Im Sommer 2002 bekam ich von
meinem Guru eine Gurueinweihung.
Ich möchte hier gerne
einmal erklären, wie ich meine Rolle als Guru sehe, dazu muss ich etwas
ausholen in meinen Erklärungen.
Schon das Wort
"Guru" löste früher bei mir die totale Abwehr aus. Als ich meinen
spirituellen Lehrer übers Internet fand, wusste ich anfangs nicht, dass
er ein Guru war. Als ich es heraus fand, leuchteten bei mir alle roten
Alarmlämpchen im Gehirn auf. Ich suchte per Suchmaschine nach Gurus und
stieß immer wieder auf die Aussagen: "Der Schüler ist dem Guru
absoluten Gehorsam schuldig und er muss dem Guru absolutes Vertrauen
entgegenbringen. Der Schüler betet den Guru an wie einen Gott, weil der
Guru die Manifestation Gottes auf Erden ist" etc. etc. Das ging
dann weiter bis zum Stirnkuss auf die Füße des Gurus, der
Verherrlichung des Gurus usw.
Huuuh, für mich eine nach
wie vor schreckliche Vorstellung. Ach ja, mein Ego sollte ich auch noch
dem Guru schenken.
Als erstes schrieb ich
meinem Lehrer, dass ich nicht willens war mich einem anderen Menschen
derart auszuliefern - keinem Menschen auf dieser Welt - ob Guru oder
nicht Guru. Dann erklärte ich ihm, dass mir sein Gurutitel schnurzegal
war :-), dass ich meinen kritischen Verstand nicht ablegen würde. Ich
dachte mir, wenn er damit nicht umgehen kann, dann ist er sowieso nicht der richtige
Lehrer für mich.
Zusätzlich war ich ab dieser Zeit alarmiert für den Fall, dass sich
irgendwelche Hinweise auf eine Sekte auftun würden.
Mein Lehrer reagierte belustigt, betonte, dass er nicht solche Dinge von
mir erwarten würde, aber ich blieb weiterhin innerlich wachsam.
In der nun folgenden Zeit
kamen während meiner Astralreisen immer wieder Hinweise darauf, dass
mir die Lebensaufgabe eines Gurus zugedacht war in der Zukunft. Ich
schob diese Hinweise weg, das kam mir absurd vor, ich doch nicht, so
etwas ist ja lächerlich, habe ich mir gedacht. Die machen Scherze da
"oben". Mit meiner großen Klappe und mit meiner
Gurufeindlichkeit kriegen die mich niemals da hin, wo sie mich hinhaben
wollen. Es *war* absurd!
Ich unternahm extra
Astralreisen in die Zukunft um mir selbst zu bestätigen, dass dieser
Quatsch niemals stimmen könnte. Aber Pustekuchen, immer wieder bekam
ich die gleiche Auskunft. Dann wurde ich sauer. Wie kamen die astralen
Helfer dazu, mir etwas "aufschwatzen" zu wollen, was ich
nicht will? Das kam überhaupt nicht in Frage, ich mache das was ich
will und nicht das, was jemand versucht mir einzureden!!!!
Soweit so gut :-).
Im Laufe meiner Ausbildung änderte sich mein Verhältnis zu meinem
Lehrer immer mehr in eine sehr innige Liebesbeziehung. Keine sexuelle
Liebesbeziehung, damit da keine Mißverständisse aufkommen. Mein
Vertrauen zu ihm wuchs, da ich feststellte, dass seine Vorschläge und
die spirituelle Führung richtig für mich waren. Hin und wieder flippte
ich ziemlich aus, wenn ich das Gefühl bekam, hier überschreitet er
seine Kompetenzen. Ich wurde böse, war verletzt, schimpfte wie ein
Rohrspatz, bis ich irgendwann in meiner Wut auf den Gedanken kam, mal
bei mir selbst nachzukucken. Warum regte ich mich so auf bei meist
banalen Äußerungen von ihm? Noch nie in meinem Leben hatte es jemand
geschafft mich so häufig "auf die Palme" zu bringen. Das
musste etwas mit MIR zu tun haben, nicht mit ihm, sonst hätte ich ja
lachen können darüber. Spätestens an diesem Punkt kam ich an eines
meiner ungeliebten Probleme heran, die ich schon immer erfolgreich
"weggebuddelt" hatte. Ich schmorte darin herum, es ging mir
sehr schlecht, alle meine miesen Eigenheiten, die mit diesem speziell
anliegenden Problem zusammenhingen kamen aus den gut gehüteten dunklen
Ecken meines UBW hoch. Keine sehr angenehme Sache, sich selbst
ungeschönt ins Gesicht zu blicken. Na ja, ich will das nun nicht noch
unnötig in die Länge ziehen, jedenfalls das spezielle Problem löste sich auf.
