SOLARIS - Vorträge von Paramahansa Yogananda


Die Lebenszyklen der Erde

Die Welt ist in gewisser Hinsicht ein Lebewesen mit einer vorherbestimmten Lebensspanne. Wir sind die Kinder dieser großen Mutter Erde. Wir nähren uns an ihrer Brust, indem wir die Nahrung, die sie hervorbringt, in uns aufnehmen. Sie nährt uns auch durch die zirkulierenden Sauerstoffströme, das Sonnenlicht und das Wasser ihrer Atmosphäre. Ebenso wie wir Jugend, mittlere Jahre, Alter, Tod und Wiedergeburt erleben, so auch Mutter Erde. Es gibt eine junge Mutter Erde, eine Mutter Erde in mittleren Jahren und eine alte Mutter Erde. Die Erde "stirbt» durch teilweise Auflösung und wird dann wiedergeboren, um den Menschen neues Leben, neue Kraft und eine neue Umgebung zu schenken, in der sie ihr Karma ausarbeiten können. Viele Male schon hat die Erde eine teilweise Auflösung und Wiedergeburt erfahren. Doch ihr vollständiger Tod wird erstdann eintreten, wenn sie sich wieder in Gott auflöst.

Ich will nun kurz die Lebenszyklen der Erde erklären. Diese Zyklen umfassen 24 000 Jahre, die in vier Yugas oder Zeitalter unterteilt sind. 12 000 Jahre lang vollzieht sich im Laufe dieser Yugas eine Höherentwicklung des menschlichen Bewußtseins auf den Zustand der Erleuchtung hin, und während der darauffolgenden 12 000 Jahre versinkt die Menschheit wieder in zunehmende Unwissenheit und in Materialismus. Die beiden halben Zyklen bezeichnet man als Daiva-Yugas. Die Erde hat seit Beginn der Schöpfung schon viele vollständige Zyklen durchlaufen. Die vier Zeitalter jedes Daiva-Yugas heißen Kali- Yuga, das dunkle oder materialistische Zeitalter; Dvapara-Yuga, das elektrische oder atomare Zeitalter; Treta-Yuga, das mentale Zeitalter; und Satya-Yuga, das Zeitalter der Wahrheit oder Erleuchtung.

Dvapara-Yuga, der gegenwärtige Zyklus

Die Erde hat das Kali - Yuga, das 1200 Jahre dauernde materialistische Zeitalter, bereits durchlaufen. Nach den Berechnungen meines Gurus Swami Sri Yukteswar befinden wir uns jetzt im 240. Jahr des Dvapara-Yuga, des zweiten Zeitalters, das 2400 Jahre währt. Obwohl es noch sehr materialistisch anmuten mag, ist es das elektrische Zeitalter im aufsteigenden Zyklus. Bei gründlichem Nachdenken werdet ihr feststellen, daß der Mensch vom Verständnis der grobstofflichen Materie zum Verständnis und zur Anwendung der ihr innewohnenden Energie geschritten ist. In diesem Zeitalter wird der Mensch große Fortschritte auf den Gebieten der Elektronik und Elektromagnetik machen.

Während des aufsteigenden Dvapara-Yuga werden Krankheiten in zunehmendem Maße durch Bestrahlung behandelt und geheilt werden. Die aus Schwingungen bestehende Energie kann in die elektronischen Bereiche der Atome, die Baustoffe der Materie, eindringen, die von den gröberen Chemikalien nicht erreicht werden. Nach Ende dieses Krieges werdet ihr einen merklichen Aufschwung auf dem Gebiet der Elektrotechnik erleben. Die Luftfahrt wird sich enorm entwickeln. Man wird sehr viel mehr mit dem Flugzeug reisen. Heute betrachten manche Leute die Flugzeuge noch mit Argwohn, so wie früher einmal die Eisenbahn; aber Flugzeuge gewinnen bereits die Oberhand, und Züge gehören schon fast der Vergangenheit an. Autos wird man allmählich wie Karren einschätzen.

