Hier kommt meine....
Die Frage war doch ob es die Hölle existiert
als platzgebundene Gegebenheit
Meines Erachtens schon !
aber eher als mögliche Örtliche Zwischenstadion zwischen
dem Zeitpunkt des Todes und dem Jenseits.
(Purgatorium)
aber eher so......
Eine Örtliche Zwischenstadion wo man seinen eigenen Ilusionen begegnet!
(Die Trennung von Gott)
Metapher!
Stellt euch vor
Jeff ist der Teufel
in der Hölle und Jill als Opfer mittendrin....
A
ls meine Schwester in der Ankunftshalle des
Atlanta Hartsfield International Airport auf mich
zukam, wusste ich sofort, dass etwas nicht
stimmte. Sie konnte ihre Gefühle noch nie gut verbergen,
und ich sah deutlich, wie sehr sie emotional litt.
Jill war mit meinem Bruder John, den ich seit sechzehn
Jahren nicht mehr gesehen hatte, aus England in die USA
geflogen. John war 1972 aus England nach Australien
ausgewandert, ich ging 1984 in die USA. Jill war daher -
und ist es noch heute — die einzige von uns drei
Geschwistern, die noch in England lebt. John war nach
Hause gereist, und sein Trip nach Atlanta war die letzte
Etappe seiner Rückreise. Jill begleitete ihn nach Atlanta,
so dass sie mich und meine Frau JoAnna für ein paar
Wochen besuchen und John von dort nach Australien
verabschieden konnte.
Wir umarmten uns zur Begrüßung, und nach einem
Moment der Verlegenheit machten wir uns auf den Weg
zum Hotel. Ich hatte für die Nacht Zimmer reserviert,
sodass JoAnna und ich den beiden am nächsten Tag
Atlanta zeigen konnten, bevor wir in unser Haus fahren
würden.
Sobald sich eine Gelegenheit zu einem ernsten Gespräch
ergab,, sagte Jill: „Colin, es sieht nicht gut bei mir zu
Hause aus. Jeff und! ich werden uns wahrscheinlich
trennen."
Obwohl ich gemerkt hatte, dass mit meiner Schwester
etwas» nicht stimmte, war ich überrascht. Ich war immer
sicher gewesen,, sie führe mit ihrem Mann Jeff eine
glückliche Ehe. Beide waren
zuvor verheiratet gewesen, doch diese Beziehung schien
von I lauer zu sein. Jeff hatte aus vergangener Ehe drei
Kinder, Jill h at t e vier. Ihr jüngster Sohn Paul war der
einzige, der noch zu I lause wohnte.
„Was ist los?", fragte ich.
..Es ist seltsam, und ich weiß auch gar nicht, wo ich
anfangen soll", erwiderte sie. „Jeff verhält sich sehr
merkwürdig, und ich halte es nicht mehr viel länger aus.
Wir sind an einem Punkt, an dem wir nicht mehr
miteinander reden können. Es bringt mich um. Er hat sich
vollkommen von mir abgewandt und sagt, alles sei meine
Schuld."
„Sprich Dich aus", sagte ich und sah zu John, der die
Augen verdrehte. Er hatte die beiden vor seinem Fing
nach Atlanta eine Woche lang besucht, und ich schloss
aus seiner Miene, dass er von dem Thema vorerst genug
hatte.
„Erinnerst Du Dich an Jeffs älteste Tochter Lorraine?",
fragte Jill. Ich nickte. „Ihr Mann starb vor etwa einem
Jahr bei einem Autounfall. Seitdem hat sich zwischen ihr
und Jeff diese äußerst seltsame Beziehung entwickelt.
Jedes Mal, wenn sie anruft, überschlägt er sich fast und
umschmeichelt sie, nennt sie, Liebes’ und tuschelt
stundenlang mit ihr. Man könnte denken, sie seien verliebt
- und nicht Vater und Tochter. Wenn er bei ihrem Anruf
gerade beschäftigt ist, lässt er alles stehen und liegen, um
mit ihr /u reden. Wenn sie zu uns nach Hause kommt,
verhält er sich genauso - wenn nicht schlimmer. Sie
hocken zusammen, flüstern nur miteinander und schließen
alle anderen aus - besonders mich. Ich kann es kaum
ertragen. Ich habe das Gefühl, sie ist das Wichtigste in
seinem Leben geworden, und ich spiele so gut wie keine
Rolle mehr Ich fühle mich total ausgeschlossen und miss-
achtet."
Sie erzählte weiter und schilderte mehr Details der
seltsamen Familiendynamik, die sich da entwickelt hatte.
