Tantra im Buddhismus
Im Tibetischen Buddhismus ist Tantra die Bezeichnung für verschiedene Arten von
Texten (medizinische Tantras, astrologische Tantras, etc.); in erster Linie jedoch
Oberbegriff für die Grundwerke des Vajrayana und die von diesen beschriebenen
Meditationssystemen. Die Verkündigung der Tantras wird Buddha Shakyamuni zugeschrieben
in seiner Manifestation als Dharmakaya (Trikaya). Tantra heißt hier "Kontinuum"
oder "System".
Diese stark auf die menschliche Erlebnisfähigkeit ausgerichtete Überlieferung
beschreibt die spirituelle Entwicklung in Hinsicht auf die Kategorien Basis, Weg und
Frucht. Die Basis ist die praktizierende Person, der Weg besteht aus den meditativen
Pfaden, die diese Basis reinigen, und die Frucht ist der Zustand, den diese Praktiken
herbeiführen. Um diese drei Phasen geht es in allen Ausdrucksformen des Tantra.
Die tibetische Tradition spricht von vier "Tantraklassen": Kriya-Tantra (Handlungstantra),
Charya-Tantra (Ausübungstantra), Yoga-Tantra und Höchstes Yoga-Tantra. Die
Kriterien für diese Unterteilung sind die Unterschiede in den geistigen Fähigkeiten
der Übenden und der Wirksamkeit der Mittel, die zur Erleuchtung (Bhodi) verhelfen.
Zu den wichtigsten Werken des Höchsten Yoga-Tantra zählen z. B. Guhyasamaja-Tantra
und das Kalachakra-Tantra. Die "Alten Tantras" der Nyingmapa-Schule unterteilten
das Höchste Yoga-Tantra in drei weitere Klassen: Maha-, Anu- und Ati-Yoga (Dzogchen).
Diese Tantras akzeptieren die schon immer gegebene Reinheit des Geistes als Grundlage
ihrer Praxis; das bekannteste unter ihnen ist das Gyhyagarbha-Tantra.
Das Denken der Tantras in Polaritäten findet seinen stärksten Ausdruck in
einer vielschichtigen sexuellen Symbolik. Die Aufhebung der Dualität vom männlichen
Prinzip (Methode, Upaya) und weiblichen Prinzip (Weisheit, Prajna) durch ihre Einswerdung
wird als herausragendes Merkmal des Höchsten Yoga-Tantra bezeichnet.
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