Ansonsten, wenn ich ihn bei
alten eingefahrenen erlernten Guruverhaltensweisen erwischte - was sehr
selten geschah -, dann nahm ich ihn sofort damit auf die Schippe und wir
lachten gemeinsam darüber. Seine Selbstkritikfähigkeit, Weltoffenheit
und sein Humor sind wunderbare Eigenschaften von ihm. Ich bin überzeugt
davon, dass er von mir auch eine ganze Menge gelernt hat :-). In einer
menschlichen Beziehung, egal welcher Art sollte jeder vom anderen
lernen. Einen "Gurubonus" hat er bei mir nie gehabt, eher das
Gegenteil war bei mir der Fall.
Irgendwann wurde mir klar,
dass ich ihn so liebte, wie eine Yogaschülerin ihren Guru
*richtig* lieben sollte. In den alten Schriften wird die Ehrfurcht
betont und es ist gemeint, dass der Guru geliebt wird wie eine Gottheit
vom Devotee. Dieses Verhalten wird von mir abgelehnt und es wird von
meinem Guru abgelehnt. Ich liebe ihn aber nicht, weil dieses
von ihm eingefordert wurde, sondern es geschah, weil sich im Laufe der
Zeit diese besondere Liebe und größtes Vertrauen in seine
spirituelle Führung durch die Erfahrung und das Miteinander entwickelt
hatte. Ich liebe nicht nur seine spirituelle Seite, sein enormes Wissen, das Bibliotheken füllen
könnte und seine hohe Intellektualität, sondern auch seine
menschliche sehr liebevolle Seite und seine menschlichen Schwächen,
alles gehört zusammen und ergibt erst eine Persönlichkeit. Diese Liebe
ist mit keiner Liebe vergleichbar, die ich vorher in meinem Leben
erfahren habe.
VERTRAUEN KANN MAN NICHT
EINFORDERN!
LIEBE KANN MAN NICHT EINFORDERN!
Beides muss wachsen und sich
entwickeln können.
Erst als mir das klar wurde, habe ich ihn als meinen Guru angenommen und
erst ab da war er mein Guru.
Diese Geschichte musste ich
vorausschicken um nun zum eigentlichen Thema, meiner eigenen
Gurueinweihung und Gurueinstellung zu kommen.
Mein Mann kam irgendwann
nach Hause und erzählte, dass er gelesen hat, das Wort "Guru"
würde bedeuten "Einer, der Menschen ins Licht bringt". Diese
Erklärung gefiel mir sehr gut und söhnte mich mit dem Guruwort etwas
aus. Mittlerweile gibt es Börsengurus, Surfgurus und was weiß ich noch
alles. Guru ist ein Modewort geworden, aber gegen spirituelle Gurus gibt
es immer noch mengenweise Vorurteile, die in vielen Fällen sicherlich
auch gerechtfertigt sind. "Guru" kann auch Macht bedeuten und
wo Macht im Spiel ist gibt es auch oft genug Machtmissbrauch.
Ich fing also an, mich damit
auseinanderzusetzen, packte meine Vorurteile erst mal beiseite und
beleuchtete den Hintergrund dieser Tätigkeit von allen Seiten. Das war
nicht so ganz einfach, ich kannte ja nur meinen Guru und den hatte ich
als einen Menschen kennen gelernt, den ich und der mich über alles
liebte. Wie sollte das aber mit vielen Menschen gleichzeitig gehen? Ich
konnte mich nur auf die Berichte im Internet stützen und auf Berichte
von Yogis, die mich besuchten und die andere Gurus in Indien oder Europa
erlebt hatten. Es wurde einiges berichtet, was mir nicht gefiel.
Mein Lehrer wollte mich nun
als Guru einweihen.
Ich wollte immer noch nicht. Erst wenn ich selbst das Gefühl hatte, es
sei richtig für mich und ich sei bereit dazu, wollte ich zustimmen. Es
verging eine ganze Zeit in der ich mich damit beschäftigte, parallel
dazu lief meine spirituelle Ausbildung astral und hier weiter.
Irgendwann hatte ich dann in einer Entspannung eine plötzliche
Erkenntnis, dass es nun so weit sei und ich bereit sei diese Einweihung
zu bekommen. Ich war in einem sehr außergewöhnlichen Zustand, ich
strahlte, ich zerfloss in Liebe, meine Beine gaben nach, ich war mehr im
Himmel als hier.
Mein Guru gab mir den
Gurusegen. Bei dieser Einweihung geschahen sehr ungewöhnliche Dinge mit
mir.
