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Re: Einige Anmerkungen zu Jan van Helsing
Seraph schrieb am 14. Mai 2002 um 15:04 Uhr (489x gelesen):
Hallo sob,
Danke für Dein Posting.
> > Hallo alle zusammen,
> > Nachdem ich von einem Freund die digitale Version der "Geheimgesellschaften" des Jan van Helsing aufgedrängt bekommen habe, habe ich mich in die Lektüre förmlich hineinziehen lassen.
> > Das Buch kann einen schon fesseln, da es in jedem Abschnitt mit neuen Theorien, (angeblichen) Fakten und Absurditäten aufwartet. Es ist spannend geschrieben und besitzt einen guten flow, auch wenn es vor Fehlern nur so strotzt.
Da gebe ich Dir recht, ich empfand es beim ersten Durchlesen ebenso.
> > Beim besten Willen kann ich in dem Buch keine wirklich rechtsextremen Thesen entdecken, jedenfalls keine Passage, die es rechtfertigen könnte, das Buch zu indizieren.
Nun, das ist Ansichtssache. In Amerika ist mir mal jemand begegnet, der steif und fest behauptet hat Franz Josef Strauß hätte einen "Linksdrall" *ggggg* Ich könnte mir vorstellen, daß ein entfernter Verwandter der Familie Rothschild das Buch durchaus als antisemitisch aufgefasst haben könnte. Ein Nazi würde es wahrscheinlich als linke Literatur einstufen.
Das ist es gerade, was eine Demokratie aushalten muss und was sie so fragil und angreifbar macht: Abweichende Meinungen zu tolerieren, auch wenn sie noch so schwachsinnig erscheinen.
Dito. Dem hinzuzufügen wäre vielleicht noch, daß die Demokratie allerdings das Recht und die Pflicht haben sollte einzugreifen (Von mir aus auch mit Bücherverbot) wenn es sich um Literatur handelt, die die Grundrechte der Menschen auf körperliche und seelish-geistige Unversehrtheit in Gefahr bringt. Dies war aber bei H. nicht der Fall (meine Meinung)
> > Aber ich bemitleide diejenigen, die dieses Werk ernst nehmen. Nicht deshalb, weil ich J. v. Helsing für einen Scharlatan halte - er „glaubt“ sicher selbst an sein Buch - , sondern weil sie ein wirklich großes Problem haben: Die Unübersichtlichkeit der Welt. Die sozialen, politischen, ökonomischen, technischen und kulturellen Strukturen der Welt werden ständig komplexer und unüberschaubarer - und das mit zunehmender Geschwindigkeit. Gleichzeitig schwindet die Glaubwürdigkeit und damit der Einfluss althergebrachter Welterklärungssysteme und Traditionen. Religion spendet nur noch selten wirklich Sinn und kann das Weltgeschehen nicht mehr lenken. Moderne Alternativen mit festen Autoritäten und der Gewissheit, auf der richtigen Seite zu sein, brechen zusammen: Der Kommunismus ist tot, der Kapitalismus bietet keine Antworten. Mehr und mehr ist das Individuum auf sich und seine Ratio angewiesen, um die Welt verstehen und aushalten zu können.
Gerade um diese Entmündigung geht es aber in dem Buch. (Sicherlich lesen sich etliche Passagen wie Sciencefiction und es bleibt dem Einzelnen überlassen, welche Theorie er für sich selber annehmen kann) Und daß wir nicht sehr viel mitzureden haben, auch in der Demokratie, das entspricht schon eher einer Tatsache. Daß es an der Spitze Leute geben muss, die für uns bis zu einem gewissen Punkt die Entscheidungen treffen, das ist ja ok. Daß sie dafür auch ein kräftiges Honorar kassiere, auch das ist ok. Aber seien wir uns mal ehrlich: Wer wollte zum Beispiel unbedingt auf Biegen und Brechen (damit meine ich nicht Kotzen, auch wenns zum Kotzen ist) den (T)euro ????? Wir mussten uns alle damit abfinden. Wo man vor einem Jahr mit zwei Tüten zum Futtern aus dem Laden gegangen ist, bekommt man nur noch die Hälfte. Oder nicht ????? Die uns vorgelegten Ergebnisse der Teuerungsrate sind ein Witz mit Hosenträgern. Die sollten vielleicht mal das Auto, die Waschmaschine und den Videorecorder aus dem Warenkorb entfernen, dann sieht man vielleicht die tatsächliche Teuerungsrate. Das nur am Rande.Weiter zu H. Was ist denn so verkehrt daran, wenn er versucht uns aus dem Dornröschenschlaf aufzuwecken ? Hauptsache das Bier wird nicht teurer auf der Wiesn und der Verein spielt gut. Panem et circeses ! Und genau darauf weist er hin, ob jetzt die blöden Protokolle wirklich existieren oder nicht, wir werden verarscht und wie bei den alten Römern auf einem Brot und Spiele Level gehalten. Leider hat er sich sehr unglücklich ausgedrückt und es wäre wohl besser gewesen, wenn er auf so manchen "Beweis" verzichtet hätte. Das tut aber der Sache, die er anspricht trotz Allem keinen Abbruch.
