Interview

Dies hier wurde von mir der Seite www.kriminalportal.de entnommen

Interview mit Solveig Prass: Was ist Satanismus?

Was für Menschen sind die Eheleute Ruda?

Wichtig ist, dass man weiß, dass das gewaltbereite Menschen sind. Sie hätten irgendwann jemanden umgebracht. Sie haben am Ende den Satanismus nur für sich kultiviert, um einen Vorwand zu haben, ihre latente Gewaltbereitschaft auszuleben. Das merkt man auch daran, dass Daniel Ruda zuvor in der rechtsradikalen Szene beheimatet war. Wäre er dort geblieben, hätte er vielleicht einen Ausländer umgebracht. Das kann man so profan sagen: Es ist ein Mord aus niederen Beweggründen, mehr nicht. Erkennbar auch am Schauspiel, das sie bei Gericht aufgezogen haben. Dass die psychologischen Gutachter darauf hereingefallen sind, verwundert mich schon sehr. Der rechtsradikale Hintergrund wurde von einem Kollegen vor Ort, dem Sektenbeauftragten in Witten, Dr. Rüdiger Hauth, recherchiert. Und er bestätigt, dass es sich bei den Zweien nicht um übliche Satanisten handelt. Sie waren am Rande in der Satanismus-Szene und haben das Umfeld nur als Bühne ihrer Gewalttätigkeit benutzt.

Wie sind übliche Satanisten?

Übliche Satanisten entdecken zunächst den Satanismus für sich und setzen dann sukzessive ihre Hemmschwelle herab, die sie vor Gewalt bewahrt. Aber eine solche Abgleitung wie im Fall Ruda ist bisher noch nicht passiert. Deshalb sagen wir auch, die Herabsetzung der Hemmschwelle ist hier durch ganz andere Dinge passiert und der Satanismus wurde einfach als Deckmantel benutzt. Um die Leute am Gericht irre zu führen, um Strafminderung zu bekommen.

Aber sie sagen doch zum Beispiel, sie hätten von Satan den Auftrag zum Töten bekommen...

Das ist die Darstellung der Rudas. Das Gericht sagt, es seien narzisstische Persönlichkeiten, sie seien vermindert schuldfähig, weil sie sich in Abhängigkeit vom Satanismus befinden. Aus meiner Sicht ist das alles gespielt. Den Beweis werden wir bekommen, wenn sie wieder entlassen sind oder Hafturlaub haben. Man kann vielleicht eine Abartigkeit zur Gewaltbereitschaft attestieren, aber wenn eine Gewalttat mit Berufung auf eine Abhängigkeit begangen worden ist, muss das ganz genau überprüft werden. Da hätte man Spezialisten heranziehen müssen.

Es sind also keine "richtigen" Satanisten?

Nein, ganz eindeutig: der Daniel kommt aus der rechtsradikalen Szene und die Manuela kommt eigentlich aus der Gothic-Szene, wo sie aber schon durch ihre Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Das heißt, schon vorher war das Potenzial gegeben. Dann kommt die nützliche Situation, das es den Satanismus gibt - ich berufe mich darauf, um die Straftat begehen zu dürfen und Strafminderung zu bekommen. Sie hatten sich den Deckmantel des Satanismus bereitgelegt, um den Mord begehen zu können und eine Ausrede danach zu haben. Noch mal, sie hätten sowieso jemanden getötet. Am Tag, als der Bekannte von den Rudas getötet wurde, ging auch ein Drohbrief von Daniel an einen Bekannten aus der rechtsextremen Szene. Daran merkt man, was für ein Mensch er ist. Der Adressat hat nichts mit Satanismus zu tun und im Brief kommt kein bisschen Satan vor. Dieser Brief liegt der Polizei vor und ist eigentlich ein ganz wichtiges Beweisstück für seine generelle Gewaltbereitschaft.

Was heißt das in der Konsequenz?

