Re: von Herzen soll sie kommen
myrrhe schrieb am 1. Januar 2002 um 13:53 Uhr (387x gelesen):
Hallo MV,
das ist genau die Gratwanderung, von der ich sprach.
Was ich ausdrücken wollte, ist eben das, daß wir
immer wieder einmal unsere Grenzen in Frage stellen
und erweitern sollten, sozusagen "immer am Rande
der Katastrophe", eine Metapher, die mir sehr gut
gefällt.
Und daß Kunst aus dem Herzen kommen und dadurch
die Herzen öffnen sollte. Die Frage nach Modernität
oder nicht, nach Krach/Kleckserei oder nicht, stellt sich
dann gar nicht.
Es sollte hier in paranormal jetzt keine Diskussion über
Kunst entfacht werden – aber:
Wenn Grenzen überschritten werden, führt das
gemeinhin zu Aufregung und Abwertung des Neuen.
So etwa, als im Mittelalter Quarte und Terz in die Welt
der vollkommenen Konsonanten einbrachen – und gar
der Tritonus als "Diabolus in musica" bezeichnet
wurde… oder als um 1600 der continuobegleitete
Sologesang die venezianische Mehrchörigkeit
ablöste… oder als die klassische Tonleiter vom
Zwölftonmusik verdrängt wurde. In einer ganz
schlimmen Zeit wurde dann auch schon gleich von
"Entartung" gesprochen.
Seien wir vorsichtig mit der Bewertung von Kunst: was
heute als (ungewohnter) Krach erscheint, KANN
morgen allgemein anerkannte Kunst sein… einfach
deshalb, weil uns ein objektives Bewertungssystem zur
Zeit des Neuen nicht zur Verfügung steht: wir bewerten
ausgehend vom Alten. Und das hat auch was mit
Grenzen zu tun.
Lieber Neujahrsgruß,
myrrhe
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