Ein Problem dieses zweiten Zeitalters ist der Mangel an Sicherheit, denn die Wissenschaft spielt die Rolle einer gespaltenen Persönlichkeit. Der Mensch bedient sich der Wissenschaft nicht nur, um Gutes zu erschaffen und zu vollbringen, sondern auch, um zu zerstören. Daher bietet die wissenschaftliche Entwicklung keine Sicherheit. Der gegenwärtige Weltkrieg zeigt, wie die wissenschaftliche Technologie zur Zerstörung der Menschheit eingesetzt wird. Wir werden aus diesem Konflikt lernen, die wissenschaftlichen Errungenschaften zu nutzen, um größeren Komfort zu gewinnen. Aber solange wir unsere geistigen Kräfte nicht entwickeln, werden wir unsere wissenschaftlichen Kenntnisse weiterhin für zerstörerische Zwecke mißbrauchen.

Die Menschen werden nach diesem Krieg eine Lehre aus den verheerenden Folgen ziehen, die der Mißbrauch der Technik mit sich bringt. Im Ersten Weltkrieg und in früheren Jahrhunderten war ein Kampf mit Tapferkeit verbunden. Aber diese Vorstellung von ritterlicher Tapferkeit ist überlebt. In diesem Krieg will niemand mehr kämpfen. Nachdem er zu Ende ist, wird soviel Angst vor einer Vernichtung der Welt herrschen, daß der Rest der Welt über jede Nation herfallen wird, die versucht, einen Krieg anzuzetteln. Ich sage euch hier Dinge, die noch in ferner Zukunft liegen.

Eine Streitmacht ist in der heutigen Zeit noch nötig. Auch wenn ein Verteidigungsplan gut sein mag, bringt er keinen dauerhaften Frieden. Solange irgend jemand brutale Gewalt anwendet, wird es immer wieder andere geben, die noch brutaler sind. Christus sprach die Wahrheit, als er sagte: «Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen.» Roher Gewalt kann man allein dadurch Einhalt gebieten, daß man der Menschheit die ewige Botschaft Christi und der großen Meister verständlich macht: Allein durch seelische Kraft können Kriege verhindert werden.

Einen dauerhaften Frieden wird es erst dann geben, wenn alle Nationen der Erde fortlaufend Friedensverhandlungen führen und ihre Waffen verschrotten, wenn sie statt dessen dafür sorgen, daß die Elendsviertel der Erde beseitigt werden. Denkt nur einmal, wieviel besser es gewesen wäre, wenn sich alle Nationen und ihre Führer darauf geeinigt hätten, das Geld, das sie in Kriegen verpulvern, zur Beseitigung der Armut in aller Welt zu verwenden. Statt dessen aber werden die Menschen auch nach Ende des Krieges, wenn sich eine Nation der anderen unterwirft, weiterhin in Angst und Armut leben. Die jetzige Kriegsausrüstung wird verschrottet, und Milliarden Dollar werden verschwendet werden. Der Mensch verrennt sich in eine große Dummheit, wenn er sich auf rohe Gewalt verläßt. Wie lange soll das so weitergehen? Und wie läßt sich das ändern? Erst wenn die Nationen ihre Schädel durch den Krieg zerschmettert haben, werden sie ihre Kurzsichtigkeit erkennen.

Aber ich sage euch, daß dieser Krieg für die Freiheit aller unterdrückten Länder ausgefochten wird, auch wenn es nicht so scheinen mag. Die karmischen Kräfte sind am Werk, um Indien und anderen -Ländern, die unter einer Fremdherrschaft stehen, ihre Unabhängigkeit zu verschaffen....

Noch nie hat die Welt soviel Liebe gebraucht wie jetzt. Die Liebe wird wesentlich dazu beitragen, Kriege zu verhindern. Wir wollen alle den Entschluß fassen, Gott zum Polarstern unserer Liebe zu machen, ganz gleich, was geschieht, und diese Liebe allen anderen weiterzugeben. Betet in Gedanken mit mir: «Himmlischer Vater, Du bist Liebe; ich bin Dir zum Bilde geschaffen. Ich bin die Sphäre der Liebe. Ich erweitere diese Sphäre und schließe die ganze Menschheit in das Reich meiner Liebe ein. »

Dieser Krieg wird nicht der letzte sein. Wer gewinnt und dann seine Macht dazu benutzt, gegen andere Nationen Repressalien zu ergreifen, bewirkt damit, daß diese Nationen eines Tages mit noch größerer Kraft zurückschlagen. Das zerstörerische Potential des Menschen ist viel schneller gewachsen als seine schöpferische Kraft. Im elektrischen Zeitalter wird es keine Sicherheit geben. Man wird immer machtvollere und weitreichendere Kampfmittel anwenden. Dankt also Gott, daß das Dvapara-Yuga, das elektrische Zeitalter, nur 2400 Jahre dauert.

