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Zum Leben befreit
Hans-Werner Deppe schrieb am 4. Dezember 2002 um 19:18 Uhr (495x gelesen):

Mädchen, Mystik, Muskeln und Moneten

Es war im sonntäglichen "Hochamt" (dem Haupt-
gottesdienst)der katholischen Liebfrauengemeinde
in Gütersloh,als ich zum ersten Mal bewußt regi-
strierte,daß ich an körperlicher Länge zunahm.Die
Bänke der Kirche waren gerade so hoch,daß ich
Knirps just über den Rand in den Altarraum lugen
konnte,was mir einige Wochen zuvor noch versagt
gewesen war.
Interessiert beobachtete ich die wundersame Zeremo-
nie,die dort vorn abgehalten wurde.Ein respektein-
flößend und zugleich liebevoll aussehender grauhaa-
riger Mann,der mit einem wallenden weißen Gewand
bekleidet war,sprach umgeben von ebenso festlich
gekleideten,„großen“ Kindern geheimnisvolle Wor-
te,die ich noch nicht einordnen konnte.Aber ihrem
Klang nach zu urteilen,waren sie wohl sehr wichtig.
„Ist das Gott?“fragte ich erstaunt meine Eltern.Wel-
che Antwort ich erhielt,weiß ich heute nicht mehr,
eines war mir jedoch klar geworden:Wenn der dort
vorn nicht einmal Gott ist,dann muß der „liebe
Gott “wirklich atemberaubend erhaben sein.
Ein paar Jahre später belehrte mich derselbe grau-
haarige Mann –der Pfarrer der Liebfrauengemeinde –
im Kommunionsunterricht ausführlich über einen
Menschen,der nach außen weniger erhaben und
würdevoll ausgesehen haben mag als er,der mich
aber,so wie er mir dargestellt wurde,mit seiner
Fehlerlosigkeit und seiner tiefen Menschenliebe,mit
seiner wunderwirkenden,souveränen Macht und
seiner gleichzeitigen Demut ergriff und begeisterte,
so daß ich glaubte,was man mir über ihn sagte:Die-
ser ist Gottes Sohn –Jesus Christus.Wie gerne hätte
ich ihn persönlich kennengelernt,wäre ihm begeg-
net,hätte ihn alles fragen und ihm folgen können.
Unser Pfarrer verstand es wirklich gut,uns diesen
Jesus lieben zu lehren.
Der Kommunionsunterricht sollte uns Kinder ja ge-
rade auf die Gemeinschaft mit Jesus Christus vor-
bereiten.Zur Herstellung dieser Gemeinschaft stellt
die Kirche besondere Mittel bereit:die Sakramente.
Eines davon hatte ich ja bereits als Baby empfangen:
Ich war mit Weihwasser ordnungsgemäß katholisch
getauft worden.
„Wo würde ich wohl hinkommen,wenn ich jetzt
sterbe?“fragte ich mich.„Aller Wahrscheinlichkeit
nach ins Fegefeuer “,lautete die Antwort des Kom-
munionsunterrichts,„direkt in den Himmel kommen
nur die Heiligen.“Schließlich hatte ich ja hin und
wieder eine Sünde begangen,z.B.meine Eltern be-
logen,und so müßte ich erst einmal in einem höl-
lenähnlichen,qualvollen Feuer von diesen Sünden
gereinigt werden.
„Wie lange muß man wohl im Fegefeuer bleiben?“
fragte ich einmal meine älteren Brüder.„Länger,als
es dauert,bis man erwachsen ist “,war die wenig
trostreiche Antwort.
Jetzt stand ich kurz vor dem Empfang der zwei
nächsten Sakramente:Beichte und Kommunion.
Bevor ich der besonderen Gemeinschaft mit Jesus in
der heiligen Kommunion würdig werden sollte,
mußte ich noch von meinen Sünden befreit werden.
Dazu mußte ich nicht ins Fegefeuer,sondern nur
in den Beichtstuhl.Dem Pfarrer dort in diesem
dunklen,geheimnisvollen Kämmerlein all die ver-
botenen Dinge ins Ohr zu flüstern,die ich begangen
hatte,war gar nicht so schlimm,hatte sogar etwas
Aufregendes an sich.Beim Zahnarzt war es jeden-
falls viel unangenehmer.Als ich alle Sünden,an die
ich mich erinnern konnte,aufgesagt hatte,sprach
mich der Pfarrer davon los – unter der Auflage,daß
ich zur Strafe ein „Vaterunser “und ein „Gegrüßet-
seist-du-Maria “aufsage.
