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re: Religion nur eine Hirnanomalie?
tralala * schrieb am 27. Oktober 2005 um 15:59 Uhr (754x gelesen):

Hi ihr,
dazu setze ich euch mal einen Artikel rein
der zwar nicht ganz dazu passt, aber meiner Ansicht auch interessant ist.

GEHIRN&GEIST 1-2/2005

Ulrich Eibach
Professor für evangelische
Theologie an der Universität Bonn und Pfarrer an den dortigen
Universitätskliniken.

Vom Sinn und Nutzen der Religion


Dienen religiöse Rituale einem biologischen Zweck?
Wer diese Frage stellt, darf das subjektive Erleben eines Gläubigen nicht ausklammern!
Unbestreitbar erfüllt auch die Religion gesellschaftliche Funktionen.
Der Anthropologe Richard Sosis etwa sieht den Zweck religiöser Riten darin, den Zusammenhalt und die Stabilität einer Gemeinschaft zu fördern.
Nur so lasse sich erklären, warum der Mensch in religiöse Praktiken so viel Zeit investiere,
statt sich um die Nahrungssuche oder seine Fortpflanzung zu kümmern.
Die entscheidende Frage lautet jedoch, ob die Bedeutung der Religion in ihren gesellschaftlichen Funktionen aufgeht, ob also ihr eigentlicher Sinn in einem derartigen
Nutzwert besteht.
Wer dies behauptet, blendet viele Dimensionen des religiösen Lebens aus,
verfährt also reduktionistisch. Ein Gläubiger wird dies nicht akzeptieren: Denn nicht nur das gesellschaftliche Leben und die darauf bezogene religiöse Praxis, sondern vor allem die
Glaubensinhalte selbst stellen für ihn wichtige Bestandteile der Wirklichkeit (des Seins) dar. Dagegen leugnet der ontologische (seinsmäßige) Reduktionismus von vornherein –
und zwar nicht aus wissenschaftlichen, sondern aus weltanschaulichen Gründen –,
dass der Religion eine eigene, vom gesellschaftlichen Nutzen und den biologischen Grundlagen des Lebens seinsmäßig zu unterscheidende Wirklichkeit zukommt.
Richard Sosis’ Argumentation stützt sich auf einen naturalistisch-ontologischen
Reduktionismus, wie ihn etwa die Soziobiologen Richard Dawkins oder Edward O. Wilson vertreten.
Diese behaupten auf der Basis der darwinistischen Evolutionstheorie, alles biologische Leben sei auf das Überleben der »stärksten« oder »besten« Gene ausgerichtet.
Folglich müsse auch das gesamte kulturelle und geistige Leben sich diesem Zweck unterordnen. Das menschliche Gehirn bringe entsprechende Leistungen also nur deshalb hervor, weil die Gene es auf dieses Ziel hin »programmiert« hätten.
Demnach dienen auch moralische Regeln und religiöse Riten letztlich nur dazu, die Gemeinschaft zu stärken, damit einzelne Mitglieder ihre Gene optimal weitergeben können.
Die Soziobiologen haben ihre Hypothese durch Verhaltensforschungen an Tieren gewonnen und dann einfach auf das geistig-kulturelle Leben der Menschen übertragen.
Diese naturalistische Theorie ist stark von weltanschaulichen Vorgaben geprägt.
Sie gesteht nur dem materiell-biologischen Leben Wirklichkeit zu.
Zu den meist unausgesprochenen Voraussetzungen dieses Evolutionismus gehört zudem, dass es in der Entwicklung des Lebens keine Zielgerichtetheit(Teleologie) gibt.
Wenn aber allein das Überleben die treibende Kraft der Evolution darstellt – warum hat sich das Leben dann bis zum Menschen entwickelt?
Mikroorganismen sind doch die besten Überlebenskünstler:
Sie vermehren sich rasch und können ihre genetische Konstitution extrem schnell den
sich verändernden Umweltverhältnissen anpassen. Könnte dem Leben und seiner Höherentwicklung vielleicht doch ein Sinn innewohnen, der nicht mit seinem biologischen Zweck – dem Überleben –identisch ist?
