Alle Menschen werden Bäume;-)
erwinio schrieb am 11. Juli 2005 um 9:01 Uhr (411x gelesen):
Noch bist Du nicht fähig, ohne Ideale zu leben. Du brauchst diese Krücke, um Dich durch das Leben zu bewegen. Doch es wird die Zeit kommen, und glaube mir, sie ist schon nah, in der sämtliche Ideale, alle moralischen Einwände und alle Dogmen wegfallen.
Das mag nun trostlos klingen oder gar gefährlich. Aber sieh’ doch in Deiner Kultur: Dieser Prozess schreitet voran, und die Schritte, die er tut, sind gross! Nicht, ob es Dir gefällt, sollst Du Dich fragen, sondern wie Du darauf Dich verhalten kannst!
Es wird nun so sein, dass viele Menschen überfordert sind; für sie bedeutet diese Entwicklung: „Alles ist erlaubt!“. Sie werden Verderben bringen.
Viele Menschen jedoch werden sich auf das besinnen, was aus ihnen zu ihnen spricht und was mehr ist als ihr Ich. Auch unter ihnen wird es solche haben, die Verderben bringen. Denn diese Stimme ist zart - und leicht ist es für das Ich, die Worte zu verbiegen. Warmes Wachs sind diese Worte ihrem Ich.
Was ich Dir nun gebe ist ein Mittelding zwischen Ideal und Dogma. Es ist ein Bild, wie Du es selbst beobachten kannst und in Zeiten des Zweifels heranziehen kannst, um Deinen Weg zu überprüfen.
Es ist dies das Bild des Baumes. Ach, was soll ein Baum mir schon vermitteln können, fragst Du jetzt. Das können doch nicht die grossen Geheimnisse des Lebens sein! Narr, sei Dir bewusst, dass es ohne Dich keinen Baum gibt und ohne Baum kein Dich! Das ist Naturwissenschaft; denn was aus Deinem Atem kommt, hauchst Du ihm ein, was für Dich verbraucht ist, für ihn ist es notwendig, was er nicht mehr brauchen kann, ermöglicht Dir erst das Leben! Du siehst diesen Zusammenhang? Spürst Du die Verbundenheit? Dies ist ein Teil der Schönheit der Natur; es ist deutliches Zeichen der Verbundenheit aller Dinge. Freund und Bruder sei Dir der Baum zugleich. Es sind dies Dinge, die unverändert seit Jahrmillionen Bestand haben, sämtliche Lehren und Dogmen überleben! Die Geheimnisse, die Dir die Bäume vorleben, sind tiefer als sämtliche Einsichten, die Dir durch Bücher vermittelt werden!
Der Baum nun besteht aus mehreren Teilen; die Wurzel, der Stamm, die Krone. So verhält es sich auch beim Menschen. Der grösste Teil des Baumes ist die Krone; sie sehnt sich nach Licht, reckt und streckt alle ihre Äste gegen Licht und Himmel. Sie ist die offensichtliche Schönheit, die Eleganz, die Krone eben! Sie ist das, was den Baum erst zum Baum macht! Der Baum nun holt sich aber auch Kraft und Halt aus der Erde. Er treibt die Wurzeln so tief ins Erdreich, wie er es muss, um Stamm und Krone zu tragen. Und sein Stamm? Er verbindet die Erde mit dem Himmel, er trägt die Last und muss stark genug sein, das Lichte des Himmels mit dem Dunkel der Erde zu verbinden.