JoAnna und ich
hörten aufmerksam zu. Wir waren verständnisvoll und
mitfühlend; wir erörterten mögliche Ursachen für Jeffs
Verhalten und machten Jill Vorschläge, wie sie mit ihm
darüber sprechen könnte. Kurz: wir versuchten,
Lösungsmöglichkeiten zu finden, wie dies ein besorgter
Bruder und eine Schwägerin so tun. John half mit und
bot ebenfalls seine Sicht der Situation dar.
Was mir seltsam und verdächtig vorkam, war da;
untypische Verhalten von Jeff. Der Jeff, den ich kannte,
war liebevoll zu seinen Töchtern und sicherlich
abhängig genug, um ihre Bestätigung und Liebe sehr zu
brauchen. Doch ich hatte sein Verhalten niemals so
gesehen, wie Jill es beschrieb. Ich kannte ihn als für-
sorglich und liebevoll gegenüber Jill. Ich konnte kaum
glauben, dass er sie nun so grausam behandelte. Es war
für mich klar, dass diese Situation Jill unglücklich
machte und Jeffs Beharren darauf, sie bilde sich alles
nur ein, für sie alles noch verschimmerte.
Die Unterhaltung setzte sich den ganzen nächsten Tag
fort. Ich begann eine Vorstellung davon zu bekommen,
was sich aus der Perspektive der Radikalen Vergebung
zwischen Jill und Jeff abspielte. Doch ich beschloss, dies
nicht zu erwähnen - jedenfalls nicht sofort. Sie war zu
befangen in dem Drama der Situation und wäre so nicht
in der Lage gewesen, zu hören und zu verstehen.
Radikale Vergebung basiert auf einer umfassenden
spirituellen Perspektive, die damals, als wir noch
zusammen in England lebten, ganz und gar nicht zu
unserer gemeinsamen Lebenswirklichkeit gehörte. Ich
war mir sicher, dass sie und John so gut wie nichts über
meine Ideen und Vorstellungen bezüglich Radikaler
Vergebung wussten. Ich hatte das bestimmte Gefühl, es
sei noch nicht an der Zeit, einen so schwierigen
Gedanken zu äußern wie: dass alles so, wie es ist,
vollkommen ist - und ehe Gelegenheit zu heilen.
Nachdem wir zwei Tage das Problem immer wieder
gewälzt hatten, entschied ich, dass die Zeit reif sei,
Radikale Vergebung anzusprechen. Dazu musste sich
allerdings meine Schwester der
Möglichkeit öffnen, dass etwas in ihrem Leben geschah,
das über das Offensichtliche hinausging - etwas
Sinnvolles, von göttlicher Instanz geleitet und ihrem
höheren Wesen dienend. Doch noch war sie überzeugt,
das Opfer der Situation zu sein. So war fraglich, ob sie
bereit war, eine Version von Jeffs Verhalten zu hören, die
sie aus dieser Rolle befreien konnte.
Als meine Schwester jedoch begann, die Version vom
Vortag zu wiederholen, entschloss ich mich,
einzuschreiten. Vorsichtig sagte ich: „Jill, wärst du
gewillt, die Situation aus einer neuen Perspektive zu
betrachten? Könntest du mir zuhören, wenn ich dir eine
völlig andere Deutung der Ereignisse vorstelle?"
Sie schaute mich an, als wollte sie sagen: Wie soll es
möglich sein, dass man die Dinge anders interpretieren
kann. Es ist so, wie es ist.1 Jill und ich haben jedoch eine
gemeinsame Geschichte; in der Vergangenheit hatte ich
ihr bei der Lösung eines Beziehungsproblems geholfen.
Also vertraute sie mir genügend, um zu erwidern:
„Meinetwegen. Was schwebt dir vor?"
Dies war das Stichwort, auf das ich gewartet hatte. „Was
ich dir sagen will, klingt vielleicht etwas seltsam, aber
warte bitte mit deinem Widerspruch, bis ich ausgeredet
habe. Bleib einfach offen für die Möglichkeit, dass alles,
was ich sage, stimmt; sieh, ob es für dich am End« Sinn
macht."
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte John zwar versucht, Jill
zuzuhören, doch das sich ständig wiederholende Gespräch
über Jeff hatte ihn allmählich gelangweilt. Am Ende hörte
er ihr überhaupt nicht mehr zu. Ich merkte jedoch, dass er
nun plötzlich die Ohren spitzte.
„Was du uns beschrieben hast, Jill, entspricht sicher der
Wahrheit, wie du sie siehst", begann ich. „Ich bezweifle
nicht, dass alles so geschieht, wie du es erzählst.
