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Oder ist es die Empfindlichkeit?
naurmel * schrieb am
17. Juli 2011 um 13:23 Uhr (1617x gelesen):
Hallo Erzengel,
Du machst Dir tiefe Gedanken.
Wie kommt es, dass Dir zwei Menschen von der gleichen Sache ganz unterschiedlich starke Eindrücke schildern? Liegt es daran, dass der eine intensiver als der andere lebt?
Ist es dann nicht eher die Sensorik jedes einzelnen Menschen, welche die Intensität bestimmt, mit der wir etwas erleben?
Vielleicht ist jeder von uns auf einer Skala der Empfindlichkeit unterschiedlich stark empfindlich für bestimmte Reize?
Dazu könnte auch noch so etwas wie emotionale Hornhaut kommen. Also eine Art innerer Schutz, der starke Empfindungen abschwächt, bevor sie unser Bewusstsein verarbeitet.
Wir Menschen sind die einzigen auf diesem Planeten, die es sich erlauben, ihresgleichen zu verurteilen und zu richten. Das ist vielleicht ein Prinzip unseres Zusammenlebens, das es bei anderen Spezies nicht gibt.
Ein Löwe, der die Kinder seines Vorgängers vor den Müttern tötet, muss sich im hier und jetzt nicht rechtfertigen. Er tut es, weil er es kann und will. Wer richtet ihn? Wer klagt sein Verhalten an?
Ein Schimpanse, der ein kleines Schimpansenbaby ermordet, wird auch nicht zur Rechenschaft herangezogen. Es ist geschehen und die Verwandtschaft beweint den Verlust. Aber der Mörder wird nicht bestraft.
Die Schwere der Taten im Tierreich stehen der Schwere unserer Taten kaum nach. Wir versuchen uns das mit Instinkt und Notwendigkeit zu erklären. Das ist mit krampfhafter Gutgläubigkeit erreichbar.
Warum richten wir uns also gegenseitig für unsere bösen Taten? Und tun wir das wirklich?
Ich sage ja. In fast allen Kulturen werden Mörder und Räuber bestraft. Altersher drakonisch. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Milde im Vollzug gibt es erst seit Rousseau.
Ich stelle mir den ersten Mörder der Geschichte vor: Kain. Er ermordet aus niederen Beweggründen Abel, seinen Bruder. Wer richtet ihn? Und wer spricht das Urteil über ihn? Niemand. Das erledigt er selbst.
Und so ist es auch meiner Meinung nach immer noch. Wir sind unser eigener Richter. Niemand sonst richtet uns.
Wenn wir wegen unserer Taten vor ein weltliches Gericht gestellt werden, dann erlauben wir es einem Menschen, uns im Namen aller oder im Namen Gottes zu richten. Das ist ein Stellvertreter für unser eigenes (eventuell ausgesetztes) Gewissen. Die Strafe kann die Tat nicht ungeschehen machen, sie dient der Befriedung der Geschädigten.
Worauf will ich hinaus? Ein Mörder ist ein Mörder und bleibt einer. Was soll da am Lebensende anders werden? Für das entstandene Leid ist er selbst verantwortlich. Seine Opfer werden durch nichts wieder lebendig. Da kann er jammern und flehen, Gott oder den heiligen Boog anrufen, es ist vergeblich. Er wird sein Leben als Mörder beenden.
Was ist aber mit der Vergebung? Viele Religionen sprechen davon, dass auch ein Mörder um Vergebung seiner Taten bitten soll. So wie man generell um Vergebung bitten kann. Und wen bittet man um Vergebung? Was ist denn sinnvoll? Soll ich mir einen Gott wählen, der mir vergibt? Wessen Vergebung ist denn erwünscht? Idealerweise die Vergebung meiner Opfer. Also täte ich als Mörder gut daran, meine Opfer aufrichtig und reuevoll um Vergebung zu bitten.
Ein Homo Faber steigt spätestens hier aus. Wie soll ich einen Verstorbenen Menschen um etwas bitten? Wie soll er mir denn Vergeben? Das geht nicht.
Nun greift aber das, was Du auch schon geschrieben hast. Im Grunde sind wir alle nur in uns selbst existent. Es geht nicht darum, dass uns ein Verstorbener vergibt. Es geht viel mehr um die Gnade, sich selbst zu vergeben. Und zwar aufrichtig und ehrlich zu sich selbst. Denn die Tat ist geschehen und kann nicht zurück genommen werden. Wenn es also so etwas wie Schuld gibt, dann bleibt diese Schuld bei uns. Niemand kann uns von der Verantwortung unserer Taten entbinden.
Das ist auch der Grund für die Not vieler Soldaten, die auf Befehl hin morden mussten. Sie wissen schon, dass sie das auf Befehl hin getan haben. Und sie wissen auch, dass sie es tun "mussten". So war die akzeptierte Rollenverteilung in dieser Situation. Nur leider akzeptiert unser Gewissen kein Abschieben der Verantwortung auf andere Menschen oder Organisationen. Das geht ein paar Jahre gut, so lange man Kraft zum Verdrängen hat. Aber irgendwann in einer ruhigen Minute entdecken wir unseren Anteil an der Erschaffung des Leides und klagen uns dafür an.
Alles was uns bleibt ist der Versuch, unsere Schuld zu akzeptieren und uns selbst zu vergeben. Sobald wir das einigermassen geschafft haben, können wir auch die Reaktionen unserer Umwelt auf unsere Schuld akzeptieren.
Und das ist auch beim Löwen und beim Schimpansen der Fall. Beide töten im Einklang mit ihrer Vorstellung von Recht und Unrecht, von richtig und falsch. Die Eigenliebe ist groß genug, um die Schuld ohne Schaden auf sich zu nehmen. Begegnet so ein Geschöpf seinem eigenen Mörder, so wird auch das im Einklang mit der Natur der Dinge akzeptiert.
Hast Du schon einmal von einem Hund gehört, der seinem Herrchen die Kastration nachträgt? Oder das Abschneiden der Ohren? Es wird akzeptiert als Teil des Lebens.
Wir Menschen erheben uns über unser Leben und spielen uns zum Richter unserer Mitmenschen auf. Es geht nicht anders. Wir leben auf engem Raum miteinander in sozialen Beziehungen. Ohne Regeln und Tabus würde jede Gesellschaft auseinander brechen. So erklären wir unseren Drang, das Verhalten in eine Moralvorstellung einzubetten, die nur einen Teil unseres Verhaltens abdeckt.
Wenn Gott unser Richter wäre, dann müsste die Erde ein Offener Vollzug sein. Denn wir alle sind Täter. Wir töten ohne Unterlass. In einem Maßstab, der es uns nicht ermöglicht, ohne Verdrängung darauf zu reagieren. Demut ist eine gute Haltung in dieser Welt.
Liebe Grüße
naurmel
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