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Re: Wachkoma
myrrhe schrieb am 17. März 2004 um 22:04 Uhr (784x gelesen):

Hallo Maria,

zunächst einmal: es gibt in Deutschland eine Selbsthilfegruppe:
Schädel-Hirnpatienten in Not eV.
Bayreuther Straße 33, 92224 Amberg
Tel: 0 96 21/64 800 – Fax: 0 96 21/63 663
email: schaedel-hirn@t-online.de
http://www.schaedel-hirnpatienten.de/

Da meine Schwiegermutter zweieinhalb Jahre im Wachkoma lag (in Österreich
allerdings), weiß ich ziemlich gut, worauf es ankommt.
Am allerwichtigsten ist es, ständig mit dem Patienten zu arbeiten, ihn nicht
unbeachtet liegenzulassen. Er muß regelmäßig (vorsichtig) bewegt werden,
sollte aufgesetzt werden, die Muskeln müssen gedehnt werden, sonst
verkümmern sie. Ganz wichtig ist die Ansprache des Patienten. Da er, wie Du
schon richtig sagst, alles mitbekommt, aber nicht mit dem Körper agieren
kann, bedeutet das: der Patient sollte ins Alltagsleben der Familie einbezogen
werden. Dazu gehört auch: welches Datum ist, welches Wetter draußen, was
die Kinder tun, wie es den Angehörigen geht etc. Alltagsdinge besprechen,
auch Dinge aus der jüngeren Vergangenheit ("weißt du noch"). Berührungen
sind ganz, ganz wichtig, genauso wie die Vermittlung von Dingen, die der
Kranke gern getan hat, wozu er einen Bezug hat. Man kann auch Dinge
mitbringen und ihm in die Hand geben, Gegenstände, die er mochte und die
charakteristisch im Anfühlen sind. Aber den Patienten nicht überfordern,
nicht mit zuvielen Personen oder Dingen bedrängen. Mit der Zeit bekommt
man ein Gefühl dafür, wann er Ansprache möchte, wann er in Ruhe gelassen
werden möchte. Man muß genau hinspüren, dann erkennt man die winzig
kleinen Signale.
Und der meiner Meinung nach wichtigste Grundsatz: einen Apalliker sollte
man immer als vollwertigen Menschen betrachten und nicht wie einen, der
kein Bewußtsein mehr hat! Also ganz normal mit ihm reden, nicht wie mit
einem Schwerstbehinderten! auch wenn er nicht antworten kann. Man sollte
genau auf kleinste Regungen, Pupillenbewegungen, ein winziges Zucken mit
dem kleinen Finger achten. Daraus kann sich, in der Folge, eine
Kommunikationsmöglichkeit ergeben.

Was die Therapie angeht: es gibt in Deutschland spezielle Kliniken und
Sanatorien für Apalliker. Dort ist man auf die langsame Reanimation
eingestellt. Musiktherapie, wie Helena erwähnt hat, gehört dort zum festen
Programm, ebenso wie andere Arten von Ansprachen. Um den Körper zu
beleben, haben sie dort Maschinen, in denen der Kranke senkrecht gestellt
wird und Beinbewegungen wie beim Gehen durchführt.

Die schönste Betreuung eines Apallikers ist natürlich die zu Hause. Dazu
bedarf es aber genauer Vorbereitungen und Besorgungen, wobei man sich
gleich erkundigen sollte, was man selbst bezahlen muß, was die Kasse zahlt,
was eventuell ausgeborgt werden kann. Dazu gehören Krankenbett und
Wundliegematratze ebenso wie der Absaugapparat, die Vorrichtungen für die
Magensonde, die Sauerstoffflasche sowie Pflegeprodukte in stets ausreichend
vorrätiger Menge. Das ist teuer, und man sollte sich im vorhinein erkundigen,
was alles wieviel kostet, und was die Kasse zahlt, was man gegebenenfalls
ausleihen kann. Natürlich sollte Pflegepersonal rund um die Uhr zur
Verfügung stehen, denn die Luftröhre muß auch in der Nacht abgesaugt
werden; d. h. der Patient muß auch nachts überwacht werden.
Wenn der Patient nicht daheim gepflegt werden kann, gibt es die Möglichkeit
der Pflege in einem Heim. Nachteil ist, daß er dort nicht dauernd bewacht
werden kann und eventuell auch stundenlang allein liegt, was beim
notwendigen Absaugen Probleme machen könnte. Auf jeden Fall sollte man
so ein Heim vorher genau anschauen und sich auch gegebenenfalls nach
seinem Ruf erkundigen.

Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig helfen, und ich wünsche von Herzen, daß
die Patientin es schafft und wieder erwacht! Da sie noch so jung ist, ist die
Wahrscheinlichkeit durchaus gegeben, und eine spezielle Therapie in einer
Klinik sicher sehr hilfreich.

Liebe Grüße,
myrrhe

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