Mein plötzlicher Übertritt in diese völlig unangekündigte neue Lebensart hatte auf meine irdische Familie den Effekt einer Granate, die während eines beschaulichen Sonntagsfrühstücks in jemandes Haus einschlägt. Meine Eltern glaubten strikt daran, uns Kindern die Freiheit zu geben, unseren eigenen Eingebungen zu folgen; ihre Sorge um mein Glück machte sie jedoch alles andere als gleichgültig gegenüber Begebenheiten, die sie wie ein plötzlicher Anfall von Geistesverwirrung trafen.
Einige Wochen nach meiner Ankunft auf Mt. Washington erhielt ich einen Brief von Father Kernan, dem Assistenz-Seelsorger an unserer Kirche in Scarsdale. Ob ich in irgendwelchen emotionalen oder spirituellen Schwierigkeiten sei, fragte er fürsorglich an. Sue und Bud Clewell, Verwandte aus Westwood Village (einem Vorort von Los Angeles) besuchten mich und rieten mir dringend, mich nicht von meiner Familie abzusondern. Mein Bruder Bob schrieb aus New York, um vorzuschlagen, ich könnte bei ihm in ein Wohnungserrichtungsprojekt einsteigen. Dick, mein jüngster Bruder, schrieb vom Williams College: "Hättest Du das, was Du willst, nicht in einem der monastischen Orden Deiner eigenen Kirche finden können?"
Ob durch Zwang oder Liebe—es ist für Leute, die ihr Leben hohen Idealen widmen wollen, nicht ungewöhnlich, sich der Opposition gutmeinender Freunde und Verwandter gegenüberzusehen. Zwischen selbstlosem Idealismus und Weltlichkeit liegt eine fundamentale, unvereinbare Kluft. Die irdisch eingestellte Person fragt vom Leben zuerst: "Was will ich?" Der devotee fragt nur: "Was will Gott?"
Der Durchgang des Herzens ist zu schmal dafür, als dass ihn das Ego und Gott gemeinsam durchschreiten könnten; einer von ihnen muss zur Seite treten und dem anderen Platz machen. Alles, was uns an eine beschränkte Existenz bindet, entweiht dieses göttliche Bildnis in uns. Entsagung ist keine erniedrigende Selbst-Deprivation, sondern eine glorreiche Bestärkung des Universums der Freude, das unser Geburtsrecht ist.
In den Klöstern der Gemeinschaft der Selbstverwirklichung lehrte uns Paramahansa Yogananda, unsere neue Identität als Kinder Gottes in Anspruch zu nehmen und jedes Bewusstsein weltlicher Stränge zurückzudrängen.
"Sir", setzte ich eines Tages an, "mein Vater ...'
"Du hast keinen Vater!" erinnerte mich Meister energisch.
"Gott ist dein Vater. " (17)
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17) "Da er noch zu dem Volke redete, siehe, da standen seine Mutter und
seine Bruder draußen, die wollten mit ihm reden. Da sprach einer zu ihm: Siehe,
deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir reden. Er
antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter, und
wer sind meine Bruder? Und reckte die Hand aus über seine Junger und sprach:
Siehe da, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen
tut meines Vaters im Himmel, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine
Mutter." (Matthäus 12:46-50).
Meister fühlte mit denen, die schwach waren und suchte niemals danach, uns Ideale aufzuerlegen, die jenseits unserer Möglichkeiten lagen. Vielmehr nahm er jeden von uns, wie er war, und versuchte, ihn von dieser Stelle an weiter zu geleiten. So hielten manchmal seine Jünger, selbst in den Klöstern, seine Güte und Hilfsbereitschaft für Nachgiebigkeit und wurden sich niemals darüber klar, wie drastisch in der Tat die innere Revolution war, zu der er sie aufrief. Er war erst nach der totalen Destruktion unserer gedanklichen Beschränkungen zufriedengestellt. Je mehr wir von uns selbst Gott gaben, desto mehr verlangte er von uns, ermutigt durch unsere Bereitschaft.
Ich lächelte immer, wenn ich Leute traf, die seine Liebe in den Begriffen jener kleinen Dinge definierten, die er ihnen gegeben oder für sie äußerlich getan hatte. Wir maßen seine Liebe nicht an dem, was er uns, außer spirituell, gegeben hatte, sondern an dem, was er von uns nahm. Seine wahre Absicht war nicht, die kleinen Schlammpfützen unserer Täuschungen aufzuwühlen und sie für unser Verweilen darin bequemer zu machen. Es ging darum, uns überhaupt aus ihnen herauszuholen. Wenn dieser Prozess bedeutete, uns zeitweiligem Schmerz zu unterwerfen, wich er dieser Aufgabe ebenso wenig aus, wie dies ein gewissenhafter Arzt täte, um seinen Patienten von einer ernsthaften physischen Erkrankung zu kurieren.
