re: Dr. Johanna Wagner
Zur Autorin
Johanna Wagner (1920-1990) war Psychologin und Germanistin und hatte darüber hinaus Medizin bis zum Physikum studiert. Über ihr Werk und ihr Wirken erschien u.a. der Nachruf „Munga mangari“ im Aglaster Verlag. Schon bevor sie sich mit Schwarzafrika auseinandersetzte, befaßte sie sich intensiv mit fremden Kulturen: So beschäftigte sie sich mit dem Zen-Buddhismus und östlicher Kampfkunst und meditierte während längerer Zeit in Sri Lanka.
Seit 1972 begann sie sich auf afrikanische Traditionen einzulassen. Das einzigartige dabei ist, daß Dr. Wagner - für eine weiße Frau eigentlich undenkbar - selbst den Rang eines Heilerpriesters, eines sogenannten Waganga oder Mganga inne hatte. Die Autorin verwendet diese Bezeichnungen exemplarisch für eine Vielzahl von Namen bei den verschiedenen Stammestraditionen.
Diese Besonderheit erklärt sich damit, daß die Autorin durch verschiedene eigene psychische und z.T. auch esoterische Fähigkeiten (Handlinienlesen, die Rufe - Es -Methode -> vgl. Kap.III) von afrikanischen Heilern als kompetent und vertrauenswürdig geachtet wurde und selbst viele Heiltechniken vermittelt bekam.
Johanna Wagners Feldforschung ist als hochgradig emisch zu betrachten (van Quekelberghe 1991: 24 f.); alles, was sie beschreibt, fußt auf eigenem Erleben und unmittelbarer Erfahrung, ist von innen heraus kontextuell erfaßt. In Situationen, bei welchen der Autorin als weißer Europäerin dieses innere Verstehen doch einmal verschlossen bleibt, ist sie klug und selbstkritisch genug, dies offen einzuräumen.
Mit theoretischen Interpretationen ist Frau Wagner sehr zurückhaltend, im Vordergrund steht für sie die Erscheinungswelt des Einzelnen. Diese phänomenologische Ausrichtung und ihre Ansichten zur Struktur des Religiösen im Menschen konvergieren in der Entwicklung einer Art Psychotherapiemethode für Akkulturationsstörungen, die allerdings auch auf andere Störungsfelder bis hin zum Abgewöhnen des Rauchens angewandt werden kann.
Ihre Erfahrungen und ihre Methodologie schrieb die Autorin in zwei Büchern und zahlreichen Veröffentlichungen in ethnologischen Fachzeitschriften („Curare“, „Salix“, „Wiener Völkerkundliche Mitteilungen“) nieder.
Der vorliegende Aufsatz stützt sich in erster Linie auf ihr umfassendes Werk „Die, die so aussehen wie jemand, aber möglicherweise etwas ganz anderes sind“ (1985).
Z.B.
Schwarzafrikanische Psychodiagnostik
Aufgrund eigener Betroffenheit - einem sehr konkreten Gefühl des Verfolgtseins und der Fremdkontrolliertheit (Wagner 1985: 39) - begibt sich Frau Wagner selbst in die Obhut eines Wagangas vom Stamm der Kamba und erlebt dort erstmals die therapeutische Arbeit eines Heilers (Wagner 1985: 42 ff.).
Dieser nimmt zunächst ganz ähnlich einem westlichen Psychiater oder Psychothera-peuten eine sorgsame Anamnese auf mit Fragen wie „Seit wann bist du in Afrika? Warum bist du nach Afrika gekommen? Konnten deine Eltern oder Geschwister Dinge sehen, die nicht jeder sieht? Beschreibe mir deine Arbeit. Was hast du am Tag, bevor ES zum erstenmal kam, gemacht? Was hast du da erlebt?“ Tatsächlich sind die Dimensionen, die bei dieser Anamnese erfragt werden, identisch mit den in unserem kulturellen Kontext relevanten Kategorien: Erfragung der Lebensumstände; familiäre Dispositionen; mögliche auslösende Faktoren psychischer bzw. physischer Art etc.
Johanna Wagner hat bei dieser Begegnung erstmals die Gelegenheit, sich mit einem Heiler über seine Vorgehensweise zu unterhalten und trifft dabei keineswegs auf einen „primitiven Wilden“, sondern auf einen psychologisch sehr feinfühlenden Therapeuten, der sich der Grenzen und Möglichkeiten seines Tuns sehr bewußt ist und der - ganz im Gegensatz zu den meisten Angehörigen seines Stammes - genau weiß, daß eine Erklärung von Leiden z.B. im Sinne von „Schwarzer Magie“ relativ selten die Ursache für Krankheit und Unglück richtig begreift.
Für den Waganga steht beim Umgang mit seinen „Klienten“ also die Unterscheidung zwischen intrapsychischen bzw. verhaltensmäßigen Ursachen von Schwierigkeiten mit der Umwelt einerseits und schwarzmagischen Ursachen andererseits im Vorder-grund .
Ein weiterer Faktor, den der Kamba-Mganga in seiner Arbeit berücksichtigt, ist die Stammeszugehörigkeit des Klienten: Handelt es sich bei der Ursache für die Krankheit bzw. das Unglück tatsächlich um Schwarze Magie, so wird der Klient zu einem Waganga geschickt, der vom gleichen Stamm ist wie er selbst, das System von magischen und rituellen Vorstellungen des Stammes am besten kennt und folglich das Unheil am effizientesten bekämpfen kann.
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