Die Rudas müssen jetzt ins Gefängnis für die vom Gericht festgelegte Zeit (13 und 15 Jahre), bekommen möglicherweise noch Freigang, weil sie ja in psychiatrischer Behandlung sind ... Das läuft letztlich vielleicht auf die selbe Situation hinaus wie bei Frank Schmökel: Weggeschlossen, Freigang, die nächsten Toten. Die Gefahr wird durch diese Strafe nur für vergleichsweise kurze Zeit gebannt. Dort werden sie wieder schauspielern, wie brav sie doch angeblich sind. Wegen guter Führung oder vielleicht gar Heilung setzt man sie nach einiger Zeit auf freien Fuß: dann gibt’s die nächsten Toten. Das sage ich voraus. In 5-10 Jahren ist es soweit.

Hat die Gothic-Szene, aus der Manuela Ruda kam, irgend etwas mit Satanismus zu tun?

Nein, ganz und gar nicht. Gothic versammelt eher linke Ansätze. Vor allem durch deren Anspruch, unpolitisch und human zu sein, sind sie wiederum anfällig, das eine oder andere aus Naivität misszuverstehen und sich benutzen bzw. einfangen zu lassen, als Opfer. Aber der Zusammenhang von Rechtsradikalismus und Satanismus ist gegeben: es sind die selben faschistoiden Wurzeln.

Kann man kurz zusammenfassen, woher der Satanismus kam, was er will...?

Diese satanistischen Logen oder Orden gibt es zum Teil schon seit sehr langer Zeit. Es gibt Gott, also muss da ein Gegenspieler sein. Wo ein Plus ist, ist auch ein Minus. Aus dieser Beschäftigung entstand das, was wir heute Satanismus nennen. Zunächst wurde er später benutzt, um antikirchliche Haltungen zu produzieren. So entstand der Satanismus als Glaube im extremen Gegensatz zur christlichen Kirche. Das änderte sich aber spätestens Mitte des 20.Jahrhunderts, nicht mehr die Kirche, sondern die demokratische Gesellschaft wird zum Gegenpol. Der Satanismus propagiert eine scheinbare Freiheit, Anarchie - ist aber streng hierarchisch aufgebaut. Wer schwach ist, hindert nur und darf getötet werden. Damit sind nicht mehr die Kirchen oder andere Religionen die Gegner, sondern die gesamte Gesellschaft.

Und hier zu Lande...?

In Deutschland wird immer wieder Aleister Crowley als erster und berühmtester Neosatanist ins Feld geführt. Er war zuvor aus anderen satanistischen Organisationen ausgeschlossen worden und gründete dann seinen eigenen Zirkel in Sachsen und hatte die Leipziger Tschaikowski-Straße zur Zentrale seines Netzwerks erkoren. Ständig wird in seinen grausigen Schriften zur Gewalt aufgerufen. Dieser Mensch war durch seine Haltungen und Lebensansichten völlig außerhalb jeder Norm sozialen Zusammenlebens, eigentlich ein klassischer Fall für die Psychiatrie. Die Gefahr gerade für Jugendliche ist, je häufiger man so etwas liest, desto eher gewöhnt man sich daran, desto normaler erscheinen diese Ansichten. Und Jugendliche wollen immer noch ein bisschen mehr. Das wirkt, zusammen mit einer einigermaßen regen Phantasie, um so mehr. Das Problem ist, die einen kommen zum Satanismus und bauen dann die Hemmschwellen ab und die anderen benutzen ihn, um ihre Vorlieben auszuleben. Bis dahin, dass Pädophile in satanistischen Gruppierungen zu finden sind, um ihre Neigungen ausleben zu können.

Man hört, dass kleine Gruppen, vor allem von Jugendlichen, am meisten gefährdet seien?

