Leseprobe:
„Leben und Tod ist wie Tag und Nacht.
Sie wechseln im natürlichen Rhythmus. Niemand fürchtet sich
vor der Nacht und niemand hat Angst am Morgen nicht mehr zu
erwachen. Wir haben uns an diesen Wechsel gewöhnt und vor
allem besitzen wir eine Kontinuität der Erinnerung und
Wissen um all die Tage und Nächte aus der Vergangenheit.
Nicht so beim Wechsel Leben und Tod. Das macht die Menschen
ängstlich, lässt sie im Unklaren.
Früher hat die Religion den Menschen die Angst vor dem Tod
genommen. Die Religion hat jedoch an Stellenwert verloren
und es ist nichts Tröstliches an ihre Stelle getreten. Die
Wenigsten können auf Astralreisen zurückblicken, auf jene
nächtlichen Erlebnisse, welche Diesseits und Jenseits wieder
zu einem heilen Ganzen formen. Das ist schade.“
Vayus Gedanken verloren sich wieder in
friedlicher Stille und sein Blick ruhte auf den Konturen der
nächtlichen Baumwipfel und dem silbrigen Glanz des
Nachthimmels darüber. Nach einiger Zeit stellten sich wieder
Gedanken ein:
„Wer ist der Tod? Im Volksglauben ist er ein unheimlicher
Bote Gottes in schwarzer Kutte oder schwarzem Umhang mit Hut
und obwohl nur ein einziges Wesen, so doch omnipräsent. Für
manche ist er eine Kraft, die gestaltlos durch die Zimmer
streicht, Uhren zum Stehen bringt, Spiegel und die Bilder
Verstorbener herabfallen lässt, als Botschaft für die
Hinterbliebenen.
Die Völker gaben ihm viele Namen, verstanden ihn als Engel
Gottes oder als eigenständige Gottheit. Auch ich habe ihn so
gesehen, bis mir dämmerte, dass es viele seiner Art geben
müsste. Wie soll ich sie benennen? Tode klingt sehr
ungewohnt. Todhelfer ebenfalls. Todesengel? Ja, das geht und
ist aus der Religion unserer Herkunft ein verständlicher
Begriff, sogar ein sehr schöner Begriff, denn Engel sind
Boten Gottes und tun Gutes.
Die Aufgabe der Todesengel ist den
Menschen jedoch nach wie vor unklar.
Wie sehe ich es? Viele Menschen sind nach ihrem Tod
desorientiert. Ihre Seelen sind nach dem irdischen Schlaf
noch nicht erwacht und ebenso sind ihre Erinnerungen über
ihre jenseitige Heimat noch nicht zurückgekehrt. Sie bleiben
also dort haften, wo sie ihr Leben gelebt haben, in ihrer
alten irdischen Umgebung. Dies nicht nur deshalb, weil
Wünsche oder Liebe zu Anverwandten sie daran noch binden,
sondern auch deshalb, weil sie keine Alternative kennen. Und
hier treten die Todesengel in Erscheinung. Sie sind Lotsen,
Guides, welche den Seelen den Weg in ihre Heimat zurück zu
finden helfen. Das ist eine edle, selbstlose Aufgabe und hat
nichts mit Morden und Metzeln zu tun. Ein Sterben hat es
immer schon gegeben, auch ohne Todhelfer oder Todesengel. Es
wäre kein Platz für neues, sich höher entwickelndes Leben,
würde das alte Leben nicht dem Neuen weichen. Dass ein
direktes göttliches Eingreifen nötig wäre, damit ein Mensch
überhaupt sterben kann, ist eine Absurdität. Es würde
wiederum heißen, dass die Schöpfung nicht in sich geregelt
wäre und ununterbrochen göttliche Eingriffe zur Korrektur
nötig wären, um die Schöpfung am Laufen zu erhalten.“
„Todesengel sind Helfer, die dem
Menschen beistehen ihren Weg zu finden! Sie tun es in
selbstloser Liebe, obwohl sie von der Mehrheit der Menschen
dämonisiert und verstoßen werden! Dennoch tragen sie es
nicht den Menschen nach, sondern widmen sich ihren
Liebesdiensten. Ich neige mich in Ehrfurcht vor ihnen.“
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