> > Gleichzeitig steigt die Popularität von Verschwörungstheorien. Warum? Diese bieten Schutz mit einem Gebäude, das alles Zerfallende wieder verbindet, jede Erklärungslücke füllt und uns sogar erklärt, warum es in Europa doch wieder Krieg gibt! (Wenn das doch die westlichen Politiker vorher gewusst hätten, hätten sie nicht zehn Jahre lang alles falsch gemacht..., ..., ...)
> > Dass eine geschichtliche Entwicklung oder Katastrophe nicht immer geplant ist, sondern sich aus menschlichen Unzulänglichkeiten wie wir sie alle besitzen und dem Zusammenwirken von anderen, nicht immer erkennbaren Faktoren ergibt, bietet natürlich leider keinen moralischen Standpunkt an; weder einen, auf den wir uns als die „Guten“ stellen können, noch den anderen, auf den wir guten Gewissens hinabschauen können.
Schon mal was von Macchiavelli gehört ? Wem nutzen denn die Kriege ud von wem werden sie geschürt ? Zum Beispiel Palästina: Ist da der Mishe Nußbaum auf den Tempelberg gelatscht (im Gefolge 200 Soldaten) oder der Sharon ? Wenn das keine Provokation war (Für alle, die mir jetzt Anisemitismus unterschieben wollen: ich bin Geburtjüdin, das heißt ich habe mütterlicherseits jüdische Vorfahren :-P) Und prompt gabs die 2. Intifada. Man muss dann nur wissen, wen man provoziert, die Intelligentia sicherlich nicht, dann machts keinen Spass und bringt nicht den gewünschten Erfolg.
> > Statt sich der mühsamen, nie endenden Aufgabe zu stellen, die Glaubwürdigkeit jedes einzelnen Menschen neu zu überprüfen, die Abhängigkeit eines Wissenschaftlers von den wirtschaftlichen Interessen seines Unternehmens verifizieren, den Subtext eines (natürlicherweise immer mit Propaganda durchsetzten) Politikerwortes verstehen zu können, alles miteinander abzugleichen und eventuell doch ein Gefühl der Ohnmacht zu behalten, statt dieser Anstrengung, einer zuweilen wirklich nicht sinnhaften Welt zu begegnen, dafür aber prinzipiell auch an ihr mitwirken zu können(!),
Das obige Beispiel (T)euro zeigt uns ja, wie weit wir mitwirken können. Es gäbe sicherlich noch mehr Beispiele.
wird mit der Verschwörungstheorie ein einfacher Entwurf der Zusammenhänge präsentiert, die Welt auf ein paar Seiten, leicht zu lesen und außerdem: Man weiß nun, wer die Schuld hat!!
> > Nur: Jetzt besteht keine Mitwirkungsmöglichkeit mehr. Egal ob Gott mich führt, das Sternzeichen meinen Charakter bestimmt, die CIA oder der KGB für meine Unwissenheit über die Welt verantworlich sind oder Geheimbünde seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden die Weltregierung bilden: Wenn ich diese Sicht der Dinge habe, mache ich es mir einfach und bin gleichzeitig zur Ohnmächtigkeit verdammt.
Dann solltest Du aber bitte die Bücher zu Ende lesen. Er gibt sehr wohl Tips, wie wir alle zusammen helfen können (das geht aber wirklich nur, wenn es zumindestens sehr viele sind) unsere Situation zu verbessern.