Außerdem hat John die Situation in den letzten drei
Wochen mit eigenen Augen gesehen und bestätigt deine
Version. Stimmt's John?", fragte ich meinen Bruder.
„Absolut", bestätigte John. „Es ist wirklich genau so,
wie Jill sagt. Ich fand das auch recht seltsam, und ich
fühlte mich ehrlich gesagt die ganze Zeit ziemlich fehl
am Platze."
„Kein Wunder", sagte ich. „Jedenfalls sollst du wissen,
Jill, dass nichts, was ich gleich sagen werde, deine
Geschichte verneinen oder entkräften soll. Ich glaube,
dass es genau so geschehen ist, wie du es sagst. Ich will
dich nur darauf aufmerksam machen, dass unter der
Oberfläche noch etwas anderes vor sich geht."
„Was meinst du mit .unter der Oberfläche'", fragte Jill
misstrauisch.
„Es ist völlig natürlich anzunehmen, dass das, was da
draußen ist, die ganze Wirklichkeit darstellt", erklärte
ich. „Doch möglicherweise spielt sich hinter dieser
Realität noch viel mehr ab. Wir nehmen nur nichts
weiter wahr, weil unsere fünf Sinne dazu einfach nicht
ausreichen. Das heißt jedoch nicht, dass es nicht so ist."
„Zum Beispiel in deinem Fall. Du und Jeff, ihr seid in
dieses Drama verwickelt. Soviel ist klar. Wie wäre es
jedoch, wenn sich hinter diesem Drama etwas abspielen
würde, was spiritueller ist -dieselben Menschen und
dieselben Ereignisse - aber mit einer gänzlich anderen
Bedeutung? Wie wäre es, wenn eure beiden Seelen
denselben Tanz aufführen würden, jedoch zu einer völlig
anderen Melodie? Wie wäre es, wenn dieser Tanz sich
um deine Heilung drehen würde? Wir wäre es, wenn du
das Ganze als eine Gelegenheit zur Heilung und zum
Wachstum sehen könntest? Das wäre eine völlig andere
Perspektive, oder?"
Beide, sie und John, sahen mich an, als käme ich von
einem anderen Stern. Ich beschloss, die Situation nicht
weiter zu erklären, sondern direkt zur Erfahrung
überzugehen.
„Schau einmal auf die vergangenen drei Monate zurück,
Jill", fuhr ich fort. „Was hast du hauptsächlich gespürt,
als du sahst,
wie sich Jeff so liebevoll gegenüber seiner Tochter
Lorraine verhält?"
Überwiegend Ärger", begann sie, dachte aber weiter
nach. „Frustration", fügte sie hinzu. Dann, nach einer
langen Pause: „Und Trauer. Ich bin wirklich traurig."
Tränen stiegen ihr in die Augen. ..Ich fühle mich so allein
und ungeliebt", sagte sie und begann, still zu schluchzen.
„Es wäre alles nicht so schlimm, wenn ich annehmen
würde, dass er keine Liebe zeigen kann. Aber er kann es,
und er tut es - aber mit ihr\"
Die letzten Worte schrie sie fast, erregt und wütend. Zum
ersten Mal seit ihrer Ankunft verlor sie die Beherrschung
und begann zu schluchzen. Sie hatte vorher ein paar
Tränen vergossen, aber sie hatte sich immer beherrscht
und nicht richtig geweint. Nun konnte sie endlich
loslassen. Ich freute mich, dass Jill so schnell Zugang zu
ihren Gefühlen gefunden hatte.
Ganze zehn Minuten verstrichen, bis sie aufhörte zu
weinen und sie das Gefühl hatte, dass sie sprechen
konnte. An diesem Punkt fragte ich: „Jill, kannst du dich
erinnern, ob du dich jemals so gefühlt hast, als du noch
ein kleines Mädchen warst?" Ohne einen Moment zu
zögern, sagte sie: „Ja". Sie sagte nichts weiter, also bat
ich sie, es zu erklären. Sie brauchte eine Weile für die
Antwort.
„Mein Daddy wollte mir auch keine Liebe geben!",
platzte sie schließlich heraus und begann wieder zu
weinen. „Ich wollte, dass er mich liebt, aber er wollte
nicht. Ich dachte, er könne niemanden lieben! Dann kam
deine Tochter, Colin. Er liebte sie. Aber warum konnte er
mich nicht lieben? Verdammt noch mal!" Sic schlug hart
mit der Faust auf den Tisch, als sie diese Worte
herausschrie, und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Jill bezog sich auf meine älteste Tochter Lorraine.