Das menschliche Verhalten weist viele Besonderheiten auf, deren biologischer Nutzen bis heute unerklärlich ist. Seit vielen Jahren mühen sich Soziobiologen mit dem Phänomen des altruistischen Verhaltens (der uneigennützigen Nächstenliebe) ab und versuchen mit komplizierten Hypothesen zu erklären, warum
der Umweg über die Nächstenliebe letztlich
den »Egoismus der Gene« noch erfolgreicher macht.
Zu solchen schwer für einen biologischen Zweck Vereinnahmbahren Phänomenen
gehört natürlich auch die Religion, insbesondere die oft seltsam anmutenden,
aufwändigen religiösen Rituale, die – biologisch betrachtet – als Ressourcenverschwendung erscheinen.
Weil Richard Sosis von der Hypothese rein evolutionistisch denkender Soziobiologen
als Deutungsrahmen ausgeht, muss er eine dazu passende reduktionistische
Erklärung finden – die da lautet: Je anstrengender, »teurer« die Rituale, desto
besser gewährleisten sie die Zusammenarbeit und das Überleben der Gruppe.
Es handelt sich dabei jedoch um eine Deutung, die ausschließlich aus einer
Außenperspektive in die jeweiligen Religionen hineingetragen wird. Was würde
wohl ein orthodoxer Jude antworten, wenn man ihm unterstellte, seine Gebetsriten
hätten keine andere Funktion, als die Gemeinschaft orthodoxer Juden zu stabilisieren? Er würde sich sicherlich entschieden dagegen wehren und darauf verweisen, dass er selbst mit dem Ritualprimär eine ganz andere Bedeutung verbinde– etwa die, damit Gott zu verehren.
Für den Gläubigen geht es in der Religion schließlich vor allem um die Hinwendung zu Gott, dessen »Existenz«für ihn keine Fiktion, sondern eine Gewissheit ist und dessen Verehrung den entscheidenden Inhalt seines Lebens darstellt.
»Warum«, fragt der fromme Jude den
Anthropologen, »versuchen Sie eine religiöse Praxis zu deuten, ohne die Dimension
der ersten Person, das subjektive Erleben, mit einzubeziehen?« Religiöse Riten
mögen als Sekundärprodukt auch einen gesellschaftlichen und möglicherweise
sogar biologischen Nutzen haben. Doch ihren eigentlichen Sinn kann nur
erfassen, wer sie in gläubiger Haltung praktiziert.
Ob am Ende des fiktiven Dialogs das Eingeständnis des Anthropologen steht,
er habe zu den für den Gläubigen entscheiden den Inhalten religiöser Praxis
nun einmal keinen subjektiven Zugang und wolle sich daher auf diese Binnenperspektive
der Religion auch gar nichteinlassen, kann hier off en bleiben. Doch
es liegt auf der Hand, dass man ohne diesen Zugang das Eigentliche der religiösen
Praxis nicht erkennen kann. Ähnliches gilt übrigens nicht nur für
die Religion, sondern für viele menschliche Phänomene.
Behauptet man etwa, dass die Liebe zwischen Frau und Mann nur dem Eigennutz und der Fortpflanzung diene, so werden die meisten Paare dem widersprechen.
Sie werden darauf verweisen, dass der entscheidende Aspekt in ihrer – von der Liebe zueinander bestimmten – Beziehung selbst zu suchen ist. So, wie die Liebe zunächst
zweckfrei, aber dennoch höchst sinnvoll ist, so ist auch die religiöse Praxis, die
Gottesliebe in sich letztlich innerweltlichzweckfrei. Ihr Sinn liegt in der Liebe zu
Gott selbst, in der Hinwendung des Menschen zu Gott und den Erfahrungen,
die er dabei macht. Es kommt vor, dass Riten zur Verehrung
Gottes seltsame Formen annehmen, die sich meist aus der religiösen
Tradition erklären lassen. Und mit unterer starren sie zu inhaltsleeren Ritualen,
weil ihr ursprünglicher Entstehungskontextselbst den Anhängern der jeweiligen Religion fremd geworden ist.


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