Der Baum tut dies unmittelbar; er überlegt nicht, wohin er wachsen soll. Er fragt sich nicht: „Was soll ich tun?“ Denn der Baum kennt kein Ich. Wo kein Ich ist, kann auch keine Frage nach ihm sein. Der Baum grenzt nicht ab; er gehört zu jedem Zeitpunkt zum Grossen und Ganzen; ist eingebettet in den Lauf der Zeit. Im Wald nun strebt jeder Baum danach, gross und stark zu werden und sich möglichst viel Licht zu sichern. Aber wie er das tut! Prüfe die Wälder, wie harmonisch, wie freudvoll, wie lustvoll sie das tun, wenn man sie sich selbst überlässt. Die grösste Verwilderung hat ihre Ordnung! Der einzelne Baum geht ein in den Zusammenhang des Grossen und Ganzen, ins Göttliche! Er ist eins mit dem Grossen und Ganzen. Er ist das Grosse und das Ganze! Er endet nicht, wo seine Wurzeln, seine Blätter enden. Er endet dort, wo seine Brüder enden. Also, der Baum tut, was er unmittelbar tun muss. Er hat kein Ich, dass sich einmischt und dieses unmittelbare Wissen verwässert, wie es bei Dir der Fall ist. Sei Dir dieser Sache bewusst!
Glaube mir, könnten wir die Bäume mit einem Ich versehen; zusammenbrechen würde das Grosse und das Ganze. Das Ich würde das Individuum begründen, das Abgetrennte; es würde eine Grenze ziehen, wo eigentlich keine ist!
Der Baum steht Dir ohne Urteil gegenüber; ob Du ihn missachtest, ob Du ihn bewunderst: Immer ist er bereit, seine Schönheit zu offenbaren; jedem steht sie frei! Ob jemand die Natur bewundert oder ob er sie zerstört: Die Bäume blicken liebend auf die Menschen.
Mit einem Ich versehen begänne der Baum, sich anders zu verhalten als es für ihn von Vorteil wäre. Auf einmal würde er beginnen, gezielt mit seinen Ästen die Kleineren und Schwächeren Bäume zu verdrängen. Sein Streben wäre das Verdrängen und ob diesem Streben vergässe er, auf die Proportionen zwischen Wurzeln, Stamm und Krone zu achten! Er würde sein Ich über alles stellen und das Grosse und das Ganze könnte er nicht mehr sehen.
Viele würden sich grosse Kronen leisten, viel Licht aufnehmen und dies als den wahren Weg predigen. Sie würden fallen beim ersten Wind.
Viele würden sich grosse Wurzeln leisten, die Dunkelheit lieben und dies als den wahren Weg predigen. Sie würden vermodern und von Würmern zersetzt.
Viele würden sich starke Stämme leisten, sie hätten wohl Rückgrat; aber weder zu Licht noch zu Dunkel hätten sie Zugang. Sie würden dies als den wahren Weg predigen. Sie würden austrocknen und ersticken.
Sie alle aber würden an das Ich predigen und ihre Lehren würden dem Ich schmeicheln.
Einige aber würden sich darauf besinnen, was sie ohne Ich getan hatten – oder sie sähen, welche Wahrheit hinter dem Schleier des Ichs zu finden ist! Ihr Weg wäre der Mittlere, der Ausgleichende, der Verbindende, der Sanfte. Von ihnen würden einige grosse, bewundernswerte Bäume werden. Ihre Worte würden wohl von den ersten dreien gehört und bestaunt; aber nach ihnen zu Leben wäre es den wenigsten wert. Das Ich aufzugeben um zu sich selbst zu finden; damit kann das Ich nicht umgehen.
Nicht alle diese Bäume des mittleren Weges jedoch würden gross und stark! Auch dieser Weg würde Gefahren mit sich bringen und einige dieser Bäume würden von den fallenden Ich-Bewussten mit ins Verderben gestürzt. Für sie aber wäre es nicht verderben; denn sie hätten erkannt, das wohl das Ich stirbt, nicht aber das Grosse und Ganze, das Göttliche.
Bleibt zu hoffen, dass die Weisheit, die Grosszügigkeit, die Achtsamkeit und die Liebe der Bäume den Menschen ein Zeichen sei für das Grosse und das Ganze, das Göttliche!
Liebe Grüsse
Erwinio

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- Alle Menschen werden Bäume;-) ~ erwinio - 11.07.2005 09:01 (1)