Ja, wirklich gefährlich, gesellschaftlich betrachtet, sind diese Kleinstzellen, in denen Jugendliche sich quasi über Nacht in einem satanistischen Netzwerk finden. Das beginnt mit drei, vier Leuten und nur wenige Monate später hat man Gruppierungen von 30 und mehr Leuten. Hinterhältig ist, dass die Rekrutierung im Freundeskreis oder beispielsweise - ein aktueller Fall - in einer Skatboardergruppe stattfindet. Wäre ein Ansprechpartner, ein Sozialarbeiter, der freilich von der Kommune bezahlt werden muss, vor Ort, ließe sich vieles verhindern. Aber nein - es wird kurzfristig gedacht und argumentiert: kein Geld. Doch nur wenig später hat man indoktrinierte Jugendliche, massive Straftaten und natürlich ein vielfaches an Kosten.

Es gibt sogar einen Fall, wo der Leiter einer Jugendeinrichtung satanistisch tätig ist, Seancen veranstaltet. Man kann leider nicht gegen diese Menschen vorgehen, solange keine Beweise vorhanden sind. Und die Kinder trauen sich kaum, etwas zu sagen. Sie sind zum Schweigen verpflichtet worden, haben auch Angst, so genannte Bannflüche, mit denen die Schweigensverpflichtung unterstrichen wird, könnten tatsächlich wirken, wenn sie etwas sagen.

Wie kann man seine Kinder schützen?

Eigentlich ganz einfach, drüber reden. Eltern und Lehrer trauen sich mittlerweile, mit Kindern über Sexualität zu reden. Aber nicht über Okkultismus oder Satanismus, weil sie sich angeblich damit nicht auskennen. Aber es reicht, mit Kindern darüber zu reden, zu erzählen, dass das Unsinn ist. Dann bleibt es den Kindern negativ im Bewusstsein und damit ist schon viel erreicht. Und wenn man diese Aufklärung rechtzeitig und offen betreibt, so siebte und achte Klasse, wird damit auch der Faszination des Heimlichen entgegen gewirkt. Wenn das Heimliche und Mystische verschwindet, nur die nackten Fakten bleiben, wird’s langweilig. Und dann war’s das, meistens. Eltern haben heutzutage alle Möglichkeiten, sich zu informieren und mit ihren Kindern zu reden. Aber sie müssen es eben machen und nicht warten, dass andere die Aufgabe übernehmen.

Wie kann man sich eine Beratung bei der Eltern- und Betroffeneninitiative vorstellen?

Unsere Beratung ist natürlich kostenlos. Es kommen Aussteiger, es kommen betroffene Eltern. Nur so zur Aufklärung für Interessierte, was ist Satanismus usw., dafür sind wir auch da. Es geht um konkrete Hilfe für Betroffene und Prävention. Wenn sich jemand in eine Sekte oder Kult begibt, ändert er im allgemeinen auch sein Weltbild. Das wird in unseren Gesprächen freilich in Frage gestellt. Meist braucht das einfach viel Zeit, bis sie anfangen, es selbst in Frage zu stellen. Wichtig ist, man muss dann gleichzeitig auch andere, neue Möglichkeiten anbieten. Es geht nicht, zu sagen: "Du musst da weg, weil das schlecht ist". Man muss Alternativen aufzeigen, sich auf Streit und Argumentationen einlassen - und überzeugend sein. Das ist übrigens nicht nur bei Satanisten, sondern allen Sekten und Kulten so. Ein guter Ansatz, an die Menschen heran zu kommen, ist für uns folgender: Fast alle Sekten- und Kultideologien, auch der Satanismus, sind Angst-Glauben. Und jeder Mensch will Ängste loswerden. Diese Leute stehen unter einem permanenten Angst-Stress. Die Angst, sie könnten zum Beispiel von den Eltern ertappt werden, der nächsten Aufgabe in der Gruppe nicht gewachsen sein usw. Aber um diese Ängste loszuwerden, müssen sie die höchste Hürde überspringen: die Angst, sich über die Gruppe zu äußern, da letzteres mit Strafen sanktioniert sein kann. Das reicht von physischer und psychischer Gewalt bis zur Drohung, deswegen das Leben verlieren zu können. Und manchmal passiert das auch.

