In der Tempelstadt
Autor: Alfred Ballabene
Elbrich und seine Freunde erleben auf ihrem Jenseitsweg verschiedenste Abenteuer. Sie lernen daraus und erlangen zunehmend tiefere Einsichten in die Gesetzmäßigkeiten der dortigen Welten. Je mehr sie sich von der Gewohnheit einer körperlichen Bindung lösen, umso mehr erkennen sie die Möglichkeiten und Freiheiten des Geistes. Mit ihrem Bewusstsein beginnen sie Raum und Zeit zu durchdringen. Klebebindung, broschiert, 176 Seiten, Format 155 x 190 mm, Preis: € 14,30 SSE - SOLARIS Spirituelle Edition (c)
|
Leseprobe:„Du hast mir ja einmal von den Lipikas, den Meistern des Karmas erzählt, die für Schicksalsgerechtigkeit sorgen, an die müssen wir uns wenden und den Fall vortragen“, empörte sich Elbrich.
Sodashi lächelte, „ich gehöre auch zu den Lipikas“, sprach sie und sah dem verblüfften Elbrich ins Gesicht.
Elbrich ereiferte sich: „Ich gehöre nicht zu den Lipikas und unterliege nicht ihren Gesetzen des Gleichgewichtes. Also ist es mir erlaubt alles daran zu setzen, um diese Zukunft von Carla zu verhindern“.
Elbrich zögerte nicht und erhob sich aus dem Stuhl, um sich auf den Weg zu machen.
Nun doch etwas bedächtiger als ursprünglich vorgehabt, begab sich Elbrich auf den Weg. Er stieg den felsigen Hang hinunter, öffnete das schmiedeeiserne Gartentor und ging zum Zentrum der Stadt, das sich langgestreckt auf dem felsigen Kamm erstreckte. Bald stand er vor dem Turm im Aussehen eines steinernen Ritters. Er öffnete das Tor und betrat die leere Halle. Das kühle Dämmerlicht der Halle erschien ihm jetzt von anderer Aussage als damals und gemahnte zur Vorsicht. Elbrich schritt entlang der Arkaden, die von den steinernen Figuren getragen wurden und deren Nischen sich im Dämmerlicht verloren. Aus dem Schatten trat eine mächtige Gestalt hervor, gut zwei Köpfe größer als Elbrich. In bodenlangem schwarz-weißen Umhang gekleidet, trug sie auf dem Kopf seitlich ausladende, in sich gedrehte Widderhörner. Elbrich fasste sich in Ruhe und versuchte, die Ausstrahlung dieses Wesens auszuloten. Nichts Diabolisches haftete ihr an. Eher war es eine erhabene, nicht-irdische Erscheinung, jenseits des menschlichen Auf und Ab der Gefühle. Langsam dämmerte Elbrich, dass die Erscheinung Bezug haben könnte zu Chnum, jenem altägyptischen Gott, der den Leib des Menschen auf der Töpferscheibe formt. Der des Menschen Seele in diesen irdischen Leib bindet und solcherart den Wogen des Schicksals unterwirft. Weder dunkel noch hell war dieser Lipika und dies zeigte er durch helle und dunkle Streifen auf seinem Umhang. Die Erscheinung des Lipikas stand vor ihm, schweigend, und wieder versuchte ihr Blick wie Röntgenstrahlen tief in Elbrich einzudringen. „Wer bist du, dass du es wagst... „, Er sprach keine Worte sondern Elbrich fühlte die Frage in sich. Sollte ihn die Frage aus dem Gleichgewicht bringen, Emotionen aufwühlen? Ausloten, ob er stark oder ängstlich wäre? Es war keine Bedrohung zu fühlen, sondern nur ein Lauschen auf seine Reaktionen. Elbrich verblieb in innerer Stille, zeigte keine Regung, weder Angst noch gekränkte Eitelkeit, er blieb in seinem inneren Gleichgewicht. Nunmehr fühlte er eine höhere Akzeptanz durch jenes Wesen. „Was willst du“, war das nächste was er fühlte; es war wie ein Bohren nach Wünschen, Sehnen, Hass, Rache oder sonstigen Empfindungen. Auch hier blieb Elbrich innerlich unbewegt. In Gegenwart dieser Macht erhob sich der innere Wille Elbrichs im Aufgebot aller Kräfte zu selten erlebter Stärke, zum eigenen Schutz dem fremden Willen trotzend. „Das Schicksal einer mir nahestehenden Person hat sich durch den gezielten Einfluss missgünstiger Wesen in eine Richtung entwickelt, die sie einer jeden Hoffnung auf Weiterentwicklung beraubt. Sie verliert ihre große Chance, ein höheres Ziel im Leben zu erreichen. Ich übergebe dir mit dieser Tafel ihre aurische Kennung.“ Damit überreichte Elbrich dem Lipika die gelbe Tafel. War es Erstaunen, das Elbrich wahrnahm? Er war nicht sicher, zu wenig gab dieses Wesen von sich zu erkennen. Wortlos wurde die Tafel angenommen, in reglosem Schweigen blieb das mächtige Wesen stehen. Weder sah man es auf die Tafel blicken, noch sah man auf seinem Antlitz Konzentration oder Versenkung. Der Lipika stand lediglich still, sein Blick allerdings weniger bohrend als zuvor. Einige Augenblicke später blickte er Elbrich wieder bewusster an und sprach: „Sie hat ohne Zögern das angenommen, was ihr geboten wurde. Hinter den Argumenten von Edelmut und Aufopferung für die Mitmenschen steckt in ihr unbewusst der Wunsch nach Selbstbestätigung durch eine einflussreiche Karriere. Eitelkeit und Streben nach Achtung und Anerkennung sind stärker als der Wunsch zu helfen. Ich werde nicht einschreiten, noch sonst eine Änderung bewirken.“ Damit wendete er sich von Elbrich ab und verschwand im Schatten hinter den Arkaden. Elbrich war sehr niedergeschlagen, als er zu Sodashi zurückkehrte. Sodashi ihrerseits war keineswegs überrascht. Sie war nur sehr nachdenklich. (S. 109ff) |