So einfach wird man also seine Sünden los “,dachte
ich,„und damit ich im nächsten Monat,wenn wie-
der Beichte ist,dem Pfarrer etwas ins Ohr zu flü-
stern habe,kann ich ruhig wieder etwas anstellen.“
Die zwei Gebete waren schnell aufgesagt,und er-
leichtert ging ich nach Haus.
Dann der Tag der Erstkommunion.Zum ersten Mal
durfte ich die Hostie essen,die doch der leibhaftige
Jesus sein soll,dieser Jesus,von dem ich so wun-
derbare Geschichten gehört hatte wie die der Brot-
vermehrung,der Stillung des Sturms,von Kran-
kenheilungen und Totenauferweckung,von seiner
Hinrichtung am Kreuz und seiner Auferstehung
und Himmelfahrt.„Ich bin bei euch alle Tage,bis
ans Ende der Zeit “,hatte er zum Abschied gesagt,
also mußte er wohl irgendwie und irgendwo da
sein.Dieses „irgendwie “und „irgendwo “sollte ich
nun erfahren.Und auf welch erstaunliche Weise!In
Form einer kleinen Brot-Oblate durfte ich ihn in
meinen Magen aufnehmen –was für eine Vorstel-
lung!Unser Pfarrer unterwies uns,daß die Hostie
etwa zehn Minuten im Bauch bliebe und sich dann
auflöse,demzufolge müßten wir nach dem Verzehr
etwa zehn Minuten lang beten.
Mir war es zwar ein Rätsel,wohin Jesus dann ver-
schwindet,wenn die zehn Minuten vorbei sind,aber
wenn der Herr Pfarrer das so ausdrücklich sagt,
wird es schon richtig sein.Das ist also „Kommuni-
on “,oder auf Deutsch „Gemeinschaft “.Die ersehnte
Gemeinschaft mit Jesus nämlich,und das jedesmal
nur für kurze Zeit.Deshalb,so lernte ich,ist es auch
so wichtig,immer wieder und möglichst oft die
Kommunion zu empfangen.Das tat ich dann auch
Jahre hindurch mit großem Eifer.
So richtig in Schwung kam meine religiöse Karriere,
als ich Meßdiener wurde.Von allen Leuten gesehen
oben am Altar im Geschehen mitzuwirken,fand ich
viel interessanter,als unbeteiligt in der Menge unter-
zugehen.Ich war stolz,beim Pfarrer und den an-
deren Priestern persönlich bekannt zu sein und das
Vorrecht zu haben,all diese goldenen Gefäße und
klingenden Glocken zu bedienen.Die heilige Atmo-
sphäre von Sakristei und Altar begeisterte mich auf
eine Weise,und besonders der benebelnde Duft des
Weihrauchs erzeugte eine fast trancehafte Stim-
mung.Außerdem mußte man dort vorn ja irgend-
wie näher bei Gott sein.
In der Schule war ich –im Gegensatz zur Kirche –
etwas der Außenseiter und fand nicht die Anerken-
nung,die ich gerne gehabt hätte.Wie gut,daß ich
wenigstens wußte,bei Gott gut anzukommen,weil
ich ja so viel für ihn tat.Das war einerseits beruhi-
gend,andererseits wurde ich auf dem Elite-Gymna-
sium doch nicht so recht mit dem Druck in Form
von Lateinarbeiten und Klassenkameraden,die alle
viel cooler waren als ich,fertig und bekam zuneh-
mend seelische Probleme.
Nachdem ich etwas viel Grusellektüre gelesen hatte
und zudem noch Augenzeuge eines grausigen Ver-
kehrsunfalls geworden war,wurde ich von regel-
recht wahnhaften Verfolgungsängsten geplagt.Wie
konnte ich Gott nur darauf aufmerksam machen,
daß er mir in meinen Problemen half?
Mein Vater kannte ein Mittel:Er lehrte mich den
Rosenkranz beten.53 Ave Maria,gespickt mit ver-
schiedenen „Gesetzen “,fünf Vaterunsern und einem
Glaubensbekenntnis.Wer das in 15 Minuten aufzu-
sagen schafft,kann schnell sprechen.Ich konnte es
bald.Und es half sogar,die Ängste ließen allmählich
nach.„Wie gut,daß es Maria gibt “,dachte ich.„Gott
Vater und Jesus,die sind zwar mächtig und erhaben
und auch wohl ,lieb ‘,aber so richtig warmherzig
sind sie wohl nicht;dafür aber Maria,die gute,für-
sorgliche Mutter.“
„Ein Kind Mariens geht niemals zugrunde “,lehrt
die katholische Kirche,und auch ich wollte ein Kind
Mariens sein.Wie bedauerte ich doch „die Evange-
lischen “.So wie die Juden nicht an Jesus glauben,
so glauben die Evangelischen nicht an Maria.Wie
dumm,sich das Beste entgehen zu lassen.Über dem
Marienbild,das ich mir in meinem „Hausheiligtum “
aufgestellt hatte,befestigte ich eine kleine goldene
Krone.Maria,die Himmelskönigin,sollte auch mei-
ne Königin sein.
