"Zum Abschied etwas Musik" (© copyright, Josy, 2013 )
Zum Abschied etwas Musik Mein Großonkel mütterlicherseits war ein ganz besonderer Mensch. Ich habe leider nicht viel Zeit mit ihm verbracht, als er gestorben ist war ich 16. Er war ein ungewöhnlich sanftmütiger und ruhiger Mann, hatte seine Frau schon vor Jahren verloren, seine Tochter ist mit einem viel älteren Mann in die Stadt gezogen. Was ihm geblieben war, war seine Gabe. Mein Großonkel konnte aus dem Kaffeesatz lesen.
Ich möchte an dieser Stelle den Tag beschreiben, an dem er starb und anmerken, dass ich mir genau so einen Tag als meinen letzten wünsche. Es war Sommer und die Sonne schien. Gleich in der Früh ging er in den Garten und fütterte die Hühner. Eine brütete auf ihren Eiern. Die Nachbarn hatten ihn gesehen als er sich pfeifend auf den Weg zum Geschäft machte, um Brot zu holen und pfeifend kam er auch wieder zurück. Kurz vor dem Haus kam ihm ein kleiner LKW entgegen, der mit Äpfeln beladen war. Der Fahrer blieb stehen und verkaufte ihm ein paar Äpfel. Dann ging er rein und verstaute die Sachen. Als er wieder in den Garten kam waren die Küken geschlüpft! Er schnappte sich eine Sense und fing an, frisches Gras für die Küken zu mähen, als er einfach umkippte. Er war sofort tot. Die Nachbarn waren sofort da, aber niemand konnte etwas tun. Zu diesem Zeitpunkt, ungefähr 2 Kilometer entfernt, steht meine Oma in der Sommerküche und bereitet das Mittagessen vor, als sie plötzlich ein lautes Geräusch aus der Winterküche hört. Diesen Teil der Geschichte hat sie mir persönlich erzählt und ich glaube ihr jedes Wort. Sie meinte, es klang so als ob die ganzen oberen Küchenschränke aufgegangen wären und der gesamte Inhalt rausgefallen wäre. Sie hat sich natürlich erschreckt und ging sofort hin um zu sehen was da denn los sei, mit dem Schlimmsten rechnend. In der Winterküche fand sie aber alles so vor, wie sie es verlassen hatte, die Schränke waren alle geschlossen. Dann klingelte das Telefon.
Als meine Mutter bei der Oma in Kroatien ankam war alles einigermaßen in Ordnung. Die Oma war traurig, aber ruhig. Sie haben sich also zusammengesetzt und lange mit einander geredet und als die Zeit zum Schlafen kam, schluckte meine Oma zwei Schlaftabletten und ging ins Bett. Meine Mutter hatte dies schon ziemlich überrascht, zwei Schlaftabletten sind zwar nicht wirklich gefährlich, aber eine hätte wahrscheinlich auch gereicht. Mitten in der Nacht wachte meine Mutter auf und ging auf die Toilette. Als sie so im Badezimmer saß, hörte sie auf einmal Musik. Sie beschrieb diese Musik als eine angenehme Melodie, konnte aber nicht sagen, welche Instrumente gespielt wurden oder welches Lied das war. Sie wusste nicht mal, wo diese Musik her kam. Im Badezimmer meiner Oma befindet sich direkt über der Toilette ein kleines Fenster, welches so gut wie immer nur zugedrückt, aber nie wirklich geschlossen ist, da es viel zu klein ist, dass sich jemand durchzwängen könnte. Meiner Mutter kam die Idee, dass diese Musik vielleicht vom Nachbarn kommt, der wahrscheinlich noch vor dem Fernseher sitzt. Als sie aber das Fenster aufmachte, verstummte die Musik. Sie nahm also an, es muss aus einem vorbeigefahrenen Auto gekommen sein und machte das Fenster wieder zu. In diesem Augenblick fing die Musik wieder an zu spielen. Ungläubig machte sie das Fenster wieder auf - die Musik verstummte erneut. Dieses Spiel wiederholte sie noch ein paar Mal, Sie ging danach in die Küche, schluckte eine Schlaftablette und ging wieder ins Bett.
In der folgenden Nacht wurde meine Mutter vom Wind aufgeweckt, der um das Haus wehte - wobei Wind vielleicht untertrieben ist. Laut meiner Mutter klang es, als könnte er Bäume entwurzeln. Sie stand auf und ging zum Fenster um zu sehen, ob noch Wäsche an der Wäscheleine hängt und ob im Garten sonst noch was herum liegt, was der Wind verwehen könnte. Als sie aus dem Fenster schaute musste sie feststellen, dass sich - zu ihrer großen Überraschung - nicht mal ein Grashalm im Wind bewegte. Den Sturm konnte sie aber noch immer hören. Daraufhin hatte sie sich auch gleich zwei Schlaftabletten geschnappt und ging ins Bett. Am nächsten Tag ist nichts mehr vorgefallen und am Tag darauf fuhr sie wieder nach Österreich. ---------------------------------------------------------------------- Lieber Alfred, da das "zu Papier bringen" der Geschichten jetzt doch etwas länger gedauert hat als gedacht, höre ich nach diesen zwei für heute auf. Ich garantiere an dieser Stelle, nichts erfunden oder dazugedichtet zu haben. Natürlich weiss ich nicht, wieviel Wahrheit in der ersten Geschichte tatsächlich vorhanden ist, aber so wurde sie mir erzählt. Bei der zweiten Geschichte - meine Mutter war echt fertig mit den Nerven, als sie es meiner Schwester und mir geschildert hatte, außerdem konnte meine Oma einen Teil der Geschichte bestätigen. Es ist also alles wahr.
Ich wünsche Dir schöne Feiertage und Frohe Ostern!
Liebe Josy,
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