> > Leben ist wohl kein Ausdruck. Zahlen wäre da passender.
> >
> > Liebe Grüsse
> > Der Narr
>
> Hi,
>
> und was machst Du persönlich dagegen ?
> Würde mich mal interessieren, den ich lerne gerne dazu, hast Du einen Tipp?
>
> Liebe Grüße June
Wenn man diese Diskussion konsequent weiterdenkt, müsste man eigentlich das Forum wechseln und über Werte generell und kapitalistische Auswüchse insbesondere diskutieren. Aus dem Grund bin ich auch eine Verfechterin des bedingungslosen Grundsicherungsmodells. (Das Wort "bedingungslos" ist mir dabei insofern wichtig, als ich es für sehr kontraproduktiv hielte, wenn das Ganze den Charakter eines "Almosens" bekäme.) Alles andere führt dazu, dass es immer mehr konkurrierende ArbeitnehmerInnen gibt, die sich immer unwürdigere Arbeitsbedingungen aufoktroyieren lassen, und immer weniger verdienen, sodass auch die wenigen, die den Sprung hinaus wagen, nicht mehr überleben können - wo unsere Gesellschaft meint, sparen zu können, sieht man ja schon jetzt, an den Altenheimen z.B., wo die Menschen mit Absicht in Kranke verwandelt werden (man bekommt mehr Zuschüsse, wenn ein Mensch krank ist und Infusionen braucht, und man erspart sich das lästige Nahrungs- und Getränkeverabreichen. Zynismusmodus aus.), an der Bildung, an der Kunst. Für Rüstung und Straßenbau ist komischerweise immer genug da.
Ich kenne mehr als einen Menschen, die das zynische Machtspielchen - immer mehr Profit ist, was zählt und sonst nichts - niemand ist doch wohl so blöd, dass ihm/ihr nicht auffällt, dass eine Meldung über Entlassung von Mitarbeitern einer großen Firma einen Kurssprung der betreffenden Aktie nach oben zur Folge hat - oder dass in der Öffentlichkeit versucht wird, das Bild einer krisengeschüttelten Wirtschaft zu zeichnen, während zahlreiche Branchen Gewinne machen wie noch nie und trotzdem immer mehr MitarbeiterInnen entlassen - nicht aushält, der seelisch dabei kaputtgeht, z.B. administrativ ausführendes Organ bei einer Entlassung von Mitarbeitern zu sein, nur die wenigsten sind aber stark genug zu flüchten, und wenn sie es tun, haben sie es heute leider ungleich schwerer, denn wovon sollen denn zusehends verarmte Arbeitnehmerinnen "Luxusartikel" wie Bücher oder Kunst oder Bioobst oder Sportmöglichkeiten (Schuhe, Geräte, Platzmiete) oder Essen in alternativen Läden bezahlen? Ich kauf mir selbst nur äußerst selten Bücher und hol mir die meisten aus der Leihbücherei, weil ich mir das einfach nicht leisten kann.
Das Tragische bei der Sache ist, dass einerseits ein Heer von zwar nicht obrigkeitshörigen aber den "Oberen" weitgehend ausgelieferten Arbeitnehmern und Arbeitslosen so mit aller Gewalt herangezüchtet wird (dass Arbeitslose z.B. nicht einmal mehr einen Urlaubsanspruch haben, und frei verreisen dürfen oder wenigstens 2 Wochen zum Abschalten haben, wo sie sich um Behördenkram nicht kümmern müssen, und auf Abruf für Jobs, die es ohnehin nicht mehr gibt, daheimbleiben müssen, ist der blanke Zynismus), es immer weniger gibt, die überhaupt die wirtschaftlichen Voraussetzungen mitbringen, um sich selbstständig machen zu können, und die die es wagen, einer zunehmend größeren Unsicherheit ausgeliefert sind. Dass zahlreiche Menschen in etwas gezwungen werden, das man früher als Scheinselbständigkeit bezeichnet hätte, jetzt aber legitim ist, und den Menschen die Nachteile beider Systeme auferlegt bei gleichzeitigem Wegfall der Vorteile, ist nur ein weiterer Faktor in dem brutalen System.
Das Paradoxe daran ist, dass die bestehenden Strukturen immer inhumaner werden, aber gleichzeitig auch immer akzeptierter - denn der eine Teil der Bevölkerung kämpft schon zunehmend ums nackte Überleben, ist krank und kaputt und erschöpft - ich kenne Fälle, wo jemandem die Brille zerbrochen ist, und er sich keine neue leisten konnte, auch keine Beihilfe bekam, wo sich ein Schwerkranker 1500 Euro für die lebenswichtige Diagnostik selbst aus eigener Tasche bezahlen musste (trotz vorhandener Krankenversicherung!), zahlreiche Menschen können die Heizkosten nicht bewältigen, angeblich soll es in manchen Gegenden Deutschlands Kinder geben, die in der Schule vor Hunger umkippen, und der andere Teil, der dem es noch halbwegs gut geht, der richtet die Kapitalismuskritik nicht an die großen Firmen, nicht an die Stars, bei denen man bereitwillig hohen Eintritt zahlt (so man ihn sich leisten kann), nicht an die Profisportler, die Unsummen verdienen, nicht an die großen Musikfirmen, die mit einer CD, die in der Herstellung weit billiger ist als früher eine Schallplatte, ein Megageschäft machen, nicht an die DVD-Produzenten, nicht an die Supermärkte, nicht an die Firmen, die über Jahre hinweg Kapital aufgehäuft haben, das oft unter ethisch sehr fragwürdigen Umständen (Umweltverschnutzung, Kinderarbeit, Diebstahl fremden Eigentums (z.B. durch Arisierung)) erlangt wurde, wenn man es bis in die Vergangenheit des jeweiligen Unternehmens zurückverfolgt, (ganz abgesehen davon, dass in diesen Firmen zunehmen inhumanere Firmenphilosophien zu finden sind, wenn auch nicht selten verdeckt, durch eine vordergründige Scheinatmosphäre, wofür z.B. CallCenter ein Paradebeispiel sind, jedenfalls weiche Menschen dort an den Rand, oder nicht selten sogar überhaupt hinausgedrängt werden) sondern an die kleinen Fische, die versuchen, aus diesem System auszubrechen und eine kleine Oase der Freiheit zu schaffen.
Im Sinn menschlicher Werte müsste man eigentlich bei jedem dieser kleinen Fische prüfen, was er/sie anstrebt - das wäre z.B. in so einem Fall für mich zuallererst mal das Verlagsprogramm, in weiterer Folge die Firmenphilosophie, der Umgang mit MitarbeiterInnen - und wenn das Werte sind, mit denen man übereinstimmt, sollte man alles in der eigenen Macht liegende tun, um den Betreffenden/die Betreffende zu unterstützen. Es gibt sowieso immer weniger, die noch die wirtschaftlichen Möglichkeiten dazu haben.
Es ist auch sehr bequem, eine Idee wie die bedingungslose Grundsicherung von vornherin als unrealistisch abzustempeln, und den Menschen zu unterstellen, dass sie dann nichts arbeiten würden. Wer immer das tiefer durchdacht hat, kommt da zu ganz anderen Schlüssen. Und lustigerweise kommen derartige Ideen nicht bloß von der Linken oder von weltfremden Träumern, wie das folgende Interview beweist:
http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=1644.
Und damit es auch einen Grund gibt, warum ich das ins Literaturforum poste:
http://www.siriusonline.de/verlag/produkte.nsf/ISBNSearch/1F7C98C24B3C587AC1257196003D1943?OpenDocument
Alles Liebe
Chord