Unter den Meßdienern gewann ich einen sehr guten
Freund,Klemens,der die gleiche religiöse Begeiste-
rung an den Tag legte und mit dem ich fortan um
gute Werke wetteiferte.
Irgendwann hatte er es geschafft,an einem Tag bei
fünf Messen zu „dienen “:zwei Frühmessen,eine
Beerdigung und zwei Trauungen.Dieser Rekord
mußte doch zu schlagen sein!Allein Sonntags gab es
drei Messen,7.00 Uhr,8.30 Uhr und 10.15 Uhr;oft
war ich bei allen dreien dabei.Ich hatte den großen
Vorteil,daß mein Großonkel in unserer Pfarrei Prie-
ster im Ruhestand war,und so konnte ich mit Kle-
mens bei ihm frühstücken,nachdem wir den leicht
gehbehinderten Greis beim Lesen der sonntäglichen
Frühmesse behilflich gewesen waren.Er war uns
ausgesprochen dankbar,daß wir uns als Teenager
um seinetwillen sonntags so früh aus dem Bett quäl-
ten.Was ich dachte,bestätigte auch mein Vater aner-
kennend:„Gott muß wirklich große Stücke auf mich
halten,weil ich soviel für die Kirche tue,und wird
mich auch bestimmt entsprechend belohnen.“
Klemens zeigte mehr praktischen Einsatz und hatte
es bald zum Stellvertreter des Küsters gebracht;ich
war eher für Organisatorisches zuständig,stellte
den Meßdienerplan auf,bildete „die Neuen “aus,
wurde „Obermeßdiener “genannt.Sogar das „erste
Gütersloher Meßdiener-Fußballturnier “stellte ich
auf die Beine,wofür ich mit Bild in der Tageszeitung
erschien.Wie schön war es,so bekannt und erfolg-
reich zu sein.
Mädchen
Bei den Meßdienern gab es auch so einige recht hüb-
sche Mädchen.Außer der Achtung als Obermeßdie-
ner hatte ich den Vorteil,beim Aufstellen des Meß-
dienerplans mich selbst mit den interessantesten
Exemplaren des schönen Geschlechts für den ge-
meinsamen Dienst einteilen zu können.Eigentlich
hatte ich ja den Plan gefaßt,katholischer Priester zu
werden,aber ob ich die damit verbundene Ehelosig-
keit aushalten würde?Bald war ich buchstäblich
hin-und hergerissen,nach kurzer Zeit nur noch hin-
gerissen –sie hieß Antje.Daß sie,wie ich feststellen
mußte,nichts von mir wissen wollte,konnte ich
nicht so richtig verstehen,fand mich aber bald
damit ab;es gab ja noch so viele andere ...
In dieser Zeit unternahm ich mit meinen Eltern eine
Pilgerreise zu den zwei bekanntesten Marienwall-
fahrtsorten:Fatima in Portugal und Lourdes in Süd-
frankreich.An diesen beiden Orten sollen Kinder
wundersame Erscheinungen einer schönen Frau
gehabt haben,die sich als Maria ausgab.Das fand
ich spannender als die jahrtausendealten und abge-
droschenen Geschichten aus der Bibel.Es war über-
wältigend zu erleben,wie die Menschen dort zu
Hunderttausenden zusammenströmten,um Maria
Ehre und Hingabe zu erweisen.In Fatima legten
einige der Pilger die letzten Kilometer ihrer Fußreise
zur Erscheinungsstätte auf zerschundenen,bluten-
den Knien rutschend zurück.Was für ein herzzer-
reißendes Martyrium!Von Jesus wurde allerdings
nicht geredet!
Viel von Jesus die Rede war dagegen bei der Foku-
lar-Bewegung,der ich mich anschloß,um auch das
Alltagsleben aus meiner religiösen Überzeugung
heraus zu gestalten.Diese Bewegung versteht sich
als ökumenische Gemeinschaft (ist aber stark in der
katholischen Kirche Italiens verwurzelt),welche die
Lehren Jesu in die Tat umsetzen und so eine geeinte
Welt des Friedens und der Liebe herbeiführen will.
