Re: Von Sinnlosigkeit und Warten
Fußgänger schrieb am 3. Februar 2003 um 22:45 Uhr (428x gelesen):
Werter Narr,
> Ich gehöre einfach nicht in diese Welt. Die Zeit geht viel zu langsam vorüber. So muss ich warten, immer nur warten, bis diese Sinnlosigkeit endlich endet. Verdammnis. Strafe.
Ein paar allgemeine Gedanken:
Warum Sinnlosigkeitsempfindungen? Weil ein Ziel nicht näherzukommen scheint? Weil ich spüre, dass die Werte, die ich am höchsten schätzte, sich als unbefriedigend erweisen? Weil die Verbindung zur eigenen Tiefe verloren ging? Weil die Realisierung von Idealen der eigenen Ungeduld zum Opfer zu fallen droht? Es gibt anscheinend viele Ursachen und Perpektiven.
Eine Zeit scheinbarer Sinnlosigkeit trägt schon den Keim der Besinnung in sich, die Aufforderung, Werte, Ziele, Vorstellungen und deren Bezug zu einem selbst zu prüfen.
Ich habe mir manches Mal geholfen mit der intensiven Vorstellung, dass alles, was erreicht werden kann, schon da sei, hier und überall und jetzt, dass ich es nur nicht wahrnehmen könne, weil mir die Sensibilität fehle, was aber letztlich nichts ändere an der Tatsache.
Oder auch der Gedanke, an mich selbst gerichtet: Was ist denn los? Du lebst mitten in der Ewigkeit und kannst dies und jenes nicht erwarten oder befürchtest dies und jenes. Das hat mich manchmal zur Besinnung gebracht, und ich fühlte mich wirklich entlastet, denn: Ich muss nicht irgendwohin (weder physisch noch geistig) gehen oder laufen, denn alles ist schon hier, wenn ich es auch (noch) nicht erkennen kann.
Mag sein, dass dir das in deiner Lage nicht hilft. Mir hat es geholfen.
> Wofür? Ich bin nur ein Mensch, oh wahrhaftig, ich bin nur ein Mensch - noch.
Was ist ein Mensch? Ich glaube: Zu begreifen, dass ein Mensch, jeder von uns, unendlich viel mehr ist als was offensichtlich ist oder auch erahnt werden kann, ist unverzichtbare Stütze eines in irgendeiner Weise geistigen Lebens und kann dauernde Quelle von Sinn und Hoffnung sein. Gefühle von Sinnlosigkeit (die ich selbst auch gut kenne) entstehen, wie ich meine, im Kern dadurch, dass die Beziehung zur Tiefe des Herzens gestört ist, z.B. dadurch, dass der Wert von bestimmten Dingen, Beziehungen, Gefühlen, Ideen, Zielen usw. überschätzt wird und die tiefere Seele sich deshalb einsam fühlt.
Sinnlosigkeitsgefühle signalisieren vermutlich mangelhafte Besinnung (bzw. emotionale Zentrierung), fehlende Empathie mit sich selbst. Insofern wären sie sehr sinnvoll.
Fußgänger
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