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re[3]: sterbebegleitung
myrrhe * schrieb am
25. September 2005 um 19:35 Uhr (601x gelesen):
Hallo Albine,
nein, ich denke nicht, daß du so würdest wie so viele andere Schwestern - vielleicht wegen deines spirituellen Wissens, das dir Kraft und Stütze ist.
Meine Mutter war 11 Monate wegen Leukämie im Spital. In so einer langen Zeit bauen sich zwischenmenschliche Beziehungen auf. Meine Mutter war sehr beliebt, weil sie ein so offenes Wesen hatte, nie jammerte trotz ihrer schweren Krankheit und ihrer Angst vor dem Tod.
Eine Schwester war vier Wochen auf Urlaub. In dieser Zeit verfiel meine Mutter recht plötzlich - die Chemos hatten sie kaputt gemacht, und sie wollte nicht mehr kämpfen. In dieser letzten Zeit war sie praktisch nicht mehr dieselbe im Aussehen, wie noch vor drei Wochen. Die Schwester kam aus dem Urlaub - und fand meine Mutter moribund ... sie lief weinend aus dem Zimmer. Der seelische Druck war zu groß ... Nach dem Tod meiner Mutter eine Woche später verließ sie die Onkologie.
Ich verstehe es ... ich weiß um den Tod, und dennoch spüre ich diese große Last, die auf dem Pflegepersonal (und auch den Ärzten) lastet ... nichts tun können ... den Dingen ihren Lauf geben müssen. Es ist ein großer Druck.
Und diesen Druck spüren die Sterbenden. Aber sie halten den Druck doch selbst nicht aus, sie müssen ja selbst loslassen, können nicht den Druck der anderen auch noch aushalten in diesem erhabenen Moment. Daher gehen sie so gerne, wenn kein Angehöriger dabei ist ... auch mein Mann ging allein, meine Mutter, mein Vater. Und es ist richtig so. Aber ich verstehe sie, daß sie "zugreifen", wenn sie jemanden finden, der die Kraft, das Wissen hat, bei ihnen zu sein, sie weder fallen zu lassen noch sie zu ignorieren noch sie festhalten zu wollen. Ich denke, das würde ich auch tun ... dankbar die Kraft des Daseins annehmen.
> ci h bin der selben Meinung wie du. Ich hatte das Gefühl, die Sterbenden suchen in meinen Augen Schutz und Sicherheit, um keine Angst haben zu müssen.
> Würdest du auf ein wackeliges Boot steigen, wenn dir eine Person die Arme entgegenstreckt, in deren Augen du zu sehen vermagst, das sie Angst hat, dich nicht halten zu können?
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aber die Angst verbindet auch ....
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> Sterbende sind zweifels ohne sehr sensibel!
> Ich spüre ihre Angst, habe aber keine Kraft, sie ihnen zu nehmen...
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das mußt du auch nicht! Dasein ist das Entscheidende. Dich auf ihren Level stellen, ihnen zeigen, daß du ihre Angst spürst und auch selbst Angst hast, weil du nicht-wissend bist - das ist dennoch stärkend ....
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> >>Krankenschwestern müssen sich oft innerlich abschotten, um Leid und Abschied ertragen zu können, und verstecken dann ihr Inneres, sind "unbeteiligt".
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> Das ist richtig, aber findest du nicht, dass sie das Geschehen und die Schwinung, wenn auch nur unbewusst gefühlt, immer in ihrem Unterbewusstsein mit sich tragen?
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ja, natürlich, und das ist es ja auch, was Sterbende spüren. Ich denke aber, je bewußter diese Dinge gemacht werden, je bewußter sich die Pflegenden damit auseinandersetzen können, desto freier werden sie. Auch wenn dann Angst und Schmerz und Abschied da sind: es kann anders gelebt werden. Ich habe mit Hospiz-Pflegepersonal gesprochen (mein Mann war ja beim Mobilen Caritas-Hospiz): Menschen, die diese Gefühle auch haben, aber bewußt damit umgehen. Nicht zuletzt auch in Gesprächsgruppen, die im Hospiz regelmäßig stattfinden.
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> Sich vor Leid abschotten heißt nicht, sich zu schützen. Heißt es, den Sterbenden zu schützen? Schützt ihn das?
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nein. Sich vor Leid abschotten ist ein Versuch, sich selbst zu schützen. Es schützt nicht den Sterbenden, der ja sensitiviert ist als Wanderer zwischen den Welten und genau spürt, was in den Pflegepersonen vor sich geht. Es gibt ja auch gegenseitige freundschaftliche Bindungen .... das ist noch ein Abschied mehr. Abschotten - verdrängen - ist aber keine Dauerlösung: ich denke, daß regelmäßige Gespräche unbedingt notwendig sind, damit Pflegende ihren inneren Gefühlen des Schmerzes und des Verlustes Ausdruck geben können.
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> Ich möchte nie so gefühlskalt werden und ich spüre tief in mir, dass ich es auch nie werde.
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das wirst du auch nicht.
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Einen lieben Gruß,
myrrhe
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