Treta-Yuga

Als nächstes kommen wir zum Treta-Yuga, der dritten Ära oder dem dritten Zeitalter, das 3600 Jahre dauert. Das ist das mentale Zeitalter, in dem die meisten Menschen ihre geistigen Kräfte gebrauchen. Die Kräfte des Geistes werden dann weit mehr entwickelt sein als heute. Alles wird hauptsächlich durch diese Kraft erreicht werden. Allgemein wird die Weisheit zunehmen, so daß dieses Zeitalter mehr Sicherheit bietet; die Menschen werden sich aufrichtiger darum bemühen, ihre Probleme auf friedlichem Wege zu lösen. Man wird weniger Gebrauch von Elektrizität machen und statt dessen die Kräfte des Geistes einsetzen. Das heißt aber nicht, daß jeder fähig sein werde, die Gedanken anderer zu lesen. Aber so wie starke Radioempfänger sich auf schwache Sendestationen einstellen können, während schwache Radios nur die Wellen starker Sender empfangen können, werden im mentalen Zeitalter einige Menschen ausgeprägtere geistige Fähigkeiten besitzen als andere.

In diesem mentalen Zeitalter werden wir unsere Mitmenschen durch die Kraft unseres Geistes besser verstehen können, so daß es jedem schwerfallen wird, böse zu handeln. Es wird sehr wenig Heuchelei geben, denn die Leute verstellen sich nur, wenn sie glauben, daß andere ihre wahren Gefühle nicht kennen. Aufgrund dieses größeren Verständnisses wird die Menschheit lernen, mehr in Frieden miteinander zu leben. Man wird die Kraft des Geistes für Heilzwecke einsetzen, und sie wird auch als Nahrung für den Körper dienen.

Satya- Yuga

Nach dem dritten Zeitalter wird das Satya-Yuga folgen, das Zeitalter der Wahrheit, in dem der Geist des Menschen fähig ist, alle Geheimnisse der Schöpfung zu begreifen und im Einklang mit Gott zu leben. Die Menschen dieses Zeitalters werden keine Barriere mehr zwischen der materiellen Welt und dem Astralhimmel kennen - sie werden die Astralwelt betreten und sich mit den dortigen Seelen verständigen können. Das aufsteigende Satya-Yuga wird 4800Jahre dauern. Viele vollkommene Seelen werden in diesem Yuga Befreiung erlangen, mehr als in jedem anderen Zeitalter.

«Die meisten Anthropologen nehmen an, daß die Menschheit vor 10 000 Jahren in einem barbarischen Steinzeitalter lebte, und lehnen daher die weitverbreitete mündliche Überlieferung, die von einer uralten Kultur in Lemuria, Atlantis, Indien, China, Japan, Ägypten, Mexiko und vielen anderen Ländern berichtet, kurzerhand als "Mythos" ab.» ("Autobiographie eines Yogi" v. P. Yogananda)

Doch selbst das Ende des Satya - Yuga kündigt noch nicht das Ende der Welt an. Der Kreislauf wird sich ständig wiederholen und durch alle vier Zeitalter abwärts- und aufwärtssteigen. Zwischendurch wird es verheerende Umwälzungen geben, in denen die Welt untergehen und dann von neuem ihren fortlaufenden Zyklus aufnehmen wird. Die Erde wurde geschaffen, um Seelen ihrer göttlichen Bestimmung zuzufahren; sie trägt eine schwere Bürde. Ehe nicht all unsere Arbeit getan ist - ehe unsere Seelen nicht zu Gott zurückgefunden haben -, wird sich diese Erde niemals vollständig auflösen. Erst wenn Gott die Welt nicht länger für die Evolution der Seelen braucht, wird sie aufhören zu existieren. Dann wird das wahre Ende der Welt kommen. Ihr braucht also nicht zu befürchten, daß unsere Erde in den Glutofen der Sonne stürzen wird, der so heiß ist, daß alle Dinge innerhalb von Sekunden schmelzen und verdampfen würden. Das wirkliche Ende der Welt liegt in weiter Ferne. Vorher gibt es noch viel für sie zu tun.