Gute und große Ziele,die für mich gerade die richti-
ge Herausforderung darstellten.
Daß zu dieser Gemeinschaft auch Buddhisten dazu-
gehörten,die Jesus als Sohn Gottes und einzigen
Weg zu Gott ablehnen,störte mich nicht,schließlich
waren sie so wie ich gute,religiöse Menschen.Bei
den Treffen unserer Jugendgruppe erzählten wir
einander unsere „Erfahrungen “.So wurden die gu-
ten Werke der praktischen Nächstenliebe genannt.
Wenn ich mal keine „Hausaufgaben “gemacht hatte –
also keiner Oma über die Straße geholfen und kei-
nem Schulkollegen von meiner Schokolade abge-
geben hatte –war das schon immer etwas peinlich,
aber ansonsten fühlte ich mich bei der Truppe sehr
wohl.Vor allem die fetzige Rockmusik der eigenen
Band gefiel mir,zu der wir Texte über die „Einheit
der Welt “sangen.Daß alle Menschen eins werden,
sei Jesu größter Wunsch,lehrte man hier.Ich glaubte
das genauso blindlings wie alle Lehren der Kirche.
Leider hatte ich bis dahin nie selbst in der Bibel
gelesen.
Diese ganze religiöse Anstrengung und Selbst-
beschau hielt mich allerdings nicht fest,als ich älter
wurde und mich immer mehr für das interessierte,
was mir das Leben sonst noch anzubieten hatte:
Mädchen,Muskeln,Musik,Motoren und Moneten.
Mit 16 hatte ich endlich,nach einigen mißglückten
Anläufen,meine erste Freundin.Wir kannten uns
aus der Pfarrei,und anfänglich hielten wir uns sogar
an die dort gelehrten Moralvorstellungen.Die näch-
ste Freundin – die erste hatte sich nach drei Mona-
ten verabschiedet –war nicht mehr aus der Pfarrei
und sah das auch mit der Moral nicht so eng.Ich
fing ebenfalls an,mir selbst ein Urteil darüber anzu-
maßen,was Sünde ist und was nicht.Schließlich
war ich allmählich alt genug.
Alt genug für alles war ich dann natürlich mit 18.
Meine Eltern hatten es zwar stets ausgesprochen gut
mit mir gemeint,aber mir war das eher zu gut,und
ich wollte endlich meine Freiheit –die Eltern nicht
mehr für alles um Erlaubnis bitten müssen,mein
Leben selbst bestimmen können.
Und Gott?„Der ist gnädig “,dachte ich mir,„da
kann ich mein Leben genießen.Außerdem habe ich
in den vergangenen Jahren wohl erst mal genug für
Gott getan.“
Die Kirche?„Also,das mit der Unfehlbarkeit des
Papstes ist ziemlich fragwürdig,auch die Verwand-
lung von Brot und Wein kommt mir äußerst ko-
misch vor,weshalb sollte die Kirche da gerade in
Moralfragen Recht haben?“Außerdem kam ich all-
mählich dahinter,daß Katholiken meistens auch
nicht viel anders leben als andere Menschen.Die
hübschen Meßdienerinnen,auf die ich einst heim-
lich ein Auge geworfen hatte,lebten jetzt genauso
mit ihren Freunden zusammen wie andere junge
Leute auch.„Aber die Kirche ist nach wie vor ein
netter Verein mit netten Leuten.“
Maria?„Ganz nett,aber ewige Jungfräulichkeit hat,
ehrlich gesagt,für mich nicht gerade Vorbild-Cha-
rakter.“
Jesus?„Ja,wahrscheinlich ist er der Sohn Gottes,
aber was das mit ihm eigentlich auf sich hat,weiß ja
auch keiner so genau.“
Moneten
Nach dem Abitur hatte ich erst einmal andere Sor-
gen:„Mit welchem Beruf kann ich mich mit mög-
lichst wenig Aufwand bei größtmöglicher Selbst-
verwirklichung und bestmöglicher Anerkennung
sowie höchstmöglichem Kontostand möglichst
bequem durchs Leben mogeln?“Das war eine
schwierige Frage,und nach zwei halt-und orien-
tierungslosen Jahren,in denen ich das Kunststück
fertigbrachte,verpflichteter Soldat,Wehrdienstver-
weigerer,ausgemustert,Auszubildender und Hilfs-
arbeiter zu sein,schrieb ich mich mehr aus Verlegen-
heit in dem neuen,interessant klingenden Studien-
gang „Naturwissenschaftliche Informatik “an der
Universität Bielefeld ein.
