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Re: Analysen

myrrhe schrieb am 9. August 2003 um 10:07 Uhr (469x gelesen):

Liebe Moni,

ja, das ist vom Gefühl her so unverständlich – man hat einander
geliebt, und die Liebe ist in Haß umgeschlagen … was ist alles
drin in uns Menschen? Fragen, die sich mit dem Gefühl nicht lösen
lassen. Und der Verstand sagt: (irdische) Liebe und Haß liegen
ganz eng nebeneinander, ja, sie sind die beiden Pole und
gehören deshalb zusammen. Daraus kann man schließen: beide
Pole sind in uns Menschen verborgen, und es kann der Haß-Pol
zum Vorschein kommen, wenn die Situation dazu gegeben ist.

Oft ist es in einer Beziehung so, daß der wahre Grund für
Probleme gar nicht dort zu suchen ist, wo der Schauplatz ist,
sondern ganz woanders. Ich glaube, Probleme werden meistens
auf Nebenschauplätzen ausgetragen und nicht dort, wo sie
wirklich sind. Könnte es nicht lohnend sein, einmal diesen
Schauplatz zu suchen?

So mag es etwa sein, daß Dein Ex-Freund schwere Probleme aus
seiner Kindheit mit sich herumträgt, etwa mit seiner Mutter, die er,
weil es bei einer Eltern-Kind-Beziehung nur schwer möglich ist,
nicht austragen konnte. Diese projiziert er dann auf seine
Partnerinnen, die sozusagen, in mancher Hinsicht, seine Mutter
darstellen. Bestimmte Reaktionen veranlassen ihn nun, auf seine
Mutter hinzuschlagen – d. h. im Grunde genommen meint er nicht
Dich, sondern die Mama. – Das ist jetzt nur ein Beispiel, es kann
auch ganz anders sein.

Versuche einmal, Deine Reaktion, die offenbar ja ein Auslöser für
die psychische Krise Deines Ex-Partners war, zu erforschen. Was
hast Du getan, gesagt, was ihn so aus der Fassung gebracht hat?
Und warum ist er so unversöhnlich? Ist seine Reaktion vielleicht in
Wirklichkeit Angst vor Dir, vor Verlassenwerden, vor den
Menschen überhaupt? Denn Drohungen deuten immer auf eine
Angstreaktion und damit letztlich auf Unsicherheit hin: entweder
flieht man gleich, oder man bedroht den anderen. Fühlt er sich Dir
vielleicht geistig unterlegen, so daß Du etwa in Diskussionen
immer die besseren Karten hast, und er kann nicht gegen Dich
argumentieren?

Betrachte einmal auch euer gemeinsames Leben: wie warst Du
mit ihm zusammen? hast Du Dich ihm untergeordnet, oder warst
Du stark, und er ordnete sich unter? Oder war eure Zweisamkeit
ausgeglichen, wart ihr beide kompromißbereit? Habt ihr viele
gemeinsame Interessen, und konntet ihr die Interessen des
anderen, die ihr nicht geteilt habt, akzeptieren? Gab es da
Nörgeleien ("Du mit deiner ewigen Filmguckerei")? Habt ihr den
anderen seinen Weg gehen lassen, ohne ihn zu überwachen ("wo
warst du schon wieder so lange")?

Stell Dir einfach einmal alle Dinge, die ihr gemeinsam hattet, und
die euch trennten, in Form einer Liste zusammen. Daneben dann
Deine und seine Reaktionen darauf. Ich könnte mir gut vorstellen,
daß Du darauf kommst, wo eure Beziehung "gehakt" hat, und
warum er jetzt so reagiert. Daraus könntest Du eventuell auch eine
Strategie entwickeln, wie Du wieder Anschluß an ihn bekommen
könntest.

Bedenke aber: das braucht Zeit. Versuche, Dich zurückzuziehen,
biete ihm keine Angriffsfläche, sei freundlich, aber auch
distanziert. Auch wenn es Dir schwerfällt. Lebe Dich, sei Du selbst,
verstelle Dich nicht, spiele keine "Rolle" ihm gegenüber. Wenn Du
Angst hast vor ihm, dann versuche einen Ort zu finden, wo Du
nicht allein bist , wo Du vielleicht eine Zeitlang wohnen kannst: bei
den Eltern, bei der Freundin, bei einer Tante … Es könnte gut sein,
daß nach einer Weile, wenn die Wogen sich geglättet haben,
wieder eine Annäherung stattfindet – und sei sie auch nur auf
einer freundschaftlichen Ebene. Denn auch er wird sich seine
Gedanken machen, auch wenn er jetzt nicht aus seiner Haut
heraus kann und noch dazu in der männlichen Rolle des Nicht-
Nachgeben-Wollens gefangen ist.

Liebe Grüße und viel Licht und Kraft sende ich Dir,
myrrhe

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