Erfahrungen speichert: im Selbst
(Permanente Persönlichkeit), einem ausdruckgebenden Teil von ihr.
Diese Inkarnationen lernen und machen Erfahrungen. Erfahrungen
machen sie, indem sie durch alle Höhen und Tiefen irdischen Lebens
gehen. Würden sie nur einen der Pole kennen, könnten sie nicht lernen.
Und letztlich führen alle Wege wieder zurück zum Ursprung: zur Liebe.
Deshalb kann der "Charakter" eines Mörders nicht dauerhaft böse sein.
Es ist eine Inkarnation, gewählt von der Seele, um zu lernen. Wir alle
waren wohl schon mal Mörder in einem oder mehreren unserer früheren
Leben ... Aus dieser Tiefe entwickelt sich nun das Selbst, jener Teil der
Seele, in der alle Erfahrungen aus allen Leben gespeichert sind, wieder
"empor". So lernt es, was Mord, was Leid, was Schmerzen etc. bedeuten.
Und es lernt daraus, vielleicht in vielen Leben, die Achtung vor dem
Nächsten, es lernt die Entwicklung der Liebe, um zu diesem Urgrund
zurückzukehren.

Ich glaube nicht, daß man - aus meiner Sicht halt - diese Dinge von der
Gehirnphysiologie aus erklären kann, auch nicht von der
Vererbungslehre oder von Mustern, die geprägt haben. Das ist die
irdische Sicht. Sie hat auch ihre Berechtigung: aber wenn wir von Seele
und Erfahrung der Seele reden, dann stößt dieser Erklärungsversuch sehr
schnell an seine Grenzen. Wer war es: Virchow, glaube ich, der gesagt
hat: "ich habe schon so viele Menschen operiert, aber eine Seele habe ich
noch nie gefunden." Das erklärt es wohl am besten.

> nun, was ich schlussendlich sagen will, ist, dass die Seele für mich
eindeutig keinen Ckarakter hat. Charakter hat nur ein Mensch. Nicht die
Seele bestimmt den Charakter, sondern das Gehirn (Anlage/Umwelt). Das
hat natürlich Konsequenzen, die ich später noch nennen werde....
---
Ja, Du magst mit Deiner Formulierung recht haben; oft versteigen wir uns
in der Undeutlichkeit und Unfähigkeit der menschlichen Sprache,
Höheres erklären zu wollen, in irgendwelchen Begriffen. Es ist wohl so:
der Charakter entwickelt sich im Selbst und wird von der derzeitigen
Inkarnation ausgedrückt und auch verändert/geformt etc.
Tatsächlich sind aber Muster selbst nicht mit Charakter gleichzusetzen,
weil sich dieser nicht verändert, nur wenn wir ein Muster auflösen. Wohl
aber können Muster prägen. Der Charakter verändert - oder besser:
vertieft - sich über die Erfahrungen, die das Selbst während seiner Leben
macht.

> #Ich glaube nicht, dass es der Sinn der Seele ist, Probleme aufzulösen,
und sich so weiterzuentwickeln. Es geht vielmehr um die Erfahrung,
einmal ein Mensch gewesen zu sein. Zu erfahren, was Gegensätze sind,
Gut/Böse, Hunger/Satt.
---
Nicht der Seele, sondern des Selbstes, jenes Seelenanteiles, der sich
Ausdruck verliehen hat. Und was ist denn Erfahrung anderes als
Entwicklung? Kenne ich das Böse nicht, wie kann ich das Gute erfahren?
und umgekehrt?

> Nach der Inkarnationstheorie würde die Seele selber den Ablauf ihres
nächsten Lebens bestimmen. Würde sich dann eine Seele freiwillig Eltern
aussuchen, die in schweren Drogen und Alkoholproblemen
herumschwimmen?? Wäre das ein Schritt in Richtung "wahrer Liebe"?
Würde eine, um zu erfahren, was "wahre Liebe" ist, den Lebenslauf eines
Mörders wählen.....?
---
Wenn Du das Prinzip des Lernens verstehst, ja. Denn "oben" gibt es keine
niedrigen Schwingungen. Das Selbst steigt herab, um diese zu erfahren
und daran zu reifen. Es steigt auch herab, um anderen Menschen zu
helfen, niedrige Schwingungen zu überwinden oder einen Hauch von
Liebe zu erfahren. Und es steigt herab, weil mit Personen noch ein Karma
aufzulösen ist - wie immer das aussehen mag. (Karma: nicht "Schuld und
Sünde", sondern "Ausgleich").