Das ist nun über ein Jahr
her und ich bin immer noch dabei meine Rolle als Guru zu definieren.
Wahrscheinlich werde ich ein Leben lang dafür lernen.
Einiges ist mir mittlerweile
klar geworden. Ich bin nicht der Guru von jedem. Ich bin Yogalehrerin in
meinen Kreisen und im Ashram. Ein Guru - Schüler Verhältnis ist etwas
sehr Seltenes und Besonderes und es entsteht nur durch gegenseitige
absolute Liebe und es entsteht nur durch langsam wachsendes Vertrauen.
Wahrscheinlich unterscheide
ich mich in meinem Guruverständnis so von der Mehrheit anderer Gurus.
Sobald ich merke, dass bei Einzelnen eine Art indisch dogmatische
Guruverehrung vorkommt, bemühe ich mich, entgegenzuwirken. Ich bin nach
wie vor ein normaler Mensch mit normalen menschlichen Fehlern und Macken
und es ist mir wichtig, dass meine Yogaschüler mich auch so sehen. Es
ist eine verflixt einsame Sache auf einen Sockel gestellt zu werden und
außerdem stürzt man dann beim geringsten Fehler (auf dem Sockel wird
man natürlich gleich auch fehlerlos gemacht) tief hinunter. Ich mache
Fehler, gerade durch Fehler kann man lernen. Mein Lehrer hat einmal gesagt:
"Dadurch dass man seine Schwächen und Fehler akzeptiert, kann man
sie transformieren; aus Schlamm wird Humus. Ohne Humus wächst keine
Blume zur Sonne." Dieser Satz trägt für mich viel Weisheit in
sich, er lässt sich z.B. auch auf das Mantra "Om mani padme hum"
= "Das Juwel in der Lotosblüte" anwenden. Ohne die unteren
Chakren zu aktivieren kann sich die Lotosblüte nicht zum Himmel
erheben, sie braucht den Humus zum wachsen und dann entsteht in ihr das
Juwel.
Ich arbeite an mir, aber ich
werde nie vollkommen sein, das fände ich auch sehr langweilig. Ein
Mensch setzt sich zusammen aus vielen Persönlichkeitsaspekten und erst
das macht ihn lebendig und warm.
Und ein Mensch bleibe ich, solange ich hier lebe, trotzdem ich laut
indischer Lehre die höchsten kosmischen Zustände erlebt habe. Und ich
laufe nun nicht plötzlich seit der Gurueinweihung nur noch weise
Sprüche von mir gebend durch die Gegend. Weise Sprüche haben schon so
viele vor mir gemacht und werden sie noch nach mir machen, es gibt keine
Erkenntnis, die nicht schon irgendjemand irgendwann hatte.
Meine Spezialität ist
Shaktipad, die Übertragung von spirituellen Energien, insbesondere die
Erweckung der Kundalinikräfte. Aber auch da wird mein Tun von oben
geleitet, ich kann bei niemandem die Kundalini erwecken, der meine
Energie nicht
aufnehmen kann und ich kann auch durch die Erweckung nicht automatisch
einen besseren Menschen aus ihm machen, ich kann nur helfend
unterstützen und Wege aufzeigen. Ohne aktive Mithilfe des Schülers
läuft nichts und ohne Mithilfe von Oben läuft auch nichts. Ich sehe
mich als Guru als Werkzeug jenseitiger Kräfte, wie ein Kanal, durch den
die transzendente Energie läuft. Natürlich kann ich Einfluss nehmen
und mich einbringen, aber das geht nur mit der Zustimmung von oben. Also
nichts, worauf ich mir etwas einbilden könnte.
Und ich hinterfrage mein Tun und meine Beweggründe ununterbrochen, was ich für sehr wichtig
halte.
Ich lehre hauptsächlich aus
eigenen Erfahrungen, in den Schriften von großen indischen Heiligen
finde ich diese wieder, aber ich finde auch Auslegungen dieser Schriften
von Yogis, die fast
richtig sind (natürlich aus meiner persönlichen Sicht), die ich aber
in wichtigen teilweise winzigen Details falsch auslegt empfinde. Diese
Details sind aber häufig die Grundlage für Dogmen.
An den Gurus unseres Ashrams
gefällt mir, dass jeder seine Individualität einbringt. Jeder
Guru/Yogalehrer hat zu seiner Zeit seine ganz eigenen Erfahrungen
eingebracht und seine ganz eigene Lehrmethode. Alle religiösen und
spirituellen Richtungen fließen auch durch die Schüler ein, das
bedeutet größtmögliche Offenheit anderen spirituellen Wegen
gegenüber und kein dogmatisches "Kleben" an Traditionen.
