Re: von Herzen soll sie kommen
myrrhe schrieb am 1. Januar 2002 um 13:53 Uhr (458x gelesen):
Hallo MV,
das ist genau die Gratwanderung, von der ich sprach. 
Was ich ausdrücken wollte, ist eben das, daß wir 
immer wieder einmal unsere Grenzen in Frage stellen 
und erweitern sollten, sozusagen "immer am Rande 
der Katastrophe", eine Metapher, die mir sehr gut 
gefällt. 
Und daß Kunst aus dem Herzen kommen und dadurch 
die Herzen öffnen sollte. Die Frage nach Modernität 
oder nicht, nach Krach/Kleckserei oder nicht, stellt sich 
dann gar nicht.
Es sollte hier in paranormal jetzt keine Diskussion über 
Kunst entfacht werden – aber:
Wenn  Grenzen überschritten werden, führt das 
gemeinhin zu Aufregung und Abwertung des Neuen. 
So etwa, als im Mittelalter Quarte und Terz in die Welt 
der vollkommenen Konsonanten einbrachen – und gar 
der Tritonus als "Diabolus in musica" bezeichnet 
wurde… oder als um 1600 der continuobegleitete 
Sologesang die venezianische Mehrchörigkeit 
ablöste… oder als die klassische Tonleiter vom 
Zwölftonmusik verdrängt wurde. In einer ganz 
schlimmen Zeit wurde dann auch schon gleich von 
"Entartung" gesprochen.
Seien wir vorsichtig mit der Bewertung von Kunst: was 
heute als (ungewohnter) Krach erscheint, KANN 
morgen allgemein anerkannte Kunst sein… einfach 
deshalb, weil uns ein objektives Bewertungssystem zur 
Zeit des Neuen nicht zur Verfügung steht: wir bewerten 
ausgehend vom Alten. Und das hat auch was mit 
Grenzen zu tun.
Lieber Neujahrsgruß,
myrrhe
 

   Beitrag ist archiviert
  
Diskussionsverlauf: