Woran glaubt, wer nicht glaubt??? Gute Frage oder?...
...Auszug von der Seite
http://www.horst-groschopp.de/Humanismus/Glauben.html
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Dr. Horst Groschopp
Woran glaubt, wer nicht glaubt?
Podiumsbeitrag auf der gleichnamigen Debatte in der Marktkirche Halle/Sa. am 31.10.02 (Reformationstag)
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Ich gehe davon aus, dass ich zu dieser Debatte als sogenannter ?Nichtglaubender? eingeladen wurde, damit jemand in der Runde zu dem Thema
"Woran glaubt, wer nicht glaubt?"
eine authentische Auskunft geben kann,
denn die anderen hier vorn auf dem Podium können ja höchstens eine Antwort vermuten,
denn sie halten sich - das behaupte ich jetzt - nicht nur für christlich Glaubende, sondern glauben sich auch in einer Gemeinschaft zu befinden mit anderen Glaubenden nach dem Motto, auch Juden und Moslems glauben, nur Atheisten nicht.
Zumal etwas unklar ist, was die Frage nach dem Glauben hier meint, eher etwas Geistiges oder eher ein bestimmtes Verhalten. Letzteres hätte seine Tücken.
Der Therapeut und Soziologe Wolf Wagner erzählt einleitend in seinem Buch über die deutsche Wiedervereinigung als Kulturschock ,
wie er sich in Indien - kulturell gesehen - als deutscher Christ entpuppte, obwohl er in seinem eigenem Urteil sich bis dahin eher als einen atheistischen Weltmenschen sah.
In Indien sah man ihn als Fleisch essenden, rauchenden, Alkohol trinkenden, beschuhten Menschen, der überdies Trauer zeigte.
Das qualifizierte ihn in ihren Augen zum Christen.
So scheint die Frage hier aber nicht gestellt zu sein.
Es sind eher Überzeugungen gefragt.
In dieser Hinsicht ist die Frage nach dem Woran glaubt,
wer nicht glaubt? aber ebenfalls durch ein Vorausurteil belastet in der Art einer Unterscheidung Wir und die anderen.
Das will ich gern akzeptieren und teile einerseits die Feststellung einer Differenz zwischen religiösen und nichtreligiösen Menschen.
Doch ich muss Sie andererseits enttäuschen.
Ich bin der festen Überzeugung - also des Glaubens - dass es keine nichtglaubenden Menschen gibt.
Das Problem Ihrer Thematik - wo ich Ihnen wenig helfen kann - ist, dass Sie eine bestimmte Glaubensweise für Glauben schlechthin halten.
Ihr Bezug auf die 2000jährige Deutungsmacht des Christentums legt Ihnen den Fehlschluss nahe,
dass jedes Glauben - also jedes Annehmen von Legenden, Erfahrungen, Geschichten, Treueschwören, Werten und sittlichen Geboten - sich immer auf einen religiösen Kontext bezieht, dass also, wer glaubt,
immer an einen Gott oder ein höheres Prinzip oder ähnliches glaubt.
Es fällt Ihnen schwer, Glauben einfach als Kultur zu nehmen, die religiös, aber auch nichtreligiös sein kann.
Das macht es uns sogenannten Nichtglaubenden schwer, den Begriff des Glaubens sozusagen wertneutral und positiv zu verwenden.
Deshalb sprechen wir von Überzeugungen, Grundwerten, letzten Antworten, Gewissheiten usw., meiden also den Glaubensbegriff, um nicht religiös vereinnahmt zu werden.
An dieser Stelle sind ein paar Worte über den Glaubensbegriff nötig.
Als Kulturwissenschaftler verstehe ich unter Glauben erstens eine bewusste Entscheidung für ein bestimmtes Bekenntnis
(noch so ein Wort, von dem Sie annehmen, es sei nur religiös möglich; vor allem in seiner Verschärfung,
dem Wort ?Konfession?).
Man kann sich auch zu einem säkularen Humanismus bekennen, zu rein ethisch begründeten Grundwerten des Lebens,
zu einer positiven Moral, ohne auf einen oder gar Ihren Gott Bezug nehmen zu müssen.
Atheismus ist für uns kein Negativwort, es sagt nur,
ich komme ohne Gott aus - und hier haben Sie,
wenn Sie wollen, schon einen Glaubenssatz und zwar einen grundsätzlichen, den Sie akzeptieren müssen wie ich Ihre gegenteilige Anschauung zu akzeptieren habe.