Mein Geld verdiente ich während des Studiums als
Taxifahrer.Der offizielle Stundenlohn von 6,-DM
hörte sich zwar ziemlich niedrig an,aber da gab es
verschiedene Methoden,die Einnahmen beträcht-
lich aufzustocken –auf Kosten des Chefs,versteht
sich,und manchmal auch auf Kosten der betrun-
kenen Fahrgäste.Da ich noch Zuhause bei meinen
Eltern lebte und keine großen Ausgaben hatte,sah
ich mit Vergnügen,wie der Zahlenstand auf meinen
Bankkonten wuchs.Bald hatte ich einen tollen Golf
GTI,mit dem ich mit meiner tollen Freundin tolle
Reisen unternehmen konnte.
Muskeln
Allerdings fand meine Freundin mich nicht so toll,
wie ich dachte.„Du bist so dünn wie ein Hering
zwischen den Flossen “,mußte ich mir nicht nur von
ihr,sondern auch noch von ihrem Vater anhören.
„Ihr werdet schon sehen “,waren meine Gedanken,
und am nächsten Tag übte ich mich erstmalig an den
Foltergeräten eines Bodybuilding-Studios.
Das nächste,was meiner Freundin nicht paßte,hörte
sich dann in etwa so an:„Du hast viel zu wenig Zeit
für mich “,oder:„Du neigst zu völligen Extremen.“
Der Grund:An sechs Tagen in der Woche verbrachte
ich jeweils zwei Stunden im Fitneßcenter.Ich hatte
eine neue Religion,für die ich lebte,eine praktizier-
te Lebensphilosophie.Alles mußte auf optimale
Bedingungen für maximalen Muskelzuwachs abge-
stimmt sein:Essenszeiten,Schlafenszeiten,Trainings-
zeiten,die gesamte Ernährung und Lebensweise.
Bei Nichtbeachtung drohte der Verlust von mühe-
voll antrainierter Muskelmasse.Es war eine Religi-
on,die mich versklavte.Daß auch andere darunter
zu leiden hatten,wie meine ständig „Extrawürste “
kochende Mutter oder meine allmählich vereinsam-
te Freundin,fiel mir kaum auf.
Auch über den Sinn und das Ziel meines Lebens
machte ich mir mangels Zeit wenig Gedanken.Mein
Studium lief recht gut,und alles war in bester Ord-
nung.Ein Wort bestimmte nun mein Leben:Mehr!
Mehr Muskeln,mehr Spaß,mehr Geld,mehr Aner-
kennung –das waren meine Lebensziele.Eine Freun-
din kann beim Erreichen von „Mehr “ganz schön
hinderlich sein,stellte zunächst ich fest.Dann muß-
te sie auf schmerzliche Weise feststellen,daß ich das
festgestellt hatte.Irgendwie brauchte ich nun noch
„mehr Kick “,die ultimative Erfahrung fehlte.Mir
war klar,daß so etwas nicht im materiellen Bereich
zu suchen ist,und so beschäftigte ich mich mehr mit
dem Transzendenten,Übersinnlichen.
Von meinem Studium her konnte ich mich diesen
Fragen auf „wissenschaftliche “Weise nähern.Mein
Spezialgebiet war die „Künstliche Intelligenz “;wir
versuchten,auf Computern den menschlichen Geist
zu simulieren.Doch was ist überhaupt Geist?Ich
verschlang massenweise Bücher zu diesem Thema,
und da die streng gesetzmäßige Wissenschaft in der
Erkenntnis des Übernatürlichen sehr bald ihre Gren-
zen erreicht hat,wurden die Bücher,die ich las,im-
mer fragwürdiger.Die ganze Thematik hatte auch
noch einen religiösen Zug,und bei einer der selten
gewordenen Begegnungen mit dem altbekannten
katholischen Pfarrer rühmte ich mich vor ihm,in-
dem ich ihm meine philosophischen Überlegungen
über das Leib-Seele-Problem darlegte.
Eine weitere Lebensbereicherung versprach ich mir
durch Reisen in ferne Länder.Mein erster Abenteu-
er-Trip sollte dem Rat eines Freundes folgend nach
Israel gehen.„Das Land,wo Jesus gelebt hat “,war
mir dabei ständig bewußt,und zum ersten Mal seit
langer Zeit machte ich mir wieder über ihn Gedan-
ken.Ihn fand ich dort nicht,meinte jedoch,durch
die dortigen Erfahrungen mehr „zu mir selbst
gefunden “zu haben.Was das konkret bedeutet,
wußte ich zwar eigentlich nicht,aber es hörte sich
gut an.Außerdem lernte ich dort eine interessante
ältere Frau aus Deutschland kennen,die ich später
in Berlin besuchte.Besonders aufregend war dabei
die spiritistische Sitzung,die ich mit ihr aufsuchte,
und die ersten Erfahrungen im okkulten Gläser-
rücken.