> > Es geht nicht darum, ob diese Welt untergeht oder in ewigem Frieden lebt, auch nicht darum, ob wir in völliger Freiheit oder absoluter Knechtschaft leben: Weder das eine noch das andere wird jemals eintreten. Es geht darum, Zusammenhänge zu erkennen, kritisch zu sein (da stimme ich J. v. Helsing zu) und die Welt immer wieder durch kleine Schritte in die als richtig erkannte Richtung zu führen.
> > Dabei hilft ein mit vielen richtigen Fakten aber noch mehr falschen, viel Fleiß aber auch Halbwissen und Naivität geschriebenes Buch nicht weiter, vor allem, wenn die aufgestellten Thesen sich jeder Überprüfbarkeit dadurch entziehen, dass sie ja ach so geheim sind.
So geheim sind die Dinge mittlerweile auch nichtmehr, da H. eben nicht der Einzige war, der aufrüttln wollte. Und was ist Halbwissen? Alles wissen können wir doch alle nicht. In unserer menschlichen Begrenztheit müssen wir leider damit leben, auch so dann und wann mal nen Bock zu schießen und uns Gegenargumente liefern zu lassen. Selbst in der Wissenschaft ergeben sich immer neue Theorien, deren Beweise die alten (seinerzeit ebenfalls als bewiesen geltende Fakten ablösen. Daran wird sich, denke ich, auch in den nächsten Jahrhunderten wenig ändern, sonst gäbe es ja keinen Fortschritt.
> > Es wendet sich an halbgebildete, verunsicherte, sehnsüchtige und suchende Menschen, die es nicht aushalten, das sich nicht alles erkären lässt, oder denen der Sinn verloren gegangen ist und die ihn nicht mehr im Glauben sondern in der Wissenschaft suchen, sei es auch nur als Para-Wissenschaft. Die Thematik klingt biblisch: Das UFO vom fremden Stern ist Engel und Erlöser, der Satan sitzt nicht in uns, sondern tarnt sich als Loge, das Paradies existiert auch materiell (vielleicht im Erdinnern?) - schade nur, dass dies alles uns trotzdem für immer entzogen bleiben wird.
Nun ja, da kann man sicherlich über etliche Dinge ein fruchtbares Streitgespräch führen. Ein Ufo-gläubiger wird sicherlich anders über H.s Theorien denken, als einer, der sich mit der Thematik nicht näher befasst hat. Logen gibt es solche und solche, eine 99er-Loge hat sicherlich ein anderes Ziel als der AMORC und wieder ein anderes haben die Illus. Da zu pauschalisieren finde ich persönlich auch wieder ein wenig weit hergeholt.
> > Ich empfehle jedem Helsing-Jünger, sich zu einem in seinem Buch behandelten Thema wirklich wissenschaftliche Literatur zu suchen und die darin vertretenen Thesen mit denen Helsings zu vergleichen. Da wird es schwierig, weil mit jedem Buch die Menge an möglichen Wahrheiten wächst (s.o.) und weil ein Historiker normalerweise versucht, sehr abwägend und differenziert zu schreiben. Die Mühe könnte sich allerdings lohnen, denn das Ergebnis ist offen. Vielleicht kommt Ihr ja immer noch zu dem Schluss, dass jeder nur eine Marionette ist. Dann aber J.v. Helsing auch: von seiner eigenen fixen Idee.
Und da hakt es dann eben wieder, da eben gerade die wissenschaftliche Literatur schon sehr stark mit dem Gedanken der Obrigen übereinstimmt. Bestes Beispiel Alternativmedizin. Alles, was den Pharmakonzernen an die Substanz gehen würde, z.B. effektive Krebsbehandlung, mit Heilungschancen auch bei sog. Todeskandidaten wird, so wie ich gehört habe, unter den Tisch gekehrt. Schlimmstenfalls landet da auch schon mal jemand in der Klapse, nur weil er helfen will, das kanns doch nicht sein, oder? Leider hat sich H. bei manchen Dingen ziemlich im Ton vergriffen, aber lesens-und auch überdenkenswert sind einige seiner Theorien allemal. Auch hier wie überall gilt:
Prüfet Alles und behaltet das Gute.
mkG Seraph
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