> Entweder stimmt die Inkarnationstheorie nicht, oder die Seele
inkarniert sich nicht, um herauszufinden, was "wahre Liebe" ist. Und
überhaupt, gibt es diese "wahre Liebe"...? Warum sollte Gott der wahren
Liebe soviel Bedeutung schenken, und nicht etwa dem Hass? Kennt
dieser Gott überhaupt die gegensätze...? Für mich passt es am ehesten,
Gott als jenes Ding (was auch immer....) zu definieren, das keine
Gegensätze kennt! Es weiss nicht, was Liebe und Hass, Gut und Böse ist.
Und es bestraft uns auch nicht, wenn wir mal gemordet haben (das
waren ja nicht wirklich wir (Anlage/Umwelt)). Vielleicht wollte es
herausfinden, was gegensätze sind, und so hat er mal im Delirium die
Welt erschaffen....
---
Jeder hat seine Definition, seinen Weg. Für mich ist wahre Liebe der
Urgrund allen Seins und allen Lebens. Und für mich gibt es diese wahre
Liebe. Sie ist jenseits allen Wollens, allen Tuns, sie IST einfach. Ich habe
sie erfahren. Inmitten einer Menge von irdischen Problemen. Und diese
wahre Liebe, deren Tiefe ich erst jetzt wahrhaft begriffen habe, besteht
weiter.
Man darf diese Liebe nicht mit der irdischen Liebe gleichsetzen. Die
irdische Liebe ist ein Teil davon - so wie die Inkarnation ein Teil der
Seele ist. Sie ist verborgen, tief in uns. Je mehr wir uns selbst
kennenlernen, desto mehr verstehen wir diesen Funken in uns - und in
anderen. Oft müssen wir durch sehr viel Leid gehen, um zu verstehen.
Begriffe wie die Gegenpole Haß/Liebe sind irdisch und haben mit der
wahren Liebe nichts zu tun. Denn jenseits der grob- und feinstofflichen
Ebenen existiert dieses Gegensatzpaar nicht. Daher stellt sich auch nicht
die Frage, ob Gott dem Haß Bedeutung schenkt. Es geht auch nicht
darum, ob Gott "weiß", was duales Leben heißt. Natürlich "weiß" er, denn
er hat ja dem Sein Ausdruck verliehen durch die Erschaffung von
Geist=Leben. (Ich setze das in "", weil ich Gott nicht personifiziere.) Und
das Selbst der Seele nutzt diese Dualität, um daran zu lernen. Die
"Bestrafung" ist keine von oben gegebene, sondern sozusagen
"Selbstbestrafung" – im karmischen Ausgleich lernt das Selbst die Folgen
von bösen und guten Handlungen zu bewerten, damit es in der Folge
loslassen kann.

> die Ebene, in der sich die Gegensätze aufheben, ist jenseits der Ebene
nach dem Tod. Diese Ebene kennt keine Liebe und keinen Hass. Eine
"unbeschriebene" Ebene, ohne Gefühle und Gedanken-weder Sein noch
"Nichtsein". Auch kein Nichts, oder ein "Etwas". Würde die Seele
tatsächlich irgendwelche gedanken und Gefühle mit nehmen, dann
würde wieder eine Ebene mit Gegensätzen entstehen. Die Seelen kehren
wieder dorthin zurück, wo sie einmal waren-ohne jemals weg gewesen
zu sein. Denn zeit und raum sind, wie die gegensätze auch, eine
Illusion.....
---
Ja, aber sie lösen vorher die Gegensätze auf: indem beide "Seiten"
karmisch durchlebt werden, werden sie aufgelöst, und das Selbst wird
frei davon und hört auf, anzuhaften. Wenn so alle "Stränge" beseitigt
sind, erreicht das Selbst höhere Ebenen, um sich dort
weiterzuentwickeln. Wie immer diese Ebenen aussehen mögen - das
zumindest ist der Tenor aller medialer Durchsagen. Ich persönlich glaube
nicht, daß gleich nach den feinstofflichen Ebenen schon die ewige Heimat
der Seele folgt; das Rad der irdischen Inkarnationen ist wohl sozusagen
die "erste Klasse" der Entwicklung des Selbstes.

> Somit sind die Gegensätze, gefühle/Gedanken eine Eigenschaft nur der
physischen und der Astralen Ebene. Die menschliche Liebe ist wahr, aber
sie gilt nur für eben diese beiden Ebenen. Ob Raum und Zeit eine Illusion
sind, können wir ja auch nicht sagen. Wir müssten, um die Richtigkeit
dieser Aussage zu beweisen, aus der Sicht der "unbeschriebenen Ebene"
definieren. Da es aber auf dieser Ebene ja keine Gedanken gibt, werden
wir wohl niemals die physische Ebene definieren können. Vielleicht ist
die Illusion auch wieder eine Illuiosn....
---
Ich sehe es etwas anders: wie im Kleinen, so im Großen - wie im Großen,
so im Kleinen. Alles, was ist, ist wahr - sonst wäre es nicht. Deshalb gibt
es das Gegensatzpaar wahr-unwahr nur auf unserer Ebene: denn auch
das Unwahre zählt zur Großen Wahrheit, die niemand kennt. Genauso ist
es mit der Liebe: Die menschliche Liebe ein Teil der wahren unendlichen
Liebe, die IST - und als solche genauso wahr und wertvoll. Nur ist der
Mensch eben Geist und sollte daher nicht bei den rein irdischen
Maßstäben stehenbleiben, sondern, so wie es seine Seele bestimmt, sich
daraus weiterentwickeln in Richtung wahrer Liebe, was heißt: Selbst-
Erkenntnis.

> Wenn ihr Licht sein werdet, was werdet ihr tun? An dem Tag, als ihr
eins gewesen seid, seid ihr zwei geworden. Aber wenn ihr zwei geworden
seid, was werdet ihr tun?
---
Als Gott entschied, dem Sein Ausdruck zu verleihen, indem er Geist
schuf, ging ein Teil der Seele, das Selbst, freiwillig in die Dualität (wurde
aus einem zwei - zwei Pole!) Was tut die Seele dann? Sie entwickelt sich
in ihrem Selbst, das aus Erfahrung und Lernen frei von der Dualität wird,
und geht einst wieder in die Lichtheimat ein: als Eins. In das Sein, das
frei ist von aller Dynamik, allem Tun.

Warum die Seele das überhaupt tat - warum ihr der dynamische
Ausdruck von Leben wichtig war ... das habe ich selbst nicht begriffen
bisher. Nun müssen wir ja auch nicht alles begreifen in unserer kleinen
Welt ... Hauptsache ist doch: wir versuchen das zu leben, was wir wissen.

Liebe Grüße,
myrrhe

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