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Ein anderes Beispiel
Anath schrieb am 10. Mai 2003 um 13:54 Uhr (781x gelesen):
Das ist sehr traurig, aber in diesem Fall sind es noch wenige. In Uganda waren es letztes Jahr ca. 400, in Kamerun kann man wegen Hexerei offiziell vor Gericht gestellt werden. Überführt wird man dann dann von entsprechend zugezogenen Wahrsagern.
Anath
Der folgende Artikel stand im Januar in der Süddeutschen.
Kinder, die das Böse erbrechen
Im Kongo hetzen fanatische Sekten Eltern gegen den eigenen Nachwuchs auf – wer den Aberglauben überlebt, wird auf die Straßen Kinshasas gejagt
Von Michael Bitala
Nairobi, 19. Januar – Ein kaputter Kühlschrank, das ist nichts Besonderes, nirgendwo auf der Welt, schon gar nicht in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Kongolesen mit funktionierenden Kühlschränken, das wäre etwas Besonderes. Die meisten können sich so ein Gerät nämlich nicht leisten. Und diejenigen, die eines besitzen, werden meist auch nicht glücklich. Zu oft fällt – wenn es ihn überhaupt gibt – der Strom aus, auch in Kinshasa. In diesem brodelnden, chaotischen, überbevölkerten Tropenzentrum funktioniert so gut wie gar nichts mehr. Sechs, acht oder zehn Millionen Menschen leben hier, keiner weiß, wie viele es genau sind, fast niemand hat Arbeit, fast niemand kann sich das Essen noch leisten, und täglich kommen weitere Hungerleider hinzu– Flüchtlinge, Vertriebene des Bürgerkriegs, und sie machen die Situation nicht besser. Die Kanalisation ist für 300000 Einwohner angelegt, die Müllabfuhr arbeitet seit sechs Jahren nicht mehr, und so liegt über der Stadt ein einzigartiger Geruch – ein Gemisch aus Dieselabgasen, altem Schweiß, kokelnder Holzkohle, vermodernden Müllbergen und dem ätzenden Schlamm der überlaufenden Kanalisation.
Kalumbu Mahonda hatte mal einen funktionierenden Kühlschrank. Dann ging er kaputt. Das war das erste Zeichen. Sie wurde auch noch krank, und kein Arzt konnte ihr sagen, was die Ursache ist. Und als dann auch noch die Maismühle auseinander brach, da wussten sie und ihr Mann, wer schuld ist: ihre Söhne Ikomba und Luwuabisa, der eine acht, der andere zehn Jahre alt. Sie sind Kinderhexen, das war die Diagnose der Eltern. So viel Unglück kann keine natürliche Ursache haben.
Es gibt da noch andere Geschichten, die von Angella zum Beispiel, oder die von Nzuzi, Lambert oder Marie. Aber viele dieser Schicksale kann man nicht erzählen, weil sie zu grausam sind. Manche Kinder waren keine vier Jahre alt, bevor sie mit Bügeleisen, glühenden Kreuzen oder mit Peitschen von selbst ernannten Propheten, Exorzisten oder den eigenen Eltern getötet wurden. Andere, Säuglinge noch, wurden auf den Müll geworfen. Weil sie angeblich von bösen Mächten besessen waren. Ikomba und Luwuabisa hatten Glück, sie wurden nur verjagt.
Der Glaube an Hexerei ist in Afrika weit verbreitet. Aber die Kinderhexen von Kinshasa sind ein neues Phänomen. Bislang nämlich wurden immer nur Erwachsene beschuldigt, schrullige Alte, reiche Verwandte oder auch Behinderte. Kinder waren bislang unverdächtig. Simon Lawson, Chef der Hilfsorganisation Search For Common Ground, schätzt, dass 30000 der insgesamt 40000 Straßenkinder in Kinshasa der Hexerei verdächtigt werden. Ärzte ohne Grenzen oder Save the Children geben ähnlich hohe Zahlen an. „Viele werden von ihren eigenen Eltern gefoltert. Vor den Verwandten und Nachbarn wird das Geständnis erpresst, dass die Kinder tatsächlich verhext und besessen sind“, sagt Lawson. Danach werden sie hinaus in das Straßengewirr der Stadt gejagt, wo sie an fast jeder Ecke, im Hafen oder auch vor dem Denkmal des ermordeten Staatschefs Laurent Kabila herumlungern.
Die Kongolesen haben ja allen Grund dazu, sich von bösen Geistern verfolgt zu sehen. Das Leben hat es noch nie gut gemeint mit ihnen. Erst wurden sie von den Belgiern unterdrückt und ausgebeutet, dann vom Diktator Mobutu, und als dieser endlich gestürzt wurde, brach der Bürgerkrieg aus, das schlimmste Gemetzel der Gegenwart, zwischen zwei und drei Millionen Menschen sollen schon gestorben sein. Solch monströses Unglück kann keine natürliche Ursache haben, davon sind viele Kongolesen mehr denn je überzeugt – und bestärkt werden sie in diesem Glauben von fanatischen Sekten, die in Kinshasa enormen Zulauf haben. Hunderte gibt es, ihre Chefs predigen in Blechbaracken und Hinterhöfen vom Teufel und vom Weltuntergang. Einige haben auch Listen erstellt, anhand derer die Eltern erkennen könnten, ob ihre Kinder mit bösen Mächten paktieren. Wenn sie nachts ins Bett machen, wenn sie Dinge fallen lassen, wenn sie aufsässig sind. Der selbst ernannte Prophet Onokoko ist für seinen Exorzismus berühmt und berüchtigt. Er lässt selbst Dreijährige wochenlang hungern, oder er würgt sie, bis sie „das Böse erbrechen“.
Die Musikgruppe La Chytoura hat vor kurzem ein Lied über die Kinderhexen von Kinshasa geschrieben, es soll, so der Sänger Romain Mazamba, den Menschen zeigen, dass ihr Aberglaube Unsinn ist, und mehrere Hilfsorganisationen kümmern sich jetzt um die Ausgestoßenen. Doch selbst die Helfer können zum Problem werden. Der kongolesische Mitarbeiter einer amerikanischen Hilfsorganisation sagte vor kurzem: „Unsere größte Herausforderung ist, die echten von den falschen Kinderhexen zu unterscheiden. “
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