Zufällig hatten sie und Jeffs älteste Tochter denselben
Namen. Oder war es mehr als ein Zufall?
Zu weinen, tat Jill gut. Ihre Tränen lösten ihre Gefühle
und waren möglicherweise ein Wendepunkt für sie. Ich
dachte, ein echter Durchbruch könne nun nicht mehr
weit entfernt sein. Ich musste ihr nur noch ein paar
Anstöße geben.
„Erzähl mir über den Vorfall mit meiner Tochter
Lorraine und Vater", sagte ich.
Jill raffte sich auf und sagte: „Ich fühlte mich von
meinem Vater immer ungeliebt und hatte immer
Sehnsucht nach seiner Liebe. Niemals hielt er meine
Hand, und nur selten nahm er mich auf den Schoß.
Immer hatte ich das Gefühl, dass mit mir etwas nicht
stimmt. Als ich älter war, sagte mir meine Mutter, mein
Vater könne niemanden lieben, nicht einmal sie. In
diesem Moment fand ich mich mehr oder weniger damit
ab. Wenn er wirklich niemanden lieben konnte, war es
vielleicht nicht mein Fehler, dass er mich nicht liebte. Er
liebte wirklich niemanden. Er machte sich nicht einmal
viel aus meinen Kindern - seinen eigenen Enkelkindern -
geschweige denn aus Menschen, die nicht zur Familie
gehörten. Er war jedoch kein schlechter Vater. Er konnte
nur nicht lieben. Er tat mir leid."
Sie weinte ein wenig mehr und nahm sich diesmal etwas
mehr Zeit. Ich wusste, was sie meinte, als sie von
unserem Vater sprach. Er war ein freundlicher und
zartfühlender Mann, sehr still und zurückgezogen. Er
schien meist für niemanden emotional zugänglich zu
sein.
Als Jill sich wieder etwas gefangen hatte, fuhr sie fort:
„Ich erinnere mich an einen bestimmten Tag bei uns zu
Hause. Deine Tochter Lorraine war etwa vier oder fünf
Jahre alt. Mom und Dad waren aus Leicester zu Besuch,
und wir alle kamen zu euch nach Hause. Ich sah, wie
Lorraine Dad an der Hand nahm. Sie sagte: „Komm Opa,
ich zeige dir den Garten und alle meine Blumen.“ Er war
wie Wachs in ihren Händen. Sie führte ihn überall hin
und redete und redete und redete und zeigte ihm alle
Blumen.
Sie umgarnte ihn. Ich beobachtete sie die ganze Zeit aus
dem Fenster. Als sie wieder hereinkamen, setzte er sie auf
seinen Schoß und war so verspielt und gut gelaunt, wie
ich ihn niemals erlebt hatte."
„Ich war völlig niedergeschlagen. Also kann er doch
lieben, dachte ich. Wenn er Lorraine lieben konnte,
warum dann nicht mich?" Die letzten Worte waren ein
Flüstern, gefolgt von vielen Tränen voller Kummer und
Trauer. Tränen, die sie all die Jahre aufgestaut hatte.
Ich hatte den Eindruck, wir hätten vorerst genug getan,
und schlug vor, einen Tee zu machen. (Wir sind
Engländer und trinken bei jeder Gelegenheit Tee.)
Vom Standpunkt der Radikalen Vergebung aus betrachtet
war Jeffs seltsames Verhalten unbewusst darauf
ausgerichtet, Jill zu helfen, die unverarbeitete Beziehung
mit ihrem Vater zu heilen. Wenn sie dies sehen und die
Vollkommenheit von Jeffs Verhalten erkennen könnte,
würde ihre Verletzung heilen - und Jeffs Verhalten sich
höchstwahrscheinlich ändern. Ich war mir jedoch nicht
sicher, wie ich dies Jill auf eine ihr momentan
einleuchtende Weise erklären konnte. Glücklicherweise
brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen. Sie kam ganz
von selbst auf diesen offensichtlichen Zusammenhang.
Später an diesem Tag fragte sie mich: „Colin, findest du
es nicht auch seltsam, dass Jeffs und deine Tochter
denselben Namen haben? Und mehr noch: Beide sind
blond und sind die ältesten Kinder. Ist das nicht ein
seltsamer Zufall! Glaubst du, dass es da einen
Zusammenhang gibt?"
Ich lachte und erwiderte: „Mit Sicherheit. Dies ist der
Schlüssel zum Verständnis der gesamten Situation."
Sie sah mir lange tief in die Augen. „Was meinst du
damit?"
„Das musst du schon selbst herausfinden", erwiderte ich.
„Siehst du noch mehr Ähnlichkeiten zwischen dieser
Situation mit Dad und meiner Lorraine und deiner
gegenwärtigen Situation?"
„Mal sehen ...", sagte Till. „Beide Mädchen haben
denselben Namen. Beide scheinen in ihrem Leben das zu
bekommen, was ich von den Männern in meinem Leben
niemals bekam."
„Was ist das?", fragte ich nach.
„Liebe", flüsterte sie.
„Sprich weiter", forderte ich sie vorsichtig auf.
„Es scheint, dass deine Lorraine von Dad die Liebe
bekommt, die ich nicht bekam. Und Jeffs Tochter
Lorraine bekommt von ihrem Dad auch alle Liebe, die
sie will - aber auf meine Kosten. O Gott!", rief sie aus.
Anscheinend begann sie zu verstehen.
„Aber warum? Ich sehe die Ursache nicht. Es ist etwas
beängstigend. Was geht da vor?" fragte sie in Panik.
Es war Zeit, das Puzzle für sie zusammenzusetzen. „Lass
mich erklären, wie es funktioniert", sagte ich. „Dies ist
ein perfektes Beispiel dafür, dass - wie ich vorhin sagte -
eine völlig andere Realität hinter dem Drama, das wir
,Leben' nennen, steht. Glaub' mir, es gibt nichts, wovor
du Angst haben müsstest. Wenn du siehst, wie es
funktioniert, wirst du mehr Vertrauen, mehr Sicherheit
und mehr inneren Frieden spüren, als du es jemals für
möglich gehalten hättest. Du wirst erkennen, wie wir
durch das Universum oder Gott, wie auch immer du es
nennen willst, getragen werden, in jedem Moment jeden
Tages, ganz gleich, wie schlimm uns die Lage erscheinen
mag", sagte ich so zuversichtlich, wie ich konnte.
„Aus spiritueller Perspektive betrachtet, ist unsere
Unzufriedenheit mit einer gegebenen Situation ein
Zeichen dafür, dass wir spirituell aus dem Gleichgewicht
geraten sind und sich uns eine
Gelegenheit bietet, etwas zu heilen. Es kann ein echter
Schmerz sein oder auch ein vergifteter Gedanke, der uns
davon abhält, unser wahres Selbst zu sein. Wir sehen es
jedoch häufig nicht aus dieser Perspektive. Stattdessen
beurteilen wir die Situation und machen andere dafür
verantwortlich, was geschieht. Dies hält uns davon ab,
die Botschaft zu verstehen und unsere Lektion zu lernen.
Es verhindert unsere Heilung. Wenn wir nicht heilen, was
geheilt werden muss, bleibt uns nichts anderes übrig, als
weitere Unzufriedenheit zu erzeugen, bis wir buchstäb-
lich gezwungen sind, uns zu fragen: ,Was geht hier
eigentlich vor?' Manchmal muss die Botschaft sehr laut
sein oder der Schmerz unerträglich, bevor wir anfangen,
hinzuschauen. Eine lebensbedrohliche Krankheit etwa ist
eine deutliche Botschaft. Doch manche Menschen sehen
den Zusammenhang zwischen dem aktuell Geschehenden
und der Chance zur Heilung selbst im Angesicht des
Todes nicht."
„In deinem Fall ist das zu Heilende dein alter Schmerz
hinsichtlich deines Vaters und der Tatsache, dass er dir
niemals Liebe zeigte. Darum geht es bei deinem
aktuellen Schmerz und deiner Unzufriedenheit. Dieser
Schmerz entstand immer wieder, in den verschiedensten
Situationen. Aber da du die Gelegenheit nicht erkanntest,
konnte die Verletzung nicht heilen. Daher ist es ein
Geschenk, wenn der Schmerz nun wiederkommt und dir
Gelegenheit gibt, hinzusehen und Gesundung zu
ermöglichen."
„Ein Geschenk?", fragte Jill. „Du meinst, es ist ein
Geschenk, weil darin eine Botschaft für mich enthalten
ist? Eine Botschaft, die ich schon vor langer Zeit hätte
erhalten sollen, wenn ich sie nur verstanden hätte?"
„Genau", sagte ich. „Hättest du es damals verstanden,
wäre deine Unzufriedenheit geringer gewesen, und du
müsstest nicht durch das gegenwärtige Leiden gehen.
Doch es spielt keine Rolle. Jetzt ist es auch gut. Es ist
perfekt. Du brauchst keine lebens-
bedrohliche Krankheit, um zu begreifen, wie es so viele
Menschen tun. Du beginnst, es zu verstehen - und zu
heilen."
„Lass mich dir einmal genau erklären, was geschehen ist
und wie es dein Leben bis heute beeinflusst hat", sagte
ich. Ich wollte, dass sie die Dynamik ihrer gegenwärtigen
Situation klar vor Augen hatte.
„Als kleines Mädchen fühltest du dich verlassen und
ungeliebt von deinem Dad. Dies ist eine
niederschmetternde Erfahrung. Aus
entwicklungspsychologischer Sicht ist es notwendig für
ein junges Mädchen, sich vom Vater geliebt zu fühlen.
Da du diese Liebe nicht gefühlt hast, hast du daraus
geschlossen, dass etwas mit dir nicht stimmt. Du
begannst, wirklich daran zu glauben, dass du nicht
liebenswert und nicht gut genug bist. Dieser Glaube
verankerte sich tief in deinem Unterbewusstsein und
begann später- als es zu Beziehungen kam - dein Leben
zu ruinieren. In gewisser Weise kam es immer wieder zur
Bestätigung dieser unbewussten Überzeugung: Es gab in
deinem Leben genügend Situationen, die dir
vorspiegelten, du seist in der Tat nicht gut genug. Unser
Leben wird immer unsere Überzeugungen bestätigen."
„Für dich als Kind war der Schmerz, die Liebe deines
Vaters nicht zu bekommen, mehr, als ein Kind ertragen
konnte. Also hast du einen Teil des Schmerzes - und
damit noch viel mehr - unterdrückt. Wenn man ein
Gefühl unterdrückt, weiß man, dass es da ist, aber man
frisst es in sich hinein. Unterdrückte Gefühle werden so
tief im Unterbewusstsein vergraben, dass man sich ihrer
nicht mehr bewusst ist."
„Später, als du merktest, dass dein Vater von Natur aus
kein liebevoller Mensch ist und wahrscheinlich
niemanden lieben konnte, begannst du dich etwas davon
zu erholen, nicht von ihm geliebt zu werden. Du
begannst zu heilen. Wahrscheinlich hast du begonnen,
einen Teil des unterdrückten Schmerzes loszulassen und
einen Teil deiner Überzeugungen aufzugeben, dass du
nicht
liebenswert bist. Wenn er wirklich niemanden lieben
konnte, war es vielleicht doch nicht dein Fehler, dass er
dich nicht liebte."
„Doch in diesem Moment platzte die Bombe, die dich
wieder ganz zum Anfang zurückwarf. Als du
beobachtetest, wie er meine Lorraine liebte, löste dies in
dir deine ursprüngliche Überzeugung wieder aus. Du
sagtest dir, mein Vater kann doch liehen, aber er liebt
nicht mich. Es ist offensichtlich doch mein Fehler. Ich hin
meinem Vater nicht gut genug, und ich werde niemals für
einen Mann gut genug sein.' Von diesem Zeitpunkt an
führtest du immer wieder Situationen herbei, die dich in
der Überzeugung bekräftigten, nicht gut genug zu sein."
„Wie habe ich das gemacht?", unterbrach mich Jill. „Ich
kann nicht erkennen, wie ich es geschafft habe, in
meinem Leben nicht gut genug zu sein."
„Wie war deine Beziehung zu Henry, deinem ersten
Mann?", erwiderte ich. Sie war mit Henry, dem Vater
ihrer vier Kinder, 15 Jahre lang verheiratet gewesen.
„In vieler Hinsicht nicht schlecht, doch er war so untreu.
Er suchte immer nach Gelegenheiten, mit anderen Frauen
Sex zu haben, und ich fand das furchtbar."
„Genau. Und du sahst ihn als den Bösen und dich als das
Opfer in der Situation. Die Wahrheit ist jedoch, dass du
ihn genau deshalb in deinem Leben angezogen hast, weil
du auf einer bestimmten Ebene wusstest, dass er deine
Überzeugung, nicht gut genug zu sein, bestätigen würde.
Indem er untreu war, bekräftigte er dich in dieser
Selbsteinschätzung."
„Willst du damit sagen, dass er mir einen Gefallen getan
hat? Das kaufe ich dir so nicht ab!", sagte sie lachend,
aber gleichzeitig mit einer Spur unübersehbaren Ärgers.
„Zumindest hat er dich in deinem Glauben bestärkt, oder
nicht?", erwiderte ich. „Du warst so deutlich nicht gut
genug, dass
er sich immer nach anderen, besseren Frauen umschaute.
