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Ein neues Abenteuer

Senara schrieb am 18. April 2006 um 22:29 Uhr (594x gelesen):

Im Januar ist mein Blindenführhund nach achtjährigem Zusammensein mit mir in seinen wohlverdienten Ruhestand gegangen, und ich freue mich, bald seine Nachfolgerin bei mir begrüssen zu dürfen, um mit ihr ein neues Abenteuer, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

Nun, letzte Nacht träumte ich, die Ausbilderin meines alten Führhundes wolle mich besuchen, um mir schon Futter und andere Dinge für meine neue Begleiterin zu bringen. Sie ist meganett, und in den vergangenen acht Jahren haben wir sowas wie eine Freundschaft miteinander entwickelt. Nun, im Traum befanden wir uns zuerst in einem stockfinsteren Raum. (Ich wurde nicht blind geboren, und ich träume immer noch in Farbe, obwohl ich mein Augenlicht vor mehr als zehn Jahren verloren habe, was sich hoffentlich nicht ändern wird.) Also. Die Hundeausbilderin sagte mir, sie habe erst mal zwei Dinge für mich und drückte mir einen Blindenstock in die Hand - ein von mir sehr verhasstes Teil. Ich bin mir dessen bewusst, dass mir der Stock zur Sicherheit dient, aber wenn ich damit herumlaufe, werde ich oft voller Mitleid angestarrt, oder wenn ich in den Zug steige und mich irgendwohin setze, kommt es vor, dass Mitreisende sich vom Abteil erheben und weggehen. Es gäbe noch viele Dinge, die aufzeigen, was mir der weisse Stock alles beschert. Aber der Stock, den ich da in meinem Traum bekam, war irgendwie speziell. Er war schwerer als die Exemplare, die ich bis anhin hatte, und er schien nicht aus Metall, sondern aus Glas zu sein. Oben am Griff befand sich eine Taste, die ich auf Geheiss der Hundeausbilderin betätigte. Da leuchtete der ganze Stock in einem schönen Neongrün auf, meine frühere Lieblingsfarbe. Das Licht tat meiner Seele wohl, und eine positive Energie überkam mich.
Als nächstes drückte sie mir einen rundlichen Gegenstand mit einer grossen Taste in die rechte Hand, links hielt ich noch immer den Stock, der unaufhörlich grün leuchtete. Nun hiess sie mich, einen Bürostuhl aufzusuchen, der hinter mir stand und mich zu setzen, was ich auch tat. Immer noch hielt ich in der linken Hand den Stock, und meine rechte Hand hielt dieses rundliche Ding.
"Drück die Taste", sagte die Hundetrainerin. Sobald ich gehorchte, setzte sich der Bürostuhl in Bewegung und wurde immer schneller, bis er schliesslich abhob und durch den Raum schwebte, als wäre die Gravitation unseres Planeten plötzlich aufgehoben worden. ich fühlte mich einfach gut, nein, das Gefühl kann ich nicht beschreiben, aber es war positiv. Ich dachte unwillkürlich an ein Astronautentraining und dachte daran, dieses Erlebnis dem Kommandanten von Apollo 13, der in den letzten Jahren sozusagen mein Idol geworden ist, zu berichten.

Auf einmal standen die Hundetrainerin und ich in der Eingangshalle eines Bahnhofes. Sie sagte, sie wolle nochmals schauen, wie ich mit dem Blindenstock zurecht komme und mich orientiere, das sei sehr wichtig, um zu schauen, ob ich wirklich für einen Führhund geeignet sei. Ich fragte mich, was das solle, schliesslich hatte ich ja schon seit acht Jahren einen Hund, und wir waren ein sehr gutes Team. Ich kann mich aber auch mit dem Stock sicher bewegen, es sei denn, ich werde irgendwie beobachtet. In diesem Fall bekomme ich Angst und denke, ich würde es nicht schaffen. Genau so erging es mir im Traum. Ich schaffte nicht das kleinste Ding und bewegte mich wie eine Anfängerin.
Schliesslich verliessen wir die Eingangshalle, um zur Bushaltestelle zu kommen. Die Sonne empfing mich, und ihre Wärme machte mir wieder Mut. Doch plötzlich erblühte mitten auf dem Gehsteig der schönste Rosenstrauch. Es gab kein Durchkommen, denn der Strauch füllte die ganze Breite des Gehsteigs aus und erstreckte sich über die ganze Länge bis zur Haltestelle, wo ich hin musste. Die anderen Passanten konnten wie nichts durch, und auch die Hundetrainerin schritt ohne Mühe voran. Aber ich wurde einfach blokiert. Rechts rasten Autos und Busse an mir vorbei, und links war eine Mauer, also musste ich durch den Strauch. Während die Anderen mühelos vorankamen, wurde ich von Dornen zurückgehalten. Ich nahm den weissen Stock, der übrigens wieder gewöhnlich war, und schlug damit auf den Strauch ein. Sollte doch dieses Teil den Schmerz der Dornen ertragen. Die Freude, dass ich bald wieder einen lieben Hund an meiner seite haben würde, gab mir Kraft, und ich ging durch den Strauch. Es war mir egal, dass mir die Dornen die Kleider zerrissen und Gesicht, Arme und Beine blutig stachen. Ich hatte eine solche Energie, dass ich wusste, es zu schaffen. Ich spürte das Sonnenlicht und die Vorfreude auf den Hund, und ich dachte auch noch an das vorherige Erlebnis der Schwerelosigkeit. Ich musste doch heim, um dem oben erwähnten Astronauten zu schreiben und davon zu erzählen. Aber gleichzeitig spürte ich wieder die Angst vor dem Versagen. Tat ich wirklich das Richtige? Verhielt ich mich wirklich so, wie es die Mobilitätstrainer gerne sehen? ...
Da lag ich wach im Bett und wusste nicht, was ich mit diesem Traum anfangen sollte. Ja, ich weiss, ich habe Angst, wenn ich beobachtet oder geprüft werde, und ich denke immer, Fehler zu machen. Aber was soll das mit dem leuchtenden Stock und diesem genialen Gefühl der Schwerelosigkeit? Und der Strauch, an dem alle Anderen ohne Schwierigkeiten vorbeikamen und ich einfach durch musste? Ich hatte schon hie und da solche Träume, wo ich scheinbar unüberwindbare Hindernisse vor mir hatte und sah, wie Andere einfach so durchkamen.
Ich bin gespannt, was Ihr dazu meint...

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