Jeder Guru bringt seine
ureigenste Schwingung in den Ashram ein und gestaltet so das
Zusammenleben in der Gemeinschaft.
Bei uns gibt es keinen Wohnashram, alle Mitglieder leben in ihren
eigenen Wohnungen und leben ihr Leben außerhalb des Ashrams. Ich versuche nicht jemanden in
der Gemeinschaft zu halten, es sind erwachsene Menschen in der
Yogagemeinschaft die selbst entscheiden können, ob sie teilnehmen
wollen oder nicht und wie ihr Weg aussehen wird. Wir diskutieren in den
Yogastunden verschiedene Themen, ich habe keine Lust dozierend vorne als
großer weiser Oberguru ;-) zu sitzen, erst durch die gemeinsame
Diskussion wird durch kritisches Hinterfragen und verschiedene Ansichten
ein lebendiger spiritueller Weg erarbeitet. Dabei lerne ich auch
ununterbrochen von meinen Schülern, es ist eine gegenseitige
Bereichung.
Es gibt nur eine
unumstößliche Erkenntnis für mich im Yoga: Das ist die Liebe. Ich bin
überzeugt davon, dass jemand der es nicht schafft eine Allliebe in sich
zu erzeugen, im Yoga nicht wirklich weiterkommen wird. Samadhis ohne ein starkes
Anahata sind für mich nur die Hälfte wert.
Zum Schluss noch ein Zitat
von Ken Wilber aus dem Buch "Meister, Gurus, Menschenfänger"
Über die Integrität spiritueller Wege, Verlag Krüger:
........Es gibt noch eine
andere Möglichkeit zu beschreiben, was nichtproblematische Autorität
ausmacht. Eine positive Gruppe wird:
nicht von einem
Vollkommenen Meister geleitet. Vollkommenheit gibt es nur auf der
Ebene der transzendentalen Essenz, nicht auf der manifestierten
Existenz. Dennoch sehen viele Anhänger ihre Meister als in jeder
Hinsicht "vollkommen", als den "perfekten Guru" an.
Dies ist fast immer ein problematisches Zeichen, obwohl es nur in den
seltensten Fällen eine katastrophale Entwicklung zur Folge hat. Es ist
jedoch für den Anhänger persönlich problematisch. Verwechselt er
nämlich die Essenz mit der konkreten Existenz, kann er dem Irrtum
erliegen, seine archaischen, narzisstischen und Allmachts-Phantasien auf
den "perfekten Guru" zu projizieren. Alle möglichen
archaischen und magischen, dem Primärprozess eigenen Denkweisen werden
dadurch reaktiviert: Der Guru vermag alles; wie großartig der Guru doch
ist; und wie großartig muss demzufolge auch ich sein, da ich zu den von
ihm Auserkorenen zähle. Dies ist eine extrem narzisstische Sichtweise.
Natürlich tritt irgendwann die menschliche Seite des Gurus zutage, und
der Anhänger ist dann völlig entsetzt, desillusioniert und am Boden
zerstört. Entweder er verlässt den Guru daraufhin, weil dieser seinen
eigenen Narzissmus nicht mehr stützt, oder er verwendet viel Zeit und
Mühe darauf, die Handlungen des Guru zu rationalisieren.
"Betrunken? Der Meister war betrunken? Nun ja, weißt du, er wollte
uns einfach durch sein eigenes Beispiel einmal die Gefahren von
Rauschmitteln plastisch vor Augen führen."
Ein guter Meister mag tatsächlich vollkommen erleuchtet und seines
göttlichen Wesens gewahr sein, doch ist er außerdem auch menschlich.
Selbst von Christus heißt es, er sei ein Mensch (Jesus) mit zwei
Naturen gewesen: einer menschlichen und einer göttlichen. Außerdem
bedeutet die Tatsache, dass die Seele und der höhere Geist eines Guru
einer strengen Schulung unterzogen wurde, nicht, dass auch sein Körper
und sein gewöhnlicher Geist vollkommen ausgebildet sind. ...........
Der Vollkommene Meister kann erst dann Perfektion im weltlichen Sinne
manifestieren, wenn die Menschheit als Ganzes, in der er verwurzelt ist
- ja, im Grunde, wenn jegliche Manifestation - , sich zu ihrem eigenen
höchsten und vollkommenen Zustand empor entwickelt hat. Bis zu diesem
Zeitpunkt bezieht sich seine Vollkommenheit nur auf das transzendentale
Bewusstsein, nicht auf die konkrete Manifestation. Deshalb sollte man
sich vor einem im Konkreten "vollkommenen Meister" tunlichst
hüten.