Die Faszination der Mystik
Ich beschäftigte mich jetzt intensiv mit übersinnli-
chen Erfahrungen und Fragestellungen.Um die
nötige geistige Selbstkontrolle zu erlangen,besuchte
ich einen Kurs für Autogenes Training und absol-
vierte eine spezielle Psychotherapie.In Gedanken
bereitete ich Experimente mit Hypnose vor,einige
Freunde teilten mein Interesse und gaben mir Anre-
gungen.Ich wollte einen „Verein für Wissenschaft
und Mystik “gründen.
Zunehmend interessierte mich auch die Frage nach
dem „historischen Jesus “.Stand Jesus in Kontakt
mit Außerirdischen,hat er später in Indien gelebt?
In einem der Bücher,die ich zu der Zeit las,konnte
man im Klappentext lesen:„Wenn Sie wissen wol-
len,was zur Zeit Jesu geschah,dann lesen Sie nicht
die Evangelien,sondern dieses Buch.“Der Inhalt
war wenig aufschlußreich,doch brachte er genü-
gend Anregungen,um meine Phantasie mit faszi-
nierenden Spekulationen zu füllen.
In dieser Zeit legte ich mir einen neuen Computer
zu,und zwecks privatem Kauf einer Festplatte
besuchte ich Patrick,einen Studienkollegen.
„Bibel von A-Z “sah ich bei ihm im Bücherregal
stehen –neben „Wer glaubt,der wagt “und anderen
fromm klingenden Titeln.
„Bist du auch so ein Glaubens-Freak?“fragte ich in-
teressiert.„Ich bin Christ,wieso?“ war die Antwort..
„Christ bin ich auch!“entgegnete ich.Er meinte das
in Frage stellen zu können,weil Mitglied der katho-
lischen Kirche zu sein nicht automatisch bedeute,
Christ zu sein.Daß dieser so locker-lustig wirkende
Typ fromm sein sollte,wunderte mich.
„Gehörst du denn irgendeiner Gemeinschaft an?“
bohrte ich weiter.„Ich bin gerade auf der Suche,was
hier in Bielefeld so an Gemeinde angesagt ist “,ant-
wortete er in seiner witzigen Art.
So entwickelte sich ein Gespräch.Mein Gegenüber
erzählte mir einerseits davon,was es heißt,Christ zu
sein,und daß Jesu Worte und die Bibel wahr und
wichtig seien,und andererseits,daß die Lehre der
katholischen Kirche in weiten Teilen nicht mit der
Bibel übereinstimme.
Das fand ich interessant:Die Bibel ein Buch gegen
die katholische Kirche!Um der Sache nachzugehen,
machte ich mich am nächsten Tag gleich daran,das
Neue Testament zu lesen.
Umkehr
Tatsächlich fand ich einige Schriftstellen,die eindeu-
tig mit der katholischen Lehre unvereinbar sind:
„Ihr sollt niemanden auf der Erde euren Vater nen-
nen ...“ist wohl kaum mit dem „Heiligen Vater “in
Rom unter einen Hut zu bringen.Es war sehr auf-
schlußreich,das Neue Testament nicht nur fort-
laufend zu lesen,sondern wirklich einmal so zu
nehmen,wie es geschrieben ist.Ab und zu hatte ich
auch früher mal hineingeschaut und vor allem in
der Kirche viel daraus gehört,doch hatte ich es mir
zum Sport gemacht,die biblischen Aussagen stets
so zu verstehen,daß sie mit meiner eigenen Auffas-
sung übereinstimmten.Aber „beim Wort genom-
men “hatten die Aussagen Jesu eine ganz andere
Durchschlagskraft.
Dann standen da aber auch Dinge wie z.B.:„Jeder,
der eine Frau anblickt mit begehrlicher Absicht,
begeht Ehebruch in seinem Herzen.“Wörtlich ge-
nommen würde das heißen,daß ich ein Ehebrecher
war.Das war bisher nicht meine Auffassung von
mir selbst,schließlich war ich gar nicht verheiratet.
„Aber eigentlich hat Jesus Recht ...“
Vielleicht sollte ich mich besser damit beschäftigen,
was Jesus zu den Pharisäern gesagt hat.„Alle ihre
Werke tun sie,um sich vor den Menschen sehen zu
lassen “,beklagte Jesus sich über diese.Hm,was wa-
ren eigentlich bei mir damals die Motive gewesen,
als ich ein so vorbildlich-eifriger Meßdiener war?
