re[2]: Rudi Berner (Buchvorstellung)
Chord * schrieb am
24. Mai 2010 um 18:48 Uhr (3853x gelesen):
Hallo Axel und Tara,
ich habe das Buch, als es mir vor wenigen Jahren (ich hab kein gutes Zeitgefühl, vielleicht waren es zwei, vielleicht weniger, vielleicht mehr) erstmals unterkam, auch verschlungen - gegen Ende hin dann hat sich mein Lesetempo sehr gebremst, und meine anfängliche Begeisterung ebenso. Und jetzt, beim zweiten Mal Lesen ist es mir wieder sehr ähnlich ergangen.
Vieles in dem Buch erscheint mir hilfreich und "gut" (vor allem diagnostisch - im ersten Teil werden zurecht viele Grundübel unserer Zeit angeprangert), aber keineswegs alles. So finde ich z.B. Papst Johannes Paul II. total verkannt, dem berechtigt neben seiner konservativen Haltung noch (meinem Eindruck und Gefühl nach und auch nach dem, was ich über seine Biografie weiß, völlig daneben) allerlei zutiefst böse Absichten unterstellt werden. Nicht wirklich nachvollziehbar ist für mich auch, dass zunächst mal sämtliche religiöse Schriften, egal welcher Glaubensgemeinschaft, als Machwerke von Menschenhand dargestellt werden, die im Lauf der Geschichte bloß Unfrieden geschaffen haben, dann aber plötzlich die Veden die große Ausnahme sein sollen, die tatsächlich direkt von Gott stammen. Gegen Ende hin erscheint mir immer mehr zunehmend unglaubwürdiger, und doch nur "angelesen" (nicht erfahren), auch wenn einiges recht plausibel geschildert wird und mit entsprechenden Vorstellungen, die anderswo ausformuliert sind (z.B. "7 Himmel", "7 Sphären") übereinstimmt. Das kann natürlich auch an mir liegen, dass ich nicht soweit bin, den eigentlichen Gehalt der Veden wahrzunehmen und auf einer vordergründigen Oberfläche verbleibe. Aber ich bin eher ein Verfechter/eine Verfechterin des Gedankens "alles Wahre ist einfach". Das schließt gewisse Gottesvorstellungen nicht aus (ich hatte selbst mal in der Pubertät ein Gedicht geschrieben, in dem zum Ausdruck kam, dass Gott verschiedenes und alles davon gleichzeitig ist, z.B. männlich und weiblich und geschlechtslos, Teilchen und Welle ...), aber so wie das hier dargestellt wird, erinnert es mich stellenweise eher an eine Art mittelalterliche Heldensage mit fantastischen Elementen oder an eine recht komplizierte Science-fiction-Story. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass Gott es "nötig" hat, die Veden in Schriftform auf die Erde herabzureichen - schließlich kann Gott (per definitionem) doch auf weit direkteren Wegen mit Menschen in Kontakt treten. Das, was ich auszugsweise gelesen hab, aus den Veden, fand ich auch nicht sonderlich inspirierend oder weiterhelfend. (Im Vergleich dazu "gibt" mir nahezu jede Zeile von Khalil Gibran etwas, zum Beispiel.)
Generell halte ich immer Vorsicht angebracht, wenn jemand meint, auf die absolute Wahrheit gestoßen zu sein, und diese hinausposaunt. Auch den vollkommenen Verzicht auf Genussmittel zu predigen halte ich für etwas problematisch - lebenslange AbstinenzlerIn aus Überzeugung zu sein ist auch nur eine Kehrseite des Gegenteils ;-). Und das sag ich, obwohl ich die meisten der Genussmittel eh schon monate- bis jahrelang mir nicht mehr zugeführt hab.
Was den Autor selbst betrifft, teile ich die Ansicht, dass er authentisch ist und ihm eine Verbesserung der Zustände auf der Welt ein echtes Anliegen - das Werk sollte man aber, finde ich, immer auch mit einem kritischen Blick lesen und nicht, nur weil der Autor authentisch ist, alles unhinterfragt "schlucken" - das möchte er ja, soweit ich ihn verstanden hab, auch selbst nicht.
Liebe Grüße,
Chord
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Beitrag zuletzt bearbeitet: 24.5.2010 20:49
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