Index von Tara

In der Johannisnacht

© copyright Evelyn Hutter, Wien, 1998
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Bei meinem zweiten Besuch im Waldviertel entschließe ich mich, im Freien zu schlafen. Es ist die Nacht nach dem Vollmond. Eine große Müdigkeit überfällt mich und ich schlafe rasch - in meinen Schlafsack eingepackt - ein. Während der Nacht werde ich wach und total durchkühlt horche ich in mich hinein. Da höre ich ein eigenartiges Geräusch. Ich erschrecke, öffne den Schlafsack - sehe jedoch nichts. Da beschließe ich, nachdem der Mond die Landscaft hell erleuchtet, spazieren zu gehen. Nach einigen Minuten sehe ich auf der rechten Seite des Weges einen großen Stein und ich denke bei mir: "Der Hüter der Schwelle". Ich überschreite die Schwelle, so als würde ich ein Tor durchschreiten und nach einigen Metern ist es mir, als würde ein für mich unsichtbares Wesen neben mir, mich warnen. Ich empfinde die Worte: ,,Geh nicht weiter". Ich gehe trotzdem noch einige Meter. Da habe ich das Gefühl, dieses Wesen ist nun in mir, denn ich empfinde nun die Worte: ,,Geh nicht weiter" in mir. Nun höre ich Pferdegalopp und ich denke mir: ,,Im Waldviertel reiten SIE in der Nacht durch den Wald - eigenaatig, na ja, es ist ja eine schöne Vollmondnacht und ganz hell." Dieses Geräusch wird immer lauter und da höre ich auch nicht nur ein Pferd, sondern viele Pferde. Ich sehe nichts, aber ich höre wie viele Pferde an mir vorbei galoppieren. Bevor ich mich nun endlich umdrehe und zurück zu meinem Schlafplatz gehe, möchte ich noch wissen, an welcher Stelle sich dieses Geschehen ereignet hat: Ich schaue auf einen ganz bestimmten Platz und erkenne ihn als meinen ,,Lieblingsplatz". Anschließend gehe ich, immer müder werdend - wie wenn mir jemand den Strom abgedreht hatte - zu meinem Schlafsack zurück und schlafe auch sofort ein. Am nächsten Tag, als ich den ,,Ort des Geschehens" - damit meine ich die Stelle, also einige Meter nach dem ,Hüter der Schwelle" - aufsuche, stelle ich fest, daß es unmöglich ist, von hier aus meinen ,,Lieblingsplatz" zu sehen

Der Hüter der Schwelle
(Manfred Kyber)

Jede neue Stufe ins Helle
ist neuer Währung wert.
Vor ihr mit flammendem Schwert
steht der Hüter der Schwelle.
Vor jeder Stufe wache und bete,
daß deine Seele rein
den neuen Tempel betrete,
muß sie selber ein Tempel sein.
Bis einst in heilger Helle
zu ihres Ursprungs klarer Quelle
sich klärt
des Willens wandernde Welle -
hüte mit flammendem Schwert,
hüte uns, Hüter der Schwelle..,