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Tolles Mittelalterabenteuer
Lichtbringer * schrieb am 15. Februar 2007 um 16:25 Uhr (1017x gelesen):

Werner Mittelberger: „Der Henker und der Hofnarr“; Novum Verlag, Wien 2006 , edition nove, 99 Seiten, 11,90 €, ISBN 3-902528-75-3

Diese Erzählung, genauer Novelle, führt den Leser in medias res in die Gewölbe der Pariser Bastille zu Zeiten Karls VI., König von Frankreich.
In der Exposition wird der Hofnarr Bouchet des Hochverrats angeklagt und verurteilt bis zu seiner Hinrichtung in sieben Tagen eingekerkert zu sein.
In sechs weiteren Kapiteln setzt sich die Erzählung fort, wobei das letzte Kapitel etwa die Hälfte der gesamten Erzählung umfasst.
Historisch gesehen ist es das Jahr 1392, jenes Jahr, in dem sich in König Karls VI., der schon im Alter von 12 Jahren den Thron bestieg, erstmals Symptome seines beginnenden Wahnsinns zeigten.
Bouchet trifft auf den Henker des Königs, Saberge, und liefert sich manch ein Wortgefecht mit ihm. Gleich einem Harlekin spricht der Narr in Versen und Metaphern, doch der Henker ist seinen Späßen anfangs nicht zugänglich. Beide teilen nicht nur das Schicksal ihr Ich unter einer Maske bzw. Kapuze zu verbergen zu müssen, sondern auch ihre Funktionalität in den Gefügen der Gesellschaft, die von der Willkür eines Königs bestimmt ist.
Doch der Narr schafft es nicht nur Spiegel des Königs und der Gesellschaft zu sein, sondern auch ein Spiegel des Henkers zu werden.
Dies führt zu „einer sich ereignenden unerhörten Begebenheit“ in der Erzählung, die nach J.W. von Goethe in einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann, Merkmal einer Novelle ist und zu einem Wendepunkt führt.
Denn am zweiten Tag schließen sie eine Freundschaft, die im Henker einen Zwiespalt zwischen der Loyalität zum König und seiner Freundschaft zum Narren erzeugt. Erzählerisch erfolgt die Annäherung auch durch ein vertrautes ‚du’ unter ihnen – welches der Autor nicht konsequent einhält und später noch mal in ein ‚Sie’ zurückfällt – das Fallenlassen der Masken und die körperliche Verteidigung des Narren vor sadistischen Kerkerwachen. Ebenso werden geschickt Erzählungen aus der Vergangenheit des Henkers sowie des Narren eingeflochten.
Insgesamt werden die beiden Figuren zunehmend personifiziert und aus ihrer Funktionalität herausgeholt; so spricht der Narr nicht mehr in Versen und der Henker entwickelt eine vielfältige Gefühlswelt. Es ist eine Entwicklung, die bis zum Ende fortdauert und in die Freiheit führt.
Über die listige, humorvolle und spannende Flucht beider sei hier nicht viel verraten, führt sie aber in eine nur mit „Nur der Horizont war das nächste Ziel, und er würde es auch für immer bleiben“(S. 99) angedeutet Zukunft (ebenso ein Novellenmerkmal).
Das Titelbild ist von Svend Richter und ebenso symbolträchtig wie die Erzählung.
Auch wenn manchmal der österreichische Akzent in Sätzen wie „eine Tür quietschte ‚beleidigt’“ durchkommt, so erleichtert der Autor Werner Mittelberger durch seine der Zeit nachgeahmten Sprache dem Leser das Hineinfühlen in diese.

Mittelbergers Erstlingswerk ist gehobene sowie spannende und humorvolle Unterhaltung, die Freude macht auf sein nächstes Werk. Ob der kleinen Editionsauflage ist auch der Preis gerechtfertigt.



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