Wie läuft konkret der Alltag in einer solchen Vereinigung ab?

Zunächst: Die Mitgliedschaft in solchen Gruppen ist einschränkend bis ins letzte Detail des Alltagslebens: Alles, was die Gruppe macht, ist von vornherein gut. Alles was dem zuwider läuft, schlecht.

Es wird immer viel über Rituale geschrieben. Sind die überall gleich?

So viele Gruppen es gibt, so viele Rituale gibt es. Es gibt keine "Feiertagskalender" der schwarzen Messen. Letztlich erfindet jede Gruppe alles neu aus dem, was da ist, setzt es neu zusammen und findet vielleicht hier und da eine ganz neue Verzierung. Das gilt auch für die Logen und Orden. Konstante dabei ist freilich die Grausamkeit bzw. die negative Polarität zu den akzeptierten gesellschaftlichen Normen. Freilich gibt es auch Gruppen, die Menschenopfer oder die eine oder andere Gewalttätigkeit ablehnen; abhängig ist das vom jeweiligen Leiter einer Gruppe.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Zwei Beispiele für Aufnahme-Rituale: Bei einer Gruppe ist es nur im Frühjahr möglich, denn man muss eine Entenfamilie mit Benzin übergießen und anzünden. Eine andere Gruppe ist unabhängig von den Jahreszeiten. Sie verlangt das Fangen einer Taube und anschließend muss der Kopf abgebissen werden.

Alternativen, sagen Sie, müssten den Jugendlichen geboten werden...

Das Anbieten von Alternativen, das notwendig ist, um die Jugendlichen aus den satanistischen Gruppen heraus zu bekommen, wird einem sehr schwer gemacht. Jugendarbeit wird zentralisiert, kleine Klubs in den Stadtteilen geschlossen. Dazu kommt, das zu den Zeiten, wo die Kids "abhängen", so zwischen 15.00 und 23.00 Uhr, kaum betreute Angebote da sind. Da werden die Klubs, die noch nicht ganz wegrationalisiert wurden, ab 21.00 Uhr geschlossen, aber genau dann treten die Werber auf den Plan. Das alles hängt auch mit dem intakten oder eben nicht intakten Gefüge einer Kommune zusammen. Wo sich das Leben in kleinen, überschaubaren Einheiten abspielt, haben es Sekten schwerer. Großstädte, wenn sie denn nicht mit der Jugendarbeit aktiv in den Stadtteilen oder Nachbarschaften sind, sind anfälliger. Die allgemeine Finanzschwäche der Kommunen zieht gerade in diesen Bereichen Kürzungen und Streichungen der Mittel nach sich. Die Probleme werden hier in der Zukunft mit Sicherheit größer und nicht kleiner werden. Das ist in der Praxis gut zu verfolgen: Seit zwei Jahren werden die Mittel für Vereine und Initiativen gekürzt, sie verschwinden bzw. müssen ihre Angebote einschränken. Und gleichzeitig wachsen die Probleme und die Mitglieder im Sektenbereich. Ob nun im Satanismus, bei den Polit-Kulten wie Rechts- und Linksradikalismus oder Ökofaschismus. Und völlig verblüffend ist, dass ältere Jugendliche wie Abiturienten und Studenten in okkulte Bereiche abwandern. Ein Problem ist auch die freie Verfügbarkeit von satanistischen Filmen in den entsprechenden Märkten. 10- und 11-Jährige können sich das unbesehen "reinziehen"

Welche weiteren Probleme sehen Sie? Kann man Satanisten übrigens am Outfit erkennen?

 Erkennen kann man Satanisten kaum. Sie putzen sich höchsten mal für eine Konzert heraus, aber ansonsten sind sie unauffällig bzw. in ihren Zeichen für den Laien nicht zu erkennen.