Nichts gewann die Zustimmung des Meisters so sehr wie die Bereitschaft, alles für Gott aufzugeben. Entsagung bedeutete für ihn jedoch einen inneren Schritt des Herzens, äußeren Symbolen gegenüber—als potentiellen Ablenkungen von der Ernsthaftigkeit—war er zurückhaltend. Für dieses jetzige Zeitalter empfahl er nur gemäßigte Adoption der äußeren Symbole der Entsagung. Wahrscheinlich fühlte er, dass extremere Beschränkungen zuviel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und so gerade dem Ego, das der Entsagende überwinden will, Nahrung verleihen würden. "Macht aus euren Herzen Einsiedeleien", riet er uns. Man kann nicht sagen, er hätte äußere Formen generell abgelehnt; vielmehr favorisierte er manche dieser Formen. Er legte sein Hauptgewicht aber darauf, sie dazu zu benützen, unsere Hingabe zu internalisieren
"Mischt euch nicht zu nah unter andere", empfahl er uns eines Abends. "Das Verlangen nach äußerer Gesellschaft ist ein Reflex der inneren Sehnsucht der Seele nach Gemeinschaft mit Gott. Je mehr man diese jedoch äußerlich zu befriedigen sucht, desto mehr wird man die Berührung mit dem inneren, göttlichen Begleiter verlieren und umso rastloser und unerfüllter werden."
Regelmäßig führte er uns die Beispiele Heiliger vor Augen, die sich sogar
von Mitbrüdern abseits hielten.
"Klausur", machte er uns klar,
"ist der Preis für Größe."
Jünger, die im Kampf gegen Täuschung Meisters Hilfe suchten, erhielten von
ihm liebevolle Ermunterung und fürsorglichen Rat.
"Würde der Geschlechtstrieb von euch genommen", meinte er eines
Abends in einer Gruppe von Mönchen, "würdet ihr sehen dass ihr euren
größten Freund verloren habt. Ihr würdet jegliches Interesse am Leben
verlieren. Sex wurde euch gebeben, um euch stark zu machen. Wenn ein Boxer nur
gegen Schwächlinge anträte, würde er mit der Zeit selbst schwach werden. Das
gleiche gilt für euer Ringen gegen den sexuellen Instinkt. Je mehr ihr ihn
meistert desto mehr werdet ihr euch als Löwen des Glücks sehen.
"Die drei größten menschlichen Verirrungen sind Sex, Wein (worunter er Intoxikate aller Art verstand) und Geld", pflegte er zu sagen. Dem finanziellen Verlangen ist die Ambition für Macht und Anerkennung verwandt. "Erkennt", sagte Meister, "dass Gott die einzige Macht im Universum ist.
In all euren Aktionen seht Ihn allein als die treibende Kraft; sucht, nur Ihm zu dienen." Er fügte hinzu: "Weltliche Macht, Ruhm und Reichtümer sind wie Prostituierte: niemandem gegenüber loyal. Nur Gott wird euch für immer treu zur Seite stehen."
Das Verlangen nach "Wein" verband der Meister mit der tief in der Seele verwurzelten Sehnsucht, Schmerz und Leiden zu entkommen und die verlorene Erbschaft der Glückseligkeit in Gott zurückzuverlangen. "Pseudoekstase" benannte er alle Intoxikate -selbst jenes übermäßigen Schlafs. Er drängte seine Schüler, den Illusionen eines weltlichen Lebens zu entrinnen—nicht durch das Schwelgen in ihren Sorgen, sondern durch deren Transzendierung in die höhere Intoxation der Seelenfreude. Immer wieder hieß es: "Meditiert; je mehr ihr Gottes Freude in euch kostet, desto weniger Geschmack werdet ihr an jenen bloßen Maskeraden der Ekstase finden. "
Die Zurückweisung der Welt ist nur die negative Seite der Hinwendung zu Gott. Meister legte seine Betonung für gewöhnlich auf das Positive. "Nichts kann dich berühren, wenn du Ihn im Inneren liebst", sagte er uns. Nichtsdestoweniger liegt Schönheit in diesem Akt der völligen Selbstaufopferung an Gott, die die Entsagung sogar in ihrem beschränkenden, negativen Aspekt zu einer der heroischsten und nobelsten Berufungen macht, die dem Menschen möglich sind.
Bernard erzählte mir von folgender Begebenheit: Ein Besucher aus Indien kam, um Paramahansa Yogananda zu sehen. Der Mann wurde von Schwester Gyanamata empfangen, die er herablassend behandelte—als ob sie, da sie ihrem Guru diente, nur des Meisters Bedienstete wäre. Später entschuldigte er sich bei ihr, inspiriert durch das Gespräch mit Meister. "In Indien wird uns beigebracht, alle Frauen als Gattinnen und Mütter zu respektieren", sagte er. "Vergeben sie mir bitte, dass ich es verabsäumt habe, ihnen diesen Respekt früher zu erweisen." Lächelnd schloss er: "Ich biete ihn jetzt an."
Schwester Gyanamata antwortete in ihrer üblichen, unpersönlichen Art: "Schließlich ist die Hälfte der Leute auf der Welt weiblich. Die meisten Frauen werden früher oder später Mütter. Beide Tatsachen enthalten nichts, was besonderen Respekt verdiente. Aber sie mögen, wenn sie wollen, dem Faktum Respekt zollen, dass ich in diesem Leben eine Entsagende geworden bin."
Der Besucher konnte sich nur verneigen. Denn die Aufgabe von egoistischem
Verlangen und von Abhängigkeiten ist letzten Endes der
Grundstein der
Wiederentdeckung dieses inneren göttlichen Imagos, welches allein dem Menschen
Bedeutung im größeren Schema der Dinge verleiht. Dies gilt für alle Leute, ob
verheiratet oder alleinstehend.
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Aus: "The Path" von Donald Walters (Swami Kriyananda), Jünger Yoganandas
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