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re: Kurzgeschichte "Licht im Dunkel"
Chord * schrieb am
26. Juni 2005 um 11:11 Uhr (909x gelesen):
Danke, ich mag sie :-)
Alles Liebe,
Chord
> written by me ;-) viel Spaß...
>
> Licht im Dunkel
>
> Die Türen schlossen sich langsam, ein leichtes Zischen war zu hören. Ich stellte mich hin, da die Sitzplätze fast alle belegt waren und ich keine Lust hatte, mich näher an die Leute anzunähern, neben welchen noch ein Platz frei war. Mit einem Ruck setzte sich die Bahn in Bewegung und schloß bis zum nächsten Halt die Gedanken und Menschen in der stickigen Luft ein. Ein Blick über die Mitfahrenden zeigte, daß niemand von besonderem Interesse war. Ich stand da und versuchte, die frische Luft außerhalb der Bahn zu erahnen, welche sanft an dieser vorbeistrich. An der nächsten Haltestelle schwebte durch die Tür gleißendes Licht herein, welches eine Frau mit einem Kinderwagen umschloß. Das Kind saß im Kinderwagen und sah mich an. Eine Flut von Wärme überkam mich, als ich in diese Augen blickte. Sie konnten nichts wissen, denn sie waren jung und unschuldig. Aber das, was sie ausdrückten, war mehr, als ich jemals in irgendwelchen Augen gesehen hatte. Es war unbeschreiblich. Ein warmer Lichtkegel schloß sich um die Welt zwischen mir und diesem Kind. Die Türen schlossen sich.
> Ein weiterer Ruck weckte mich kurz aus diesem Tagtraum. Ich schaute die Mutter des Kindes an in der Hoffnung, etwas vergleichbares zu finden. Doch ich sah nichts weiter als die Augen einer liebenden Mutter, die ihr Kind im Kinderwagen vor sich hat. Zärtlich setzte sie das Kleine aufrechter in den Sitz und schaute gedankenverloren nach draußen. Ich sah wieder dieses kleine Wesen an, welches einfach nur dasaß und mich anschaute. Die Art, wie es schaute, war so verzeihend und unschuldig, wie ich es vorher noch nie gesehen hatte. Eine Träne lief mir über mein unrasiertes Gesicht. Normalerweise nuckelt ein kleines Kind an seinem Schnuller oder quengelt herum oder macht irgendwas, was eben kleine Kinder machen. Aber dieses saß einfach nur da und sah mich an. Ich ließ die Träne an meinem Gesicht herunterlaufen und ließ sie auf den Boden gleiten. Ein winziger See, bestehend aus nur einer Träne, breitete sich auf dem schmutzigen Boden der Bahn aus und erhellte für einen kurzen Moment den Dreck darunter, wie eine kleine, herabfallende Sternschnuppe. Ich starrte auf diesen Ozean des Lichts, gefangen in seinem gütigen Strahlen und doch so unendlich frei. Irgendwann sah ich wieder auf und blickte in diese zwei Sterne, die alles und nichts sagten und doch so unendlich waren. Ich sah eine einzige Träne über diese zarte Haut fließen, aus traurigen und doch so fröhlichen Augen, welche die ganze Fröhlichkeit und dem Sinn des Lebens ausstrahlten. Diese Träne rann hinunter in den Alltag des Lebens und hinterließ ein leichtes Glitzern auf allem, was sie sah. Ich versuchte mich wieder zu fassen, doch es gelang mir nicht. Niemand nahm Notiz von dem, was passierte. Ein leichter Ruck ließ die Bahn erzittern, die Türen gingen auf. Der Kinderwagen setzte sich in Bewegung und ein letzter Blick des Kindes traf mich. Die Türen schlossen sich und der Kinderwagen bewegte sich fort. Ich hämmerte gegen die Türen, auf das sie sich öffneten, doch nichts tat sich. Schon bald war der Kinderwagen außerhalb meines Sichtfeldes. Ich schaute mich um. Niemand schaute mich an, ich blickte nur in leere, ausdruckslose Gesichter. Mit einem Lächeln in meiner Seele schloß ich diese zwei Tränen in meinem Geiste ein als größter Schatz, den ich jemals erhalten habe. Mit einem leichten Ruck fuhr die Bahn wieder an. Ich lächelte in mich hinein und blickte nach draußen in gleißendes Licht.
> 07.04.1997, MSK
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