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"Die Selbstmörderin"
Es war ein breiter Naturweg, in Zwielicht getaucht, auf dem ich ging. Nicht weit entfernt waren die Konturen eines Waldes zu erkennen, welcher sich in Buschwerk auflöste, das bis an den Weg heran reichte. Vor mir in einigen km Entfernung war ein schwacher Lichtschein zu erkennen, auf den ich zu eilte.
Allmählich lichtete sich das Buschwerk zu Wiesenstreifen. Da gesellte sich ein etwa 8 jähriges Mädchen zu mir. Beide waren wir froh in dieser Einsamkeit Gesellschaft gefunden zu haben und so eilten wir Hand in Hand zu zweit weiter. Auch schien der Wald mit seinen bedrohlichen Tierrufen zu zweit weniger bedrohlich zu sein.
Unterwegs erzählte mir das Mädchen seinen Kummer - es hatte sich von einem hohen Felsen in das Meer gestürzt. Weshalb, das erzählte es mir nicht, dagegen umso plastischer jenes Ereignis, das ich direkt in meiner angeregten Phantasie vor mir sehen konnte. So im Gespräch vergaßen wir den bedrohlichen Wald und erreichten in kurtzer Zeit jenes Gebäude von dem das Licht ausging.
Durch ein großes, offenes Tor betraten wir eine große Halle, die Ruhe und Geborgenheit ausstrahlte und durch die anwesenden Menschen mit einem Schlag die vorher so drückende Einsamkeit auslöschte. Ich wußte mit eins, daß wir an einem Übergang zu einer höheren Ebene angelangt waren. Das dem Eingang gegenüberliegende Tor schien der Zugang zur höheren Ebene zu sein.
Wir gingen auf das Tor zur höheren Ebene zu. Es war geschlossen öffnete sich jedoch vor mir, als ich näher darauf zu ging. Mit einem Schritt war ich in einer freundlichen Landschaft mit Wiesen, Blumen und Sonnenlichtl. Vor dem Mädchen schloß es sich wieder und verwehrte den Durchgang. Ich wollte jedoch das Mädchen in eine höhere Ebene geleiten - also kehrte ich wieder zurück in die Halle, trat vor das Tor, das sich wieder vor mir öffnete, riß das Mädchen zu mir, preßte sie fest an mich und zwängte mich mit ihr durch.
Ich war über diese gelungene Aktion in höchstem Maße zufrieden. Wir kamen jedoch nicht weit. Nach wenigen Schritten nur öffnete sich vor dem Mädchen die Wiese zu einem offenen Grab. Das Mädchen fing an wild zu schreien und schlug verzweifelt um sich. Ich versuchte es zu beruhigen, versuchte die Erde um das Grabloch mit den Füßen zurückzuschieben, doch das Grab öffnete sich immer wieder aufs neue. Ich machte aus ein paar Hölzern ein Kreuz und bedeutete dem Mädchen sich zu beruhigen, denn alles sei in Ordnung. Vergebends, die Verzweiflung des Mädchens brach in immer neuen Anfällen frisch hervor. Ich mußte erkennen, daß eine höhere Ebene nicht immer ein glücklicheres Befinden mit sih bringen müßte. Eine höhere Ebene ging auch mit einem wacheren Bewußtsein einher und das bedeutete bei nicht verarbeiteten Erinnerungen auch mehr Gefühl und somit merh Schmerz. Durch das symbolische Grab waren die Erinnerungen des Mädchens nun sichtbar gegenwärtig. Ich nahm es in meine Arme und trug es in die Halle zurück. Zu gleicher Zeit sang ich ihm schöne und beruhigende Lieder vor, aus irgend einer verschütteten Erinnerung hervor und schöner, als ich es in meinem Alltagsleben jemals könnte.
In der Halle legte ich das Mädchen in eine ruhige Nische, in welcher es sofort in tiefen Schlaf fiel.
Dem Tag darauf ging ich in eine Kirche und zündete für das Mädchen einige Kerzen an.
© copyright Alfred
Ballabene, Wien