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Re: ist Herzensliebe erlernbar?
myrrhe schrieb am 22. Februar 2004 um 13:35 Uhr (403x gelesen):

Liebe Irene,

man sollte nie pauschalieren und Musiker als "hochnäsig" und reich
abqualifizieren. Mir scheint, Du hast einen echten Haß auf Klassik entwickelt
("Musikanten"), und es wäre doch interessant für Dich, einmal festzustellen,
warum. Elternhaus?

Um nun mal gleich mit einigen Vorurteilen aufzuräumen:

In früheren Jahrhunderten waren Musiker zugleich Komponisten und
Instrumentalisten, es gab keine Trennung. Sie waren am Hof angestellt, und
es gab keine freien Musiker. Beethoven war einer der ersten freien Musiker.
Hätte er nicht seine "Mäzene" gehabt, die ihn – übrigens freiwillig –
unterstützten: er hätte nicht überleben können.
Freie Musiker im 19. Jahrhundert hatten einen gnadenlosen Überlebenskampf
zu führen, mit ganz wenigen Ausnahmen derer, die zu großer Berühmtheit
gekommen waren. Es gab keine Agenturen; sie mußten sich selbst um
Konzerte, freie Säle (deren Miete sie zu zahlen hatten), Programmzettel,
Plakate bemühen und all dies auch zahlen.

Musiker waren allesamt nicht sonderlich reich – im Gegenteil, Musiker sein
galt als Hungerberuf und war bei den Eltern, deren Sprößlinge sich dazu
entschieden, nicht gut angesehen. Sogar Johann Strauß jr. mußte um seinen
Traumberuf kämpfen, denn der Vater, selbst Musiker, kannte den
gnadenlosen Konkurrenzkampf zur Genüge und zerbrach daran. Ebenso sein
Konkurrent Joseph Lanner übrigens.

Auch Bach war beileibe kein reicher Mann, hatte er doch eine Menge Kinder
zu versorgen. Immerhin sind von ihm fast 1.100 Werke erhalten, ca. noch
einmal so viel ist verschollen – neben seinem Brotberuf aber als Organist,
Kapellmeister, Kantor an verschiedenen Kirchen. Für die Gottesdienste hatte
er jede Woche, für jeden Sonntag, eine Kantate abzuliefern. Schwerarbeit also.

Mozart litt zeitlebens unter Geldnot, und das nicht, weil er ein Verschwender
war, sondern weil er hart arbeiten mußte und viele Aufträge annehmen
mußte, um sich sein Geld zu verdienen: Fürst und Erzbischof hin oder her.
Schubert war zeit seines Lebens bettelarm und ziemlich krank. Er war nicht
eingebildet, sondern ein tiefsinniger Mensch (was man aus seinen Briefen und
besonders aus seinen Werken ablesen kann). In den wenigen Jahren seines
Lebens schuf er ein unglaublich umfangreiches Werk, ohne je dafür anständig
entlohnt worden zu sein.
Mendelssohn Bartholdy war, familiär gesehen, nicht arm: er war aber ein
bescheidener und liebenswerter Mensch (das belegen seine hunderte
veröffentlichte Briefe), der auch ein bescheidenes Leben führte.
Brahms war nicht arm, aber auch nicht reich. Er führte ein durchschnittliches
bürgerliches Leben als freier Komponist. Ebenso Schumann, ebenso Strauss.
Bruckner war in gewisser Weise "verschroben", das war halt sein Charakter,
aber nicht reich, nicht eingebildet – aber ein genialer Komponist und ein
grandioser Organist mit unglaublichem Improvisationstalent.

Strauß Sohn war der erste, der sich eine Art "Agentur" schuf, seine eigene
Familie. Er tat das, was heute gang und gäbe ist. Er spannte seine Brüder ein
und schaffte sich mit Bruder Joseph, der ihn in der Begabung übertraf, seinen
eigenen Konkurrenten (der freilich früh verstarb).

Wagner war in der Tat dekadent, und auch seine Persönlichkeit war nicht gar
so schillernd. Was er hinterlassen hat, ist genial (auch wenn ich es selbst
nicht mag). – Und solche Personen gibt es eben auch, wie überall im Leben.

Wobei wir schon bei dem sind, was Du später angesprochen hast: ob ich
"gelernt" habe, Musik zu mögen. Nun, eine Gegenfrage: wenn Du einen
Partner hast, lernst Du ihn zu lieben, oder liebst Du ihn aus Herzensgrund?
Genauso ist es mit Musik. Ich mag nicht jede Musik und gebe das auch
unumwunden zu – und verhehle dennoch nicht Genialität: siehe Wagner, auch
Strauss oder Mahler. Das kann ich immerhin, aus meiner Ausbildung heraus,
einschätzen. Aber meine Ausbildung hat nichts mit meinem Inneren, meinem
Herzensgefühl zu tun. Das Herz ist nicht erlernbar! Die Liebe ist nicht
erlernbar! man trägt sie in sich, und es ist unsere Aufgabe hier, sie zu
entfalten.

Natürlich hat die Auseinandersetzung mit einer Musikrichtung, in meinem Fall
die Klassik, etwas mit meiner Kindheit zu tun, in der diese sehr gepflegt
wurde. Ich bin damit groß geworden. Andere Menschen sind vielleicht mit
Schlagern groß geworden – oder sie wurden zum Klavierspiel gezwungen und
haßten es, weshalb sie eine anerzogene Abneigung in sich tragen (nur als
Beispiel). Oder wie Du, die Du Gründe suchst, warum Du eine Abneigung
gegen klassische Musik hast: die Biographien der Musiker können da nur eine
Ausrede darstellen – denn Du kennst sie nicht wirklich, ich könnte Dir noch
Dutzende weitere Beispiele armer und ärmster Musiker nennen, deren Werke
Du dann vermutlich genausowenig schätzt, weil die Ursache eine ganz andere
ist, welche auch immer. (Das sollte keine Kritik, nur eine Erklärung sein.).
Vielleicht sind die Ausführungen von mir ja eine kleine Anregung, mal auf die
Suche zu gehen, wo die Abneigung wirklich herkommt.

Einen lieben Gruß Dir,
myrrhe

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