„Denn von innen aus dem Herzen der Menschen
kommen die bösen Gedanken hervor:Ehebruch,
Dieberei,Habsucht,Neid,Hochmut ...“Allmählich
fühlte ich mich überführt;sollte ich wirklich weiter-
lesen?Eigentlich sollte ja nicht ich,sondern die Kir-
che überführt werden.
Was mich schließlich zum Weiterlesen bewegte,war
die Person Jesus.Ich war fasziniert von der Voll-
macht seiner Lehre,seiner unfaßbar liebevollen Art,
seiner absoluten Selbstlosigkeit trotz seiner schier
unglaublichen Macht.Es war der Jesus,von dem ich
als Kind schon so viel gehört,aber doch nie wirklich
persönlich mit ihm zu tun gehabt hatte,und dessen
Buch jahrelang in meinem Regal verstaubt war.Der
Jesus,über den ich mir vor nicht allzulanger Zeit
Informationen aus den spekulativen und zweifel-
haften Büchern geldgieriger Schwindler verschaffen
wollte,zeigte mir jetzt in seinem eigenen Wort,wer
und wie er wirklich ist.
Bisher war ich überzeugt,Christ zu sein und an ihn
zu glauben.Aber dieser „Glaube “war nur Theorie
in meinem Kopf,eigentlich war ich praktizierender
Atheist –lebte so,als gebe es ihn nicht.Und woran
hatte ich früher geglaubt?An Maria?An die Sakra-
mente?An meine eigene Gerechtigkeit?
Beim Lesen des Neuen Testaments wurden mir all-
mählich verschiedene Dinge klar:
Bei Jesus bin ich an der einzigen vertrauenswürdigen
Adresse.Keine menschliche Philosophie,kein dunkler
Hokuspokus kann mir sagen,wie ich leben soll,auch
kann ich nicht selbst bestimmen,was gut und richtig
ist,sondern er bestimmt das.Die Bibel ist wirklich
das lebendige Wort Gottes,Jesu Worte sind tatsäch-
lich „Geist und Leben “–„Worte ewigen Lebens “.
Etwas ganz Entscheidendes stimmte nicht mit mir.
Es war absolut nicht so,daß Gott „große Stücke auf
mich hielt “,vielmehr war ich als ziemlich mieser
Typ,als Heuchler und Egoist entlarvt.Das hätte ich
früher nicht gedacht,daß ich als gestandener Katho-
lik einmal zu Gott umkehren muß.Wiedergeboren
werden,nennt das die Bibel –das hatte ich bisher nie
gehört.
„Wenn jemand sein Leben erretten will,wird er es
verlieren;wenn aber jemand sein Leben verliert um
meinetwillen,wird er es finden “,sagt Jesus.Der
Glaube an ihn ist nicht Selbstverwirklichung,son-
dern Selbstverleugnung.Alles andere ist letztend-
lich nichts anderes als der Weg ins Verderben.
Einige Wochen lang setzte ich mich durch Bibellesen
und Gespräche mit Patrick mit dem konsequen-
ten biblischen Glauben auseinander.Bald stand ich
vor der Herausforderung,Jesus zwar nicht in mei-
nen Magen,aber in mein Herz und Leben aufzu-
nehmen.
„So viele ihn aber aufnahmen,denen gab er das
Recht,Kinder Gottes zu werden “,steht am Anfang
des Johannes-Evangeliums.Ja,das wollte ich,nicht
ein „Kind Mariens “,sondern ein Kind Gottes wer-
den,mich von Jesus aus dem ganzen Krampf und
der Sinnlosigkeit retten lassen.Dabei brauchte ich
mich nicht selbst von Sünden befreien,um dann zu
ihm kommen zu können,sondern ich konnte viel-
mehr kommen,wie ich war,damit er mich von mei-
nen Sünden befreit.
Als ich das als einzige Möglichkeit nicht nur einer
gefahrlosen „Verbindung mit dem Übernatürli-
chen “,sondern auch eines sinnvollen Erdendaseins
erkannte hatte,wollte ich mich radikal von meinen
gewagten Ausflügen in die düstere Welt der Esote-
rik trennen.Ich brach meinen Kurs für Autogenes
Training und die Psychotherapie ab,weil diese als
vermeintliche andere Wege zu Gott gefährliche Göt-
zen waren.Meiner esoterischen Bekannten aus Ber-
lin gab ich Zeugnis vom Herrn Jesus,woraufhin sie
den Kontakt abbrach.