Wenn er das Gegenteil getan und dich ständig so
behandelt hätte, als seiest du vollkommen genug, hättest
du in deinem Leben ein anderes Drama erschaffen, um
deine Überzeugung zu bekräftigen. Deine Überzeugungen
über dich selbst, selbst wenn sie völlig unzutreffend waren,
machten es dir unmöglich, gut genug zu sein."
„Ebenso hätte Henry wahrscheinlich sofort aufgegeben,
sich an deine Freundinnen heran zu machen, wenn du
damals deine Überzeugung geändert hättest, indem du
deinen ursprünglichen Schmerz um deinen Vater geheilt
und dein Selbstwertgefühl in gut genug geändert hättest.
Wenn er es nicht aufgegeben hätte, dann hättest du
wahrscheinlich überhaupt kein Problem damit gehabt,
ihn zu verlassen - um jemand anderen zu finden, der dich
so behandelt, als seist du gut genug. Wir erzeugen uns im-
mer unsere eigene Realität
gemäß
unseren
Überzeugungen. Wenn du deine Glaubensmuster kennen
lernen möchtest, dann schau dir an, was du in deinem
Leben hast. Unser Leben ist immer ein Spiegelbild
unserer Überzeugungen."
Till schien ein wenig verwundert, also beschloss ich, einiges
noch etwas genauer zu beschreiben. „Jedes Mal, wenn
Henry dich betrog, gab er dir die Gelegenheit, deinen alten
Schmerz zu heilen. Dein alter Schmerz war der, von
deinem Vater nicht geliebt zu werden. Henry stellte deine
Überzeugung, niemals gut genug für einen Mann zu sein,
unter Beweis und agierte sie für dich aus. Die ersten
Male, als dies geschah, warst du wahrscheinlich so
wütend und aufgeregt, dass du leicht mit deinem alten
Schmerz hättest in Kontakt kommen und mit deinen
Überzeugungen über dich selbst vertraut werden können.
Als Henry dich die ersten Male betrog, waren dies die
ersten Gelegenheiten, Radikale Vergebung zu üben und
deine alte Verletzung zu heilen. Doch du hast diese
Chancen verpasst. Du beschuldigtest ihn jedes Mal und
schlüpftest in die Opferrolle. So wurde Heilung
unmöglich."
Was meinst du mit Vergebung?", fragte Jill sehr besorgt.
„Meinst du. ich hätte ihm verzeihen sollen, als er meine
beste Freundin und alle möglichen anderen Frauen
verführte?"
„Ich meine, er gab dir damals eine Gelegenheit, mit
deinem alten Schmerz in Kontakt zu kommen und zu
sehen, dass eine bestimmte Überzeugung über dich selbst
dein Leben beherrscht. Indem er dies tat, gab er dir die
Gelegenheit, deine Überzeugungen /.u verstehen und zu
verändern und damit deine ursprüngliche Verletzung zu
heilen. Das meine ich mit Vergebung. Kannst du
erkennen, dass Henry deine Vergebung verdient?"
Ja, ich glaube, ich kann", sagte sie. „Er spiegelte jene
Überzeugung wider, in die ich mich geflüchtet hatte, weil
ich mich von I )ad ungeliebt fühlte. Er bestätigte mir,
dass ich nicht gut genug war. Ist es das, was du meinst?"
„|a, und dafür, dass er dir diese Gelegenheit gab, verdient
er Anerkennung- mehr, als dir im Augenblick bewusst
ist. Wir wissen nicht, ob er sein Verhalten geändert hätte,
wenn du dein Problem mit deinem Dad damals hättest
auflösen können. Oder ob du ihn vielleicht verlassen
hättest. In jedem Fall wäre er dir eine große Hilfe
gewesen. In diesem Sinn verdient er nicht nur deine
Vergebung, sondern sogar deine Dankbarkeit. Und -
weißt du was? Es war nicht sein Fehler, dass du die
wahre Botschaft hinter seinem Verhalten nicht
erkanntest."
„Es ist sicher nicht leicht für dich, es so zu sehen: dass er
versuchte, dir ein großes Geschenk zu machen. Wir
haben nicht gelernt, es so zu sehen. Wir haben nicht
gelernt, auf das Geschehen zu schauen und zu sagen:
„Sieh mal an, was ich in meinem Leben erschaffen habe.
Ist das nicht interessant?“ Stattdessen haben wir gelernt,
zu urteilen, zu beschuldigen und anzuklagen. Wir haben
gelernt, Opfer zu sein und Vergeltung zu suchen. Nicht
erworben haben wir den Glauben daran, dass unser Leben
von Kräften gelenkt wird, die über unser bewusstes
Denken hinausgehen.
