Vollsalz, sieh mal
einer an schrieb am 18. Juli 2003 um 4:05 Uhr (847x gelesen):
Folgendes zum Thema Vollsalz und Periodensystem. Vollsalz hat nichts mit dem Periodensystem zu tun, außer daß der Jodgehalt festgelegt wird.Aber lest selber wenn ihr in der Schule nicht aufgepasst habt:
20 Jahre Aufklärung zur Behebung des Jodmangels - Maßnahmen und Erfolge
Bemühungen zur Behebung des endemischen Jodmangels in Deutschland mittels Jodsalz sind zwar bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurückzuverfolgen, konkret wur-den diese jedoch erst 1959, als die Jodierung von Speisesalz zur Verhütung von Jodmangelkrankheiten neu geregelt wurde. Dies erfolgte zunächst durch die damalige Diät-Fremdstoff-Verordnung, später dann im Rahmen der Diätverordnung. Allerdings sahen diese Regelungen noch keine systematische und flächendeckende Kropfprophylaxe vor. Vielmehr enthielt jodiertes Speisesalz - das damals als Vollsalz vorwiegend nur in süddeutschen Regionen angeboten wurde - den auf der Packung vorgeschriebenen Warnhinweis "nur bei ärztlich festgestelltem Jodmangel verwenden". Dieser Warnhinweis war nicht nur praxisfremd, sondern hatte auch viele potentielle Verbraucher abgeschreckt. Der Marktanteil von Vollsalz betrug deshalb bis 1981 auch nur etwa ein Prozent.
1981 erfolgte dann auf Vorschlag der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie eine Neufassung der Diätverordnung, mit der der Jodgehalt im jodierten Speisesalz von 3 bis 5 auf 15 bis 25 mg/kg Speisesalz angehoben und zur Verbesserung der Stabilität anstelle von Jodid das lagerbeständigere Jodat zugelassen wurde. Außerdem entfiel der Warnhinweis auf den Salzpackungen.
Die Verwendung von jodiertem Speisesalz war allerdings weiterhin nur im Haushalt zulässig und unterlag dem Freiwilligkeitsprinzip. Die Folge: Nur ein geringer Prozentsatz machte von der gebotenen Prophylaxemöglichkeit Gebrauch, obwohl die gesundheitlichen Folgen des Jodmangels gravierend waren: So kamen gebietsweise bis zu 17 Prozent der Neugeborenen bereits mit einem Kropf zur Welt. Über 35 Prozent der Schulkinder hatten nachweislich eine durch Jodmangel vergrößerte Schilddrüse. Ferner konnte bei 15 Prozent der Gemusterten ein tastbarer Kropf festgestellt werden.
Ein Durchbruch bei der Verbesserung der Jodversorgung konnte also nur mit verstärkter Aufklärung und einer breiteren Verwendung von Jodsalz erreicht werden. Da der Jodmangel primär ein Ernährungsproblem ist, lag es nahe, die Ernährungswissenschaft und Ernährungsberatung intensiver in diesen Problembereich einzubinden. Zusammen mit den Mitgliedern der Präsidien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie wurde deshalb 1984 der Arbeitskreis Jodmangel gegründet und Prof. Dr. Dieter Hötzel, der damalige Direktor des Instituts für Ernährungswissenschaft der Universität Bonn, zum Sprecher gewählt.
Wesentlichste Aufgabe des Arbeitskreises war und ist es, die Bevölkerung, aber auch Ärzte sowie Mittlerkräfte aus dem Bereich der Ernährungsberatung, des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Krankenkassen u. a. über Verbreitung, Folgen und Abhilfemöglichkeiten des Jodmangels zu informieren. Gleichzeitig galt und gilt es weiterhin, gesetzgeberische Initiativen zu entwickeln, um damit die rechtlichen Voraussetzungen für eine breite Verwendung von jodiertem Speisesalz zu schaffen (siehe Grafik 1).
Dabei wird der Arbeitskreis Jodmangel nicht nur vom Bundesministerium für Gesundheit und den Sozial- und Gesundheitsministerien der Länder unterstützt, sondern auch von einer Vielzahl von Fachinstitutionen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e.V. beispielsweise hat von Beginn an bei Ernährungsempfehlungen immer wieder auf die Bedeutung einer ausreichenden Jodversorgung, insbesondere bei Schwangeren und Stillenden, hingewiesen und in den Folgejahren aktiv an der Durchführung landesweiter Jodaktionswochen mitgewirkt.