Erhebt euch über das Zeitalter, in das ihr geboren worden seid

Um frei zu sein, braucht ihr nicht auf das Ende der Welt zu warten. Es gibt einen anderen Weg: Erhebt euch über das Zeitalter, in das ihr hineingeboren worden seid. Im materiellen Zeitalter ist der überwiegende Teil der Menschheit materiell eingestellt. Aber ihr findet auch solche - christusähnliche - Seelen, die ihrer Zeit weit voraus sind. Im mentalen und elektrischen Zeitalter werdet ihr feststellen, daß die Mentalität überwiegt, die charakteristisch für das entsprechende Yuga ist. Gleichzeitig gibt es noch andere Mentalitäten - einige, die höher, und andere, die weniger entwickelt sind. So könnt ihr in unserem elektrischen Zeitalter Menschen begegnen, die noch in der Steinzeit leben. Es gibt immer ein Gleichgewicht: einige, die der Zivilisation, in die sie hineingeboren werden, voraus sind, und andere, die ihrer Zeit nicht gerecht werden.

Durch wiederholte Verkörperungen entwickeln sich die weniger fortgeschrittenen Seelen allmählich höher, bis sie die Mentalität besitzen, die ihrem gegenwärtigen Zeitalter entspricht; mit der Zeit erreichen sie auch eine geistige Stufe, die den künftigen, höheren Zeitaltern entspricht. Die Weltzyklen gleichen einer Wippe, die sich auf- und abbewegt. Wenn wir aber unsere Entwicklung durch richtige Lebensweise und eine geistige Technik wie den Kriya-Yoga beschleunigen, sind wir unserer Zeit voraus und können im jetzigen Leben oder im Laufe von wenigen Inkarnationen Freiheit in Gott finden.

Für uns endet die Welt, wenn wir uns geistig von ihr lösen

Eine andere Art, das Ende der Welt zu erleben, besteht in der Loslösung, die man im Schlaf oder im Traum fühlt, oder wenn man den Verstand verliert oder stirbt. Diese Zustände werden uns aufgezwungen; daher scheint es, daß wir notgedrungen das Ende der Welt erleben müssen. Das erfüllt den Zweck, uns das illusorische Wesen der Welt und die wahre Natur unseres Selbst, der Seele, zu lehren. Wenn die Seele auf die Erde herabsteigt, verstrickt sie sich ins Netz der Täuschung. Durch das Leiden, das dann auf uns zukommt, will uns Gott zu erkennen geben, daß die Welt nicht vollkommen ist. Auf diese Weise hilft Er uns, weniger an ihr zu hängen. Dadurch, daß wir uns nicht mehr mit unserem irdischen Dasein identifizieren, läßt Gott uns erkennen, wie illusorisch unser Dasein hier ist. Je mehr ich von der Welt und ihrer Unvollkommenheit zu sehen bekam, um so fester wurde mein Entschluß, Gott zu finden.

Für uns endet die Welt, wenn wir frei von Wünschen sind

Metaphysisch gesehen ist das Ende der Welt gleichbedeutend mit dem Ende aller irdischen Wünsche. Um eures eigenen Glückes willen müßt ihr danach streben, frei von weltlichen Wünschen zu werden Solange es irgend etwas gibt, von dem ihr meint, daß ihr es nicht entbehren könnt, werdet ihr noch viel Schweres ertragen müssen Stellt euch vor, daß ihr diese Erde verlassen müßtet, ohne daß sich all eure Wünsche erfüllt haben. Diese Wünsche sind Krebsgeschwüre in eurer Seele. Ihr müßtet dann viele Male hierher zurückkehren und immer wieder Herzeleid und Enttäuschungen erdulden, um diese Wünsche zu überwinden.

Aus: "Das Vermächtnis des Meisters" von Paramahansa Yogananda (S.78 - 80, 82 - 85)


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