Was versteht man unter natürlicher Lebensweise?
Yama bedeutet Nicht-Verletzen anderer Lebewesen, Wahrhaftigkeit,
Nicht-Stehlen, Enthaltsamkeit und Begierdelosigkeit. Niyama bedeutet Reinheit
an Körper und Geist, Zufriedenheit unter allen Bedingungen und Gehorsam
(dem Guru gegenüber).“
Um zu wissen, was unter natürlicherer Lebensweise zu verstehen ist, müssen wir sie zunächst von der unnatürlichen unterscheiden können. Unsere Lebensweise ist erstens durch die Nahrung, zweitens durch den Wohnplatz und drittens durch unseren Umgang bedingt.
Um zunächst unsere natürliche Nahrung zu wählen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Bildung jener Werkzeuge, das heißt Organe unseres Körpers richten, die der Nahrungsaufnahme und Verdauung dienen, d.h. auf die Zähne und den Magen-Darm-Kanal, ferner auf die natürliche Neigung der Sinnesorgane, welche die Tiere zu ihrer Nahrung hinlenkt, und schließlich auf die Ernährung der Kinder.
Beim Betrachten der Zähne finden wir, daß die Schneidezähne
der fleischfressenden Tiere nur wenig entwickelt sind, daß ihre Eckzähne
jedoch von außergewöhnlicher Länge sowie glatt und spitze
sind, um die Beute packen zu können, und daß die Backenzähne
ebenfalls spitz sind. Diese Spitzen schließen jedoch nicht aufeinander,
sondern dicht nebeneinander, um das Zertrennen von Muskelfasern zu erleichtern.
Bei den pflanzenfressenden Tieren sind die Schneidezähne auffallend
stark entwickelt, die Eckzähne aber verkümmert.
Die Backenzähne habe eine breite Kaufläche. Bei den fruchtfressenden
Tieren sind alle Zähne von ziemlich gleicher Höhe, die Eckzähne
ein wenig vorstehend, kegelförmig und stumpf. Die Backenzähne
haben eine breite Kaufläche, die mit Schmelzfalten versehen ist, um
Nahrungsverlust zu vermeiden; sie sind jedoch nicht zugespitzt, um das
Kauen von Fleisch zu erleichtern. Wenn wir jetzt die Zähne beim Menschen
betrachten, so finden wir, daß sie weder derjenige der fleischfressenden
noch der pflanzenfressenden gleicht. Sie gleicht hingegen genau derjenigen
der
fruchtfressenden Tiere. Daraus ziehen wir die Schlußfolgerung, daß
der Mensch ein fruchtessendes Tier ist
Wenn wir die natürliche Neigung der Sinnesorgane, betrachten, so
finden wir, daß die fleischfressenden Tiere beim Anblick ihrer Beute
wie verzückt sind; ihre Augen beginnen zu funkeln, sie packen ihre
Beute im Sprung und lecken begierig das Blut auf. Das pflanzenfressende
Tier hingegen läßt selbst seine natürliche Nahrung unberührt
stehen, wenn diese nur mit ein wenig Blut besprenkelt ist.
Und ebenso finden wir, daß die furchterregenden Tiere durch ihre
Sinne stets zu den Früchten der Bäume und Felder hingezogen werden.
Auch bei allen Menschenrassen können wir beobachten, daß Ihre
Sinne sie niemals dazu veranlassen, ein Tier zu schlachten; sie können
nicht einmal den Anblick des Tötens ertragen. Aus diesem Grunde werden
die Schlachthäuser möglichst weit draußen vor der Stadt
angelegt; oft bestehen sogar strenge Vorschriften, die ein unbedecktes
Transportieren von Fleisch verbieten. Kann Fleisch daher als die natürliche
Nahrung des Menschen angesehen werden, wenn sich sowohl seine Augen als
auch seine Nase heftig dagegen sträuben. Wie sehr entzückt uns
dagegen der Duft von Früchten, bei deren bloßem Anblick uns
schon das Wasser im Munde zusammenläuft! Auch haben gewisse Körner
und Wurzeln, selbst wenn Sie noch unzubereitet sind, einen angenehmen,
wenn auch schwächeren Duft und Geschmack. Diese Untersuchungen führen
uns also wieder zu dem Schluß, daß der Mensch als fruchtessendes
Tier angesehen werden muß.
Andere Nahrungsmittel sind unnatürlich für den Menschen, und da sie dem Körper nicht zusagen, sind sie notwendigerweise Fremdstoffe für ihn. Diese Fremdstoffe werden vom Magen nicht richtig assimiliert, und wenn und wenn Sie ins Blut gelangt, sammeln sie sich in den Ausscheidung- oder anderen Organen an, die nicht darauf eingestellt sind. Wenn sie keinen Weg nach außen finden, senken sie sich, dem Gesetz der Schwerkraft zufolge, in die feinen Spalten des Gewebes, wo sie in Gärung geratenen, geistige und körperliche Krankheiten hervorrufen und letzten Endes zu einem frühzeitigen Tod führen.
Versuche haben ergeben, daß die reizlose, natürliche Kost der Vegetarier besonders gut für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder ist, daß Geist, Verstand, Wille, Gefühlsleben, besondere Fähigkeiten und der allgemeine Gemütszustand dadurch richtig entwickelt werden. Bei Anwendung von drastischen Mitteln jedoch, wie übertriebenem Fasten, Kasteien oder klösterliche Abgeschlossenheit, die oft zur Unterdrückung der natürlichen Leidenschaften auferlegt werden, stellen sich die gewünschte Resultate nur selten ein. Dagegen lehrt die Erfahrung, daß der Mensch diese Leidenschaft dann leicht überwinden kann, wenn er eine natürliche, reizlose Kost zu sich nimmt. Dadurch gewinnt der geistige Ruhe, und diese ist die beste Voraussetzung für jede geistige Arbeit, gute Auffassungsgabe und scharfes Denken.
Aus: "Die Heilige Wissenschaft" von Jnanavatar Swami Sri Yukteswar Giri (S. 60-67) gekürzt.
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