Gleiches gilt für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln, die durch Bereitstellung und breiten Einsatz von Informationsmaterial, durch groß angelegte Mailingaktionen, vor allem aber durch die Einführung des Jodsiegels im Jahre 1996 wesentlich zur Aufklärung der Bevölkerung und Motivation wichtiger Zielgruppen wie Bäcker, Fleischer und Unternehmen der Lebensmittelindustrie beigetragen hat. Breite Unterstützung ging auch von der deutschen Ärzteschaft, vom öffentlichen Gesundheitsdienst, von Krankenkassen, von der Ernährungsberatung und von Schulen u. a. Bildungseinrichtungen aus. Auch der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat seit 1994 in jedem seiner Gutachten auf die Bedeutung der Jodprophylaxe hingewiesen.
Alle diese Institutionen arbeiten gemeinsam mit dem Arbeitskreis Jodmangel auf ein Ziel hin: Auf die Optimierung der Jodversorgung und somit die Beseitigung aller gesundheitlichen Folgeprobleme des Jodmangels. Vorrangiges Ziel ist es dabei, Jodsalz in die gesamte Nahrungskette einzubringen, immer nach dem Motto: "Wenn Salz - dann Jodsalz".
Für den Arbeitskreis Jodmangel ergibt sich daraus folgende Aufgabenstellung:
Schaffung eines verstärkten Jodbewusstseins durch Aufklärung über die Bedeutung von Jod, über Jodmangel, seine Verbreitung und gesundheitlichen Folgen inklusiv Abbau von teilweise noch bestehenden Vorbehalten bzw. Verunsicherungen.
Aufzeigen der sich bietenden Prophylaxemöglichkeiten wie häufigerer Seefischverzehr, ausschließliche Verwendung von Jodsalz zur Speisenzubereitung, Bevorzu-gung von mit Jodsalz hergestellten Lebensmitteln und Einnahme von Jodtabletten (insbesondere für Schwangere und Stillende, für die spezielle Aktionen gestartet wurden).
Weckung der Bereitschaft zur Jodsalzverwendung in allen Bereichen, in denen Speisesalz verwendet wird (Privathaushalt, Gemeinschaftsverpflegung, Bäcker, Fleischer, Lebensmittelindustrie)
Initiativen auf gesetzgeberischer Ebene zur Schaffung der rechtlichen Vorausset-zung für die Jodsalzverwendung in allen Bereichen
Information und Motivation von Medien, Fachorganisationen, wissenschaftlichen Gesellschaften, Ärzten und Fachkräften der Ernährungsberatung mit dem Ziel, diese als Multiplikatoren aktiv an der Verbesserung der Jodversorgung teilhaben zu lassen
Überprüfung der Wirksamkeit verschiedener Formen der Prophylaxe auf die ge-sundheitlichen Auswirkungen durch dafür geeignete Studien (z.B. Jod-Monitoring)
Zur Erreichung dieser Ziele waren zunächst neue rechtliche Regelungen notwendig, die in den Folgejahren nach und nach umgesetzt wurden. Besondere Meilensteine auf dem Weg zu einer besseren Jodversorgung waren:
1989: Jodsalz ist nicht länger Diätlebensmittel sondern Lebensmittel des allgemei-nen Verzehrs. Der Einsatz von Jodsalz in der Lebensmittelherstellung sowie in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung wird ermöglicht.
1991: Die Verwendung von Jodsalz für die Herstellung von Wurst/-Fleischwaren (als jodiertes Nitritpökelsalz) wird erlaubt. Ferner wird die Anreicherung von Säuglingsmilch und Säuglingsbreinahrung mit Jod möglich.
1993: Die Kenntlichmachungsvorschriften für mit Jodsalz hergestellte Lebensmittel werden neu geregelt:
bei verpackten Lebensmittel reicht ein Hinweis im Zutatenverzeichnis
bei lose verkauften Lebensmitteln sowie in der Gemeinschaftsverpflegung ist eine Kenntlichmachung nicht erforderlich, freiwillige Angaben sind jedoch erlaubt. Ferner wird der Begriff "Jodsalz" erlaubt.