Nicht erworben haben wir das Wissen darum, was in
Wirklichkeit der Fall ist."
„Tatsächlich war es nämlich Henrys Seele, die versucht
hat, dich zu heilen. An der Oberfläche hat Henry nur
seine sexuelle Leidenschaft ausgelebt. Doch seine Seele
- die mit deiner Seele zusammenarbeitete - setzte diese
Leidenschaft für dein spirituelles Wachstum ein. Diese
Erkenntnis ist Radikale Vergebung. Der Sinn der
Radikalen Vergebung liegt darin, die Wahrheit unter der
Oberfläche der jeweiligen Lebensumstände zu sehen und
jene Liebe zu erkennen, die dort jederzeit herrscht."
Ich spürte, dass Till die beschriebenen Prinzipien besser
verstehen würde, wenn wir eine Beziehung zur aktuellen
Situation herstellten. Also forderte ich sie auf: „Lass uns
noch einmal auf Jeff zurückkommen und sehen, wie
diese Prinzipien in deiner gegenwärtigen Beziehung
aktiv sind. Am Anfang ist Jeff extrem liebevoll mit dir
umgegangen. Er schwärmte für dich, tat alles für dich,
kommunizierte mit dir. An der Oberfläche schien das
Leben mit Jeff ziemlich gut zu sein."
„Denk' jedoch daran, dass dies nicht zu dem Bild passte,
was du von dir selbst hattest - deinem Glauben über dich
selbst. Danach durftest du keinen Mann haben, der dir
soviel Liebe entgegenbringt. Schließlich bist du ja nicht
gut genug."
Jill nickte zustimmend, aber wirkte noch immer unsicher
und ziemlich perplex.
„Deine Seele weiß, dass du diese Überzeugung heilen
musst, also verbündet sie sich mit Jeffs Seele, um es dir
deutlich zu machen. An der Oberfläche scheint es, als
würde Jeff anfangen, sich seltsam und ungewöhnlich zu
verhalten. Dann verhöhnt er dich, indem er eine andere
Lorraine liebt und so dasselbe Theater veranstaltet, das
du vor vielen Jahren mit deinem Vater durchlitten hast.
Er scheint dich gnadenlos zu verfolgen, und du fühlst
dich
vollkommen hilflos und als Opfer. Beschreibt dies mehr
oder weniger deine gegenwärtige Situation?", fragte ich.
„Ich glaube schon", sagte Jill leise. Sie runzelte etwas die
Stirn, als versuche sie, das neue Bild ihrer Situation
allmählich klar zu sehen.
„Nun, es ist mal wieder soweit. Du hast die Wahl. Du
kannst dich entscheiden, zu heilen und zu wachsen - oder
Recht zu haben", sagte ich und lächelte sie an.
„Wenn du die Wahl triffst, die Leute normalerweise
treffen, wirst du dich dafür entscheiden, lieber das Opfer
zu sein und Jeff zu beschuldigen. Das ermöglicht es dir,
im Recht zu sein. Schließlich scheint sein Verhalten
ziemlich grausam und ungerecht. Es gibt zweifellos viele
Frauen und Männer, die dich dabei unterstützen würden,
solltest du als Reaktion darauf drastische Schritte ein-
leiten. Haben nicht die meisten deiner Freunde gesagt, du
solltest ihn verlassen?"
„Ja. Alle meinen, ich solle diese Ehe beenden, wenn er
sich nicht ändert. Ich hatte eigentlich gedacht, du würdest
das auch sagen", sagte sie mit einem enttäuschten
Unterton.
,Vor ein paar Jahren hätte ich es wahrscheinlich auch
getan", sagte ich und lachte. „Seit meiner Einführung in
diese spirituellen Prinzipien hat sich meine Sichtweise
solcher Situationen jedoch geändert, wie du sehen
kannst", erklärte ich und lächelte John verschmitzt an. Er
lächelte zurück, schwieg aber.
Ich fuhr fort: „Du hast es sicher bereits vermutet. Die
Alternative besteht darin, anzuerkennen, dass unter der
Oberfläche des Geschehens noch etwas weitaus
Bedeutenderes - und möglicherweise sehr Nützliches -
vor sich geht. Die Alternative besteht also darin,
anzuerkennen, dass Jeffs Verhalten eine andere Botschaft
beinhaltet, eine andere Bedeutung und Absicht; und dass
sich in der Situation ein Geschenk für dich verbirgt."
Gruß
Aus Colin Tipings
Radical Forgiveness
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Beitrag zuletzt bearbeitet: 26.12.2012 19:17