Auch das Bodybuilding reduzierte ich auf gemäßig-
tes Fitneßtraining,doch die ganze Atmosphäre im
Fitneßcenter wurde mir bei all dem Körperkult und
der abgöttischen Musik allmählich derart zuwider,
daß ich mich schließlich ganz abmeldete.Meine
Kräfte ließ ich hingegen mit einer Axt an meinen
Schallplatten aus,von denen ich in der Zwischenzeit
erfahren hatte,daß sie Lästerungen gegen meinen
Herrn und Erretter vertonten.
Ein paar Wochen nach meiner Umkehr hatte ich
meinen letzten Discobesuch.Als sähe ich jetzt mit
geöffneten Augen,erschien mir das zuvor so gelieb-
te Tanzen und „Anbaggern “so stumpfsinnig und
armselig,daß mich nichts mehr in diesem Flacker-
licht festhielt.
Mit den Betrügereien beim Taxifahren wollte und
konnte ich ebenfalls nicht weitermachen.Gottes per-
fekte Planung hatte zur Folge,daß genau zur Zeit
meiner Bekehrung das Lohnsystem umgestellt wur-
de:Ab sofort 9,-DM Stundenlohn bei verschärfter
Kontrolle.Damit lohnte sich die Arbeit auch ohne
Betrug einigermaßen.Einige Zeit später wurde mir
klar,daß ich meinem Chef eigentlich eine Menge
Geld schuldete,die ich ihm unrechtmäßig vor-
enthalten hatte.Der Herr Jesus verlieh mir den nöti-
gen Mut,vor meinem Chef sowohl meine Schuld als
auch meinen Glauben zu bekennen,sowie meine
Bereitschaft zur Wiedergutmachung zu signalisie-
ren.Er verzichtete dankend und freute sich,von nun
an einen zuverlässigen Fahrer zu haben.
So gab es einige Dinge,von denen ich mich getrennt
habe.Die Bibel spricht von einem „alten Menschen,
der sich durch die betrügerischen Begierden zu-
grunde richtet “.Das,was zugrunde richtet,legte ich
gerne ab.
Noch viel schöner ist es jedoch,Geschenke aus Got-
tes Hand entgegennehmen zu dürfen.Zusammen
mit meinem Studienkollegen Patrick machte ich
mich auf die Suche nach anderen Christen und einer
biblischen Gemeinde.Auch hier führte Gott wun-
derbar,und bald eröffnete sich mir eine ungeahnt
große Welt des biblischen Christentums.
Aus meiner Lese-Lektüre hatte ich unverzüglich die
New-Age-Literatur gestrichen,und verschlang nun
so manches christliche Buch.Besonders erfreulich
fand ich,daß es in Bielefeld einen christlichen Verlag
gab,der sehr hilfreiche Bücher herausgab,in denen
biblische Lehre verbreitet wurden.Das Verlagsge-
bäude befand sich in meiner Nachbarschaft,so daß
ich nicht nur bequem an die Bücher,sondern auch
in Kontakt zu den dortigen gläubigen Mitarbeitern
kam.Über diese Christen lernte ich dann auch eine
Gemeinde kennen,wo ich herzlich aufgenommen
und mit guter geistlicher Nahrung zum Wachstum
im Glauben ausgerüstet wurde,so daß ich bald
selbst sinnvolle Aufgaben übernehmen konnte.
Besonders beim sonntäglichen Abendmahl,bei dem
sich die Gemeinde jede Woche eine Stunde Zeit
nimmt,um an Jesu Leiden und seinen Opfertod am
Kreuz zu denken,wurde mir die unfaßbare Liebe
und Gnade Gottes immer wieder deutlich vor Augen
gemalt.
„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin,daß Chri-
stus,als wir noch Sünder waren,für uns gestorben
ist.“
Was ich früher für eigene Verdienste vor Gott gehal-
ten hatte,waren Sünden des Stolzes und der Heu-
chelei,für die ich nicht Lohn,sondern Strafe ver-
dient hatte.Jesus Christus,Gottes eigener Sohn,hat
am Kreuz alle von mir verdiente Strafe auf sich ge-
nommen,damit ich vor Gott frei ausgehen kann.
Liebe und Dankbarkeit sind die schönsten Gefühle,
die der Mensch empfinden kann,und weil Gott mir
24 Jahre lang geduldig nachgegangen ist,bis ich
endlich einen Blick für seine unverdiente Liebe
bekam,soll Liebe und Dankbarkeit die Antwort
meines Lebens sein.


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