1996: Einführung des Jodsiegels durch das Bundesministerium für Gesundheit und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Auf dieser Basis war in den Folgejahren eine gezielte Ansprache der für die Jodversorgung wichtigen Zielgruppen durch den Arbeitskreis Jodmangel und andere Fachinstitutionen möglich. Vorrang hatten dabei vor allem Fachkräfte des Gesundheitswesens (öffentlicher Gesundheitsdienst, Gesundheitsämter, Ärzte, Apotheker, Hebammen, Mütter-/Schwangerschaftsberatungsstellen, Krankenkassen, betriebliches Gesundheitswesen) und der Ernährungsberatung, die als Multiplikatoren wesentlichen Einfluss auf Verantwortliche in der Gemeinschaftsverpflegung, im Lebensmittelgewerbe und in der Lebensmittelindustrie haben. Multiplikative Langzeiteffekte gingen ferner vom Bildungswesen (Kindergärten, Schulen, Ausbildungs- und Fortbildungsstätten etc.) aus, das vor allem in den letzten Jahren mit speziellen Zielgruppenmedien beliefert und ausgestattet wurde. Je nach Zielgruppe kamen dabei u. a. folgende Kommunikationsformen zum Einsatz:
Herausgabe und gezielter Einsatz von speziellen Zielgruppen-Informationsmaterialien (Handzettel, Merkblätter, Broschüren, Plakate, Aufkleber, Unterrichtsmaterial, Filme, etc.) für Ärzte, Ernährungsfachkräfte, Erzieher, Lehrer, Bäcker, Fleischer, Verantwortliche von Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, der Lebensmittelindustrie und andere.
Direkte Gespräche und Fachveranstaltungen für Multiplikatoren, Verbraucher und Medien wie Fortbildungsveranstaltungen und Symposien für Ärzte und Ernährungsberaterinnen, Infoveranstaltungen für Verbraucher, Diskussionsforen u. a.
Persönliche Briefaktionen und Massenmailings für spezielle Zielgruppen wie Kindergärten, Schulen, Gesundheits- und Ernährungsberatungswesen, Ärzte, Lebensmittelindustrie, etc.
Kongress- und Veranstaltungspräsenz durch Vorträge von AKJ-Mitgliedern und Infostände mit Fachberatung bei medizinisch-wissenschaftlichen und Ernährungskongressen sowie bei Fachmessen
Aufklärungsaktionen wie landesweite Jod-Aktionswochen (bisher in Thüringen, Sachsen, Hessen und Baden-Württemberg) und regionale Informationsveranstaltungen, z.T. in Kooperation mit Institutionen des Gesundheits- und Ernährungsberatungswesen
Breit angelegte Medienaktivitäten über TV, Rundfunk und Printmedien. So wurden allein vom Arbeitskreis Jodmangel über 20 Pressekonferenzen und -gespräche durchgeführt und eine Vielzahl von Presseinformationen herausgegeben. Darüberhinaus standen die Mitglieder des Arbeitskreises Jodmangel für zahlreiche Interviews, Experten- und Hintergrundgespräche zur Verfügung. Starken Anklang haben in den letzten Jahren auch die Internetseiten des Arbeitskreises Jodmangel gefunden, die monatlich von bis zu 10.000 Interessenten angeklickt werden.
Alle diese Aktivitäten führten im Laufe der Jahre zu einer mehrfachen direkten und indirekten Verbraucheransprache. Dadurch konnte nicht nur das Jodbewusstsein der Bevölkerung stärker ausgeprägt, sondern vor allem der Nutzen von Jodsalz im Rahmen der Kropfvorsorge überzeugend dargestellt werden.
Heute hat sich Jodsalz auf breiter Ebene durchgesetzt. Der Anteil von jodiertem Speisesalz am gesamten Speisesalzabsatz in Haushaltspackungen ist von etwa 1 Prozent im Jahr 1981 auf über 70 Prozent im Jahre 2000 gestiegen (siehe Grafik 2), der Anteil von Großgebinden von etwa 5 Prozent im Jahr 1993 auf 35 Prozent im Jahr 2000.
Jodsalz verwenden derzeit etwa
75 - 80 Prozent der Privathaushalte
90 Prozent der Einrichtungen für die Gemeinschaftsverpflegung
60 - 70 Prozent der Bäcker und Fleischer zur Herstellung von Back- und Fleischwaren
ca. 40 Prozent der industriellen Lebensmittelproduzenten.
Mit Jod angereichert sind ferner alle Fertigmilchprodukte für Säuglinge und ein Großteil der Getreidebeikostprodukte für Säuglinge.
Die Jodversorgung hat sich dadurch wesentlich verbessert. Der Volkskrankheit Kropf konnte dadurch wirksam und kostengünstig vorgebeugt werden:
die Zahl der Neugeborenen, die mit einem Kropf zur Welt kommen, ist auf etwa 1 Prozent zurückgegangen
statt 30 - 70 µg nehmen Jugendliche und Erwachsene mit der Nahrung heute durchschnittlich ca. 120 µg Jod/Tag auf (siehe Grafik 3). DGE-Empfehlung: 180 - 200 µg Jod/Tag
Schulkinder sind gebietsweise nahezu optimal mit Jod versorgt.

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- Vollsalz, sieh mal ~ einer an